Am Donnerstag vor dem vorletzten Formel-1-Wochenende 2024 kocht es in Katar hinter den Kulissen. Denn der Automobil-Weltverband FIA kommt nicht zur Ruhe. Nur wenige Wochen nachdem F1-Rennleiter Niels Wittich abgesetzt wurde, folgt ihm die neue designierte Formel-2-Rennleiterin - noch bevor sie ihren Dienst überhaupt antrat. Mit ihr muss obendrauf ein Veteran aus dem Stewards-Kreis gehen. Und der hält sich daraufhin nicht mit Kritik an FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem zurück.
Fest steht, dass dem neuen Formel-1-Rennleiter Rui Marques das Leben noch schwerer gemacht wird. Marques war vor seiner Beförderung eigentlich Formel-2-Rennleiter. Seine Stellvertreterin Janette Tan sollte nun den F2-Posten übernehmen. Doch nur Tage bevor die Formel 2 in Katar wieder fährt, wurde Tan vor die Tür gesetzt.
Das zwingt Marques nun dazu, in Katar sowohl für Formel 1 als auch Formel 2 als Rennleiter zu fungieren. Tan ist aber nicht die einzige. Auch der amerikanische Motorsport-Funktionär Tim Mayer ist weg. Er fungierte in den letzten Jahren bei zahlreichen F1-Rennen als Stewards-Vorsitzender. Mit ihm verliert die FIA einen Mann, der auf über 15 Jahre als F1-Steward zurückblicken kann.
Gefeuerter F1-Steward nimmt FIA-Präsidenten ins Visier
Mayer geht nicht leise. Am Donnerstag kommentierte er die Lage offen in einem umfangreichen Interview mit der BBC. Er könne es zuerst einmal nicht glauben, dass die FIA jemanden wie Janette Tan loswerden wolle: "Sie steht für alles, das wir von einer Person wollen, die bei der FIA arbeitet. Ich kenne die Umstände nicht, aber man würde sich doch denken, dass man alles versuchen würde, um jemanden von ihrem Charakter zu halten."
Tan ist eine Funktionärin aus dem Motorsport-Club von Singapur. Sie arbeitete nicht nur in einer führenden Position in den Nachwuchsklassen, sondern war auch im operativen Geschäft des Singapur-GPs tätig. Eine äußerst fähige Offizielle, urteilt Mayer: "Es gibt nicht viele FIA-Rennleiter auf Platinum-Level. Das ist die höchste FIA-Zertifizierung. Ich bin einer von ihnen. Das ist viel Arbeit, und wenn du den Job richtig machst, dann wachst du jeden Tag mit einem Geschwür auf, weil du an so viele Dinge denken musst."
"Sie tun sich damit keinen Gefallen - ihnen gehen sprichwörtlich die Leute aus, die diese Jobs machen können", warnt Mayer. F1-Rennleiter Rui Marques sei sicher auch sehr gut, aber die Belastung, in Katar jetzt an einem Wochenende F1, F2 und obendrauf F1 Academy zu managen, sei gefährlich viel: "Das wird ihn enorm unter Druck setzen."
FIA-Präsident lässt Steward feuern: Persönlich angegriffen gefühlt?
Die genauen Hintergründe von Tans Entlassung sind nicht bekannt. Aber es gibt einen Zusammenhang mit Mayer. Beide sind nebenher für Veranstalter von F1-Rennen tätig. Tan in Singapur. Mayer bei allen drei US-Rennen. Und er wird sehr deutlich, wenn es darum geht, warum er seinen Posten los ist.
Beim diesjährigen USA-GP hatten Fans eine noch befahrene Strecke gestürmt. Das kostete dem Veranstalter 500.000 Euro. Damit hatte man weniger ein Problem - mehr mit einer Formulierung, die nach US-Recht Konsequenzen haben hätte können. Eigentlich hätten alle das Problem auch verstanden, so Mayer. Mit einer Berufung schaffte man es, die Formulierung zu ändern.
Mayer trat hier nicht in seiner Rolle als Steward auf - sondern stand auf der anderen Seite. Als sportlicher Organisator des US-Motorsportclubs, der die US-GPs ausrichtet. "Eine Rolle, die ich im Sinne der FIA über zwölf Jahre lang ausgeübt habe, die ist nicht neu", hebt er hervor, dass es hier keinen Interessenskonflikt gebe. Zur Erinnerung: FIA-Steward ist kein Vollzeit-Job, und Stewards sind Freiwillige. 2024 war er in Austin entsprechend auch kein Steward.
FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem habe Teile der Berufung jedoch als "persönlichen Angriff" aufgefasst: "Das war so eine Kleinigkeit, dass es unergründlich ist, wie man sich dadurch so angegriffen fühlen kann." Mayers letztes Rennen, bei dem er als F1-Steward auftrat, war der Mexiko-GP. Eigentlich stand er auch für Brasilien im Plan, wurde aber kurzfristig kaltgestellt.
Wie geht es weiter für die FIA?
Am Dienstag vor Katar wurde ihm schließlich per SMS von einem Assistenten von Ben Sulayem mitgeteilt, dass er wegen des Interessenskonfliktes rund um den USA-GP den Stewards-Job ganz los sei. Für Mayer ist diese Rechtfertigung aus den bereits dargelegten Gründen fadenscheinig: "Obwohl die Angelegenheit still und einvernehmlich abgewickelt wurde, ist er immer noch sauer, und hat sich entschlossen, mich zu feuern."

Die anhaltenden Personal-Verluste sorgen jedenfalls in der unmittelbaren FIA-Planung für 2025 für Turbulenzen. Mit den Abgängen von Niels Wittich und Janette Tan ist erst einmal unklar, wie die Rennleitung der Formel 1 und der Nachwuchsklassen 2025 aussehen wird. Und auch die Stewards-Rotation wird den Verlust von jemandem wie Mayer nur schwer wegstecken können.
Im aktuellen Format gibt es an jedem Wochenende vier Stewards. Einer davon ist Ex-Fahrer, einer vertritt den örtlichen Motorsport-Verband. Die verbleibenden zwei Plätze werden aus einem Pool an erfahrenen Funktionären gefüllt. 2024 wurde zwischen zehn Mann durchgewechselt. Die meisten, so auch Mayer, absolvierten zwischen fünf und sechs Rennen. Die FIA hat zwar schon länger Initiativen zur Ausbildung von Stewards und Rennleitern angestoßen. Aber das passiert nicht über Nacht.
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