Trackhouse Racing um MotoGP-Legende Davide Brivio fällte schon früh in seiner ersten Saison eine wichtige Entscheidung: Für das zweite Jahr in der Königklasse sollte ein Rookie verpflichtet werden. Team und Fahrer werden als langfristiges Projekt angelegt. Deswegen durfte auch der jüngere Raul Fernandez bleiben und Miguel Oliveira musste weichen. Doch wen aus dem großen Pool an Kandidaten in der Moto2 sollte das US-Team wählen? Nun wissen wir: Brivio hatte wieder mal ein gutes Händchen und traf früh eine vielversprechende Entscheidung.

Garcia, Lopez, Dixon und US-Boy Roberts: Lange Kandidatenliste in der Moto2

Maverick Vinales, Alex Rins und Joan Mir: Sie alle durften ihre Karriere bei Davide Brivio beginnen. Der Italiener hat also alles andere als eine schlechte Vita, wenn es um die Wahl eines Rookies für seine Mannschaft geht. Diesmal schien die Entscheidung angesichts zahlreicher Kandidaten zur Mitte der Saison aber nicht einfach. Sergio Garcia führte die Meisterschaft in der Moto2 erst in seinem zweiten Jahr in der mittleren Klasse an. Mit Alonso Lopez, Aron Canet und Manuel Gonzalez tummelten sich weitere schnelle Landsmänner Garcias auf den Spitzenplätzen. Auch Moto2-Veteran Jake Dixon erlebte zur Saisonmitte ein Hoch mit vier Podien in Folge, darunter zwei Siegen.

Sergio Garcia führte die WM lange an, Foto: LAT Images
Sergio Garcia führte die WM lange an, Foto: LAT Images

Der offensichtliche Kandidat jedoch war ein anderer, denn ein US-Team unter der baldigen Übernahme der Königklasse durch Liberty Media würde doch sicherlich auch gern einen amerikanischen Fahrer haben? Und genau den gab es. Joe Roberts überzeugte nicht nur mit seinem Pass. Der Kalifornier fuhr die beste Saison seiner Karriere und schien um den Titel mitzukämpfen. Gerade zu Saisonbeginn konnte er als einziger Kalex-Pilot den starken Boscoscuros wirklich Paroli bieten. Vieles sprach also für ihn und auch er selbst zeigte sich äußerst optimistisch auf einen Platz in der MotoGP.

Ai Ogura überzeugt mit Nervenstärke und Konstanz

Doch es kam anders. Denn Brivio hatte noch ein Ass im Ärmel: Ai Ogura. Nachdem der Japaner bereits 2022 um die WM-Kämpfte, aber 2023 durch eine Verletzung zurückgeworfen wurde, kehrte er nach einem Wechsel auf eine Boscoscuro von MT Helmtes MSi wieder an die Spitze zurück. Zum Zeitpunkt seiner Verpflichtung fuhr Ogura definitiv eine gute Saison, aber klar besser als Garcia oder Roberts war er nicht unterwegs gewesen. Dies holte der Japaner aber nach.

Joe Roberts auf dem Moto2-Podium in Mugello
Joe Roberts galt als heißer Trackhouse-Kandidat, Foto: LAT Images

Denn während Roberts durch Verletzungen aus dem Tritt kam und Garcia nach dem Zerfallen seiner MotoGP-Chancen in ein tiefes Loch fiel, drehte Ogura erst so richtig auf. Selbst eine Handverletzung in Spielberg, an einem Wochenende, das er bis dahin dominiert hatte und dann auslassen musste, hielt ihn nicht auf. Als einziger Spitzenfahrer behielt er die Konstanz und zeigte keine Nerven. Auch an schwierigen Wochenenden nahm er viele Punkte mit. "Wir mögen seine Einstellung, niemals aufzugeben", lobt Brivio. Das Feststehen des MotoGP-Aufstieges hat ihn beflügelt. Dass dies auch anders verlaufen kann, zeigte die fehlerhafte Saison Fermin Aldeguers auf.

Abgang von Honda erweist sich als große Chance für Ogura

Obwohl Ogura die WM zur Halbzeit nicht einmal anführte (18 Punkte Rückstand auf Garcia nach 10 Grand Prix), sicherte er sich schon drei Rennