Seit über zweieinhalb Jahren hat sich in der Formel 1 eine politische Krise zwischen den Fahrern und den Regelhütern vom Automobil-Weltverband FIA zugespitzt. Nach immer wieder aufbrandendem Hickhack ist infolge von zwei Strafen für Schimpfwörter in Pressekonferenzen eine Grenze erreicht: Die Fahrer-Gewerkschaft geht mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit und stellt nicht nur das FIA-Verhalten, sondern auch Verbands-Präsident Mohammed Ben Sulayem an den Pranger.
Bereits in den letzten Wochen hatten sich die Fahrer zusammengesetzt. Schließlich wurde im Namen der Fahrer-Gewerkschaft (Grand Prix Drivers Association, kurz GPDA) erstmals ein offizieller Social-Media-Account erstellt. In der GPDA sind alle Fahrer Mitglieder. Mercedes-Fahrer George Russell sowie der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel und Ex-F1-Pilot und TV-Experte Alex Wurz sind aktuell ihre eingetragenen Direktoren.
In Mexiko gab es am Sonntag zum zweiten Mal in dieser Saison Ärger wegen einem Schimpfwort in einer Pressekonferenz. Diesmal hatte es Charles Leclerc erwischt, ihm kostete die Aktion 5.000 Euro (mit weiteren 5.000 auf Bewährung). In Singapur hatte davor Max Verstappen einen Tag Strafdienst für ein ähnliches Vergehen bekommen. Das Fass hatte aber schon lange davor begonnen überzulaufen.
Streit mit GPDA: Formel-1-Fahrer ermahnen FIA-Präsidenten
Bis 2022 muss man zurückgehen. Damals begann die FIA-Rennleitung, davor lasch gehandhabte Regeln bezüglich Unterwäsche und der Entfernung von Schmuck kompromisslos durchzusetzen. Sebastian Vettel marschierte daraufhin 2022 in Miami als Protest mit Unterhose über seinem Rennoverall durch das Fahrerlager. Dass Lewis Hamilton 2022 in Singapur mit Piercings fuhr, trug ihm gar eine Untersuchung ein. Einer Strafe entging er per ärztlichem Attest.
2024 wurde der Fahrer-Unmut immer größer. Es geht nicht nur darum, dass zwei Fahrer für das Wort "Fuck" bestraft wurden. Dass zugleich FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem augenscheinlich ohne Einsicht die Fahrer medial kritisierte, war der Stimmung überhaupt nicht zuträglich. Die Beziehung der beiden Seiten gilt als schwierig: Ben Sulayem wird nachgesagt, er suche die Nähe zu den Fahrern nur vor den TV-Kameras und würde sonst kaum mit ihnen interagieren.
"Wir ermahnen den FIA-Präsidenten, seinen eigenen Ton und seine Aussagen zu überdenken, wenn er mit unseren Fahrer-Mitglieder spricht, oder auch über sie, egal ob in einem öffentlichen Forum oder sonst wo", kritisiert die GPDA in der Stellungnahme. "Weiters sind unsere Mitglieder Erwachsene. Ihnen muss man bezüglich so trivialer Dinge wie das Tragen von Schmuck oder Unterwäsche keine Anweisung via den Medien geben."
Die GPDA-Meinung zur Fluch-Kontroverse ist deutlich: "Es gibt da einen Unterschied zwischen einem als Beleidigung genutzten Schimpfwort und einem gleichgültigen Schimpfen, mit dem man etwa über das Wetter schimpft, oder vielleicht über ein Objekt wie ein Formel-1-Auto oder eine Fahrsituation."
GPDA-Frust: Wohin lässt FIA unsere Geldstrafen verschwinden?
Es geht den Fahrern aber nicht nur um diese, in ihren Augen, Nichtigkeiten. Seit Monaten liegt man der FIA in den Ohren und will herausfinden, wofür die doch in der Formel 1 zahlreichen Geldstrafen verwendet werden. Dabei geht es nicht nur um kleine Bagatell-Beträge. So zahlten etwa Lewis Hamilton, Lando Norris (je 25.000 Euro) und Carlos Sainz (12.500 Euro) jüngst ordentlich drauf, weil sie zu Fuß ohne Genehmigung die Strecke gequert hatten.
