Die Kollision zwischen Enea Bastianini und Jorge Martin in der letzten Runde des Rennens von Misano war ein echter Aufreger. Da ist sich die MotoGP-Community einig. Hier endet der große Konsens aber auch schon. Unter Fahrern und Fans gibt es jene, die eine Strafe für Bastianini als gerecht erachtet hätten. Und dann gibt es jene, die die Kollision einfach nur als hartes, aber herzliches Racing einstufen.
Auch im MotoGP-Ressort von Motorsport-Magazin.com herrscht am zweiten Misano-Sonntag - ausnahmsweise - keine Einigkeit. Wie unsere Redakteure Markus und Tobias den Zusammenstoß Enea Bastianini gegen Jorge Martin gesehen haben und wie sie als Stewards in dieser Szene entschieden hätten, lest ihr jetzt.
Pro: Irgendwo muss es Grenzen geben
Tobias Mühlbauer: Gehen wir ganz genau nach den Regeln, dann ist es wohl in Ordnung von Seiten der Stewards, hier keine Strafe auszusprechen. Enea Bastianini fährt in seinem Manöver 'nur' auf die sogenannte blaue Zone hinaus und das gilt rein regeltechnisch nicht als ein Verlassen der Strecke. Dementsprechend könnte man ihn nur im Sinne eines unsportlichen Verhaltens bestrafen. In der Sprache der Stewards heißt das dann 'Irresponsible Riding'.
Für mich liegt aber dieser Fall vor und mir fehlt auch die Verhältnismäßigkeit. In der Moto3 verlor Dani Holgado eine Position, weil er an anderer Stelle knapp über die Streckenlimits hinausfuhr. Hier rempelt ein Fahrer einen anderen komplett von der Strecke, und dieser hatte keine Chance sich zu verteidigen. Außerdem bekommt Bastianini die Kurve nicht wirklich. Er fährt über die Kerbs am Kurvenausgang hinaus, auf die angesprochene blaue Fläche. Das mag in den Regeln noch als Strecke gelten, aber richtig erscheint mir das nicht. Dass er danach davon sprach, die Linie gehalten zu haben, halte ich für geradezu lächerlich.
Die Reihenfolge hätte nach meinem Empfinden wieder hergestellt werden müssen. 'Drop one Position' hätte auf dem Dashboard Bastianinis aufleuchten sollen, womit Martin Sieger und Bastianini Zweiter geworden wäre. Mehr verlange ich auch gar nicht. Keine drakonische Strafe wie etwa bei Verstößen gegen die Reifendruckregel. Bastianinis Manöver ging lediglich ein bisschen zu weit, aber es braucht irgendwo eine Grenze. Sonst kann jeder Fahrer einfach seine Gegner von der Strecke fahren, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das feiern die einen vielleicht als hartes Racing, aber es ist stets unfair gegenüber jenem, der ohne Verteidigungsmöglichkeit abgedrängt wird.
Contra: Enea Bastianini war hart, aber nicht unfair
Markus Zörweg: Dass die Rennleitung und die für Strafen verantwortlichen MotoGP-Stewards die Kollision zwischen Bastianini und Martin nicht einmal untersucht haben, ist definitiv verwunderlich. Schließlich entschied diese Szene nicht nur den Kampf um den Sieg im Rennen und hat auch bedeutende Auswirkungen auf die Weltmeisterschaft, sie war auch definitiv an der Grenze des in der MotoGP Erlaubten.
Bei der Beurteilung der Szene gibt es drei wesentliche Faktoren zu beurteilen. Nummer 1: Track-Limits. Beide Fahrer haben nach der Kollision die Strecke verlassen. Da der Asphalt in Kurve vier aber blau und nicht grün bemalt ist, zählt das nicht als Track-Limit-Vergehen. Martin wäre ohnehin freizusprechen gewesen, schließlich wurde er ja von Bastianini in die Auslaufzone befördert. Doch auch Bastianini kann so nicht für das Verlassen der Strecke belangt werden. Angemerkt sei hierbei auch, dass sein Ausflug über den Kerb erst passierte, als er sich für einen Blick auf Gegenspieler Martin nach hinten umdrehte. Eine derartige Situation ist anders zu bewerten als ein Verlassen der Strecke aufgrund zu hoher Geschwindigkeit oder zu aggressiver Linienwahl.

Faktor zwei und drei betreffen den Paragraph 'Irresponsible Riding' im Sportlichen Reglement der MotoGP. Dieser besagt, dass Fahrer durch ihr Verhalten auf der Strecke keine Gegner in Gefahr bringen und sich keinen unfairen Vorteil erschaffen dürfen. Gefährlich war Bastianinis Manöver in einer der langsamsten Kurven des Misano World Circuit definitiv nicht. So bleibt nur die Frage nach der Fairness seiner Attacke auf Martin. Am Limit war diese zweifelsohne, doch sie war sicherlich nicht gegen den Geist des Sports. Überholen ist in modernen MotoGP schwierig, die Brechstange für die Piloten oft die einzige Option. Bastianini konnte Martin nur in Turn 4 wirklich angreifen, um sein Heimrennen zu gewinnen und seine kleine Chance auf den WM-Titel 2024 zu wahren. Dabei kam es zu einer Berührung, die aber keine dramatischen Folgen für einen der Unfallgegner hatte. Verbietet man solche Aktionen, ist die MotoGP dem Untergang geweiht.
Jetzt seid ihr dran: Hättet ihr Enea Bastianini bestraft? Schreibt uns euer Urteil in die Kommentare!
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