Die MotoGP-Welt kann manchmal ganz schön kurios sein, oder? 2023 reiste Francesco Bagnaia mit einem Doppelsieg aus Österreich im Gepäck zum dritten MotoGP-Rennwochenende auf spanischem Boden und erlebte in Barcelona im Hauptrennen mit seinem schrecklichen Highsider eine Katastrophe. Exakt 364 Tage und damit fast auf den Tag genau ein Jahr später wiederholte sich dieses Szenario nun erneut, wenn auch an anderer Stelle. Erneut kehrte Bagnaia mit zwei Siegen am Red Bull Ring nach Spanien zurück und erlebte dort ein mittelgroßes Desaster.
Gemeint ist damit aber nicht Bagnaias enttäuschender Sprint in Aragon, sondern die Kollision mit Markenkollege Alex Marquez, bei der er zum zweiten Mal in Folge nur knapp schwereren Verletzungen entging. Auf dem Weg ins Kiesbett wurde der Ducati-Star nämlich unter dem Motorrad von Marquez eingeklemmt und bekam schließlich einen heftigen Schlag gegen den Kopf-, Hals- und Nackenbereich ab. Eine Untersuchung durch die MotoGP-Ärzte im Medical-Check brachte Entwarnung, Bagnaia war mit ein paar Prellungen und dem Schrecken davongekommen. Doch der Crash im Aragon Grand Prix saß tief und ließ den amtierenden Weltmeister seinem Unfallgegner sogar eine absichtliche Kollision vorwerfen.
2023 macht Sorgen: WM-Wende zugunsten von Jorge Martin?
Das zeigt: Der sonst so besonnene, beherrschte und abgeklärte Turiner wurde von der (unnötigen) Kollision mit Marquez ganz schön mitgenommen. Womöglich auch, weil er sich dadurch an das Vorjahr erinnert fühlt und eine Trendwende im Titelkampf zugunsten Jorge Martins fürchtet. Dieser blieb in Aragon in einer brenzlichen Situation mit Pedro Acosta nämlich sitzen und erzielte als Zweiter somit Big Points. Ein böses Omen für Bagnaia mit Blick auf die Fahrer-WM?
Ein Rückblick in den Herbst des vergangenen Jahres zeigt nämlich, dass Martin in Folge von Bagnaias Spanien-Fiasko die Nase vorne hatte. Dass es nicht mehr zum Titelgewinn reichte, lag hauptsächlich am großen Punkterückstand aus den ersten ersten elf Rennwochenenden der Saison 2023. Nach dem Katalonien Grand Prix fehlten Martin nämlich noch happige 50 Punkte auf den Führenden Bagnaia, welcher diesen vermeintlich komfortablen WM-Vorsprung in einem dramatischen Saisonfinale gerade noch über die Linie retten konnte.

Das Problem: 2024 kommt Bagnaia nach der 12. Saisonstation in Aragon ohne ein solches Punktepuffer daher. Vielmehr befindet er sich inzwischen sogar in der Verfolgerrolle, Martin übernahm bereits im Sprint die WM-Führung und baute sie mit Platz zwei im Grand Prix noch auf 23 Zähler aus. Blickt man nun auf die Punkteausbeute der beiden Ducati-Piloten im Jahr 2023 in den acht Grand Prix, die in dieser Saison noch ausstehen, stehen die Chancen auf einen dritten WM-Titel in Serie nicht besonders gut für Bagnaia. Der Titelverteidiger sammelte in diesen acht GPs zusammengerechnet nämlich nur 196 Punkte, während Martin 205 Zähler holte. Wiederholt sich auch dieses Szenario, würde sich der Pramac-Pilot in Valencia mit 32 Punkten Vorsprung zum neuen Weltmeister krönen.
Doch es gibt natürlich auch gute Gründe für einen anderen Verlauf im Jahr 2024. Für Bagnaia spricht beispielsweise, dass er sich Martin 2023 im Thailand GP nur hauchdünn geschlagen geben musste und ein Punkteplus von zehn Zählern [Bagnaia +5, Martin -5, Anm.] lediglich um 0,253 Sekunden verpasste. Womöglich gelingt ihm 2024 die Revanche. Zudem startete der Italiener bei seinem Heimspiel in Misano körperlich noch stark angeschlagen, fuhr mit schweren Beinprellungen. Von diesen wird er 2024 nicht ausgebremst werden und könnte Martin auf einer seiner Lieblingsstrecken mit Siegen sogar bis zu 44 Punkte [Bagnaia +28, Martin -16] abnehmen, da dort 2024 ja gleich zweimal gefahren wird. Diese Differenz von 54 Zählern in Summe würde dann auch schon genügen, um Bagnaia mit 31 Punkten Vorsprung erneut zum Weltmeister zu machen.
Noch Luft nach oben: Jorge Martin vor erstem MotoGP-WM-Titel?
Gleichzeitig gehört aber auch zur Wahrheit, dass das Pendel mit einem anderen Verlauf auch noch deutlicher zugunsten Martins ausschlagen könnte. Dieser verlor schließlich im Indonesien GP 25 Punkte durch einen dicken Patzer und potenzielle 12 Zähler durch den wetterbedingten Ausfall des Sprints auf Philipp Island. Zudem musste er beim Saisonfinale in Valencia All-in gehen. Mit einem vorsichtigeren Ansatz wären im Hauptrennen Platz zwei und damit weitere 20 WM-Punkte definitiv realistisch gewesen. Sammelt der 'Martinator' 2024 auch nur einen Bruchteil dieser verlorengegangenen Punkte, dürfte ihm der WM-Titel nur schwer zu nehmen sein, sollte er seine starken Leistungen aus den restlichen Grand Prix wiederholen können.
Dafür spricht auch die überragende Titelquote der MotoGP-WM-Halbzeitführenden, zu denen sich Martin in diesem Sommer gesellte. Francesco Bagnaia könnte seinen überhasteten Angriff gegen Alex Marquez also noch bitter bereuen. Was unser Markus dazu meint, erfahrt ihr hier:
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