Für die GPDA verschwindet dieses Geld unnachvollziehbar im FIA-System: "Wir haben auch unsere Sorgen bezüglich des negativen Images von solchen Strafen für den Sport übermittelt. Wir fordern erneut, dass der FIA-Präsident finanzielle Transparenz schafft und einen direkten, offenen Dialog mit uns eingeht. Alle Interessensgruppen (FIA, F1, Teams und GPDA) sollten gemeinsam festlegen, wo und wie dieses Geld zum Wohl des Sports ausgegeben wird."
An den letzten drei Rennwochenenden ging es schließlich auch noch auf der Strecke zur Sache. In Austin wurden Lücken in den 2022 eingeführten "Driving Standards Guidelines" offenbart. Mit Unterstützung dieser Richtlinien hatte die FIA eigentlich gehofft, dass sportliche Strafen konstanter werden würden. Aber mit nach wie vor vorhandenem Interpretationsspielraum kann es weiterhin von Rennen zu Rennen Unterschiede geben.
So hatte sich GPDA-Direktor George Russell in den letzten Wochen wiederholt mit der Forderung nach professionellen Stewards klar positioniert. Aktuell setzen sich die Schiedsrichter der F1 aus zwei FIA-Offiziellen, einem Offiziellen des örtlichen Automobilclubs und einem Ex-Fahrer zusammen. Die Besetzungen rotieren im Laufe des Jahres permanent durch. Für niemanden ist die Arbeit ein Vollzeit-Job.
Die Stellungnahme der GPDA im Wortlaut
Wie in jedem Sport müssen Wettbewerber die Entscheidung des Schiedsrichters hinnehmen, ob sie diese mögen oder nicht, ja, ob sie ihr zustimmen oder nicht. So funktioniert Sport. Die Fahrer (unsere Mitglieder) sind da nicht anders, und verstehen das vollauf.
Unsere Mitglieder sind Profi-Rennfahrer und fahren in der Formel 1, der Königsklasse des internationalen Motorsports. Sie sind Gladiatoren, und an jedem Rennwochenende geben sie den Fans eine tolle Show.
Bezüglich Schimpfwörtern gibt es einen Unterschied zwischen einem als Beleidigung genutzten Schimpfwort und einem gleichgültigen Schimpfen, mit dem man etwa über das Wetter schimpft, oder vielleicht über ein Objekt wie ein Formel-1-Auto oder eine Fahrsituation.
Wir ermahnen den FIA-Präsidenten, seinen eigenen Ton und seine Aussagen zu überdenken, wenn er mit unseren Fahrer-Mitglieder spricht, oder auch über sie, egal ob in einem öffentlichen Forum oder sonst wo. Weiters sind unsere Mitglieder Erwachsene. Ihnen muss man bezüglich so trivialer Dinge wie das Tragen von Schmuck oder Unterwäsche keine Anweisung via den Medien geben.
Die GPDA hat, bei zahlreichen Gelegenheiten, festgehalten, dass Geldstrafen für Fahrer für unseren Sport nicht angemessen sind. In den letzten drei Jahren haben wir den FIA-Präsidenten aufgefordert, Details und Strategien zu übermitteln, wie die finanziellen Strafen der FIA verteilt werden und wo die Mittel verwendet werden. Wir haben auch unsere Sorgen bezüglich des negativen Images von solchen Strafen für den Sport übermittelt. Wir fordern erneut, dass der FIA-Präsident finanzielle Transparenz schafft und einen direkten, offenen Dialog mit uns eingeht. Alle Interessensgruppen (FIA, F1, Teams und GPDA) sollten gemeinsam festlegen, wo und wie dieses Geld zum Wohl des Sports ausgegeben wird.

Die GPDA möchte mit allen Interessensgruppen, auch mit dem FIA-Präsidenten, konstruktiv zusammenarbeiten, um unseren großartigen Sport zum Vorteil von jedem zu fördern, der in ihm arbeitet, für ihn bezahlt wird, und ihn natürlich auch liebt. Wir haben alle einen Anteil daran.
Mit besten Wünschen,
die Direktoren und der Vorsitzende der GPDA stellvertretend für die Grand-Prix-Fahrer
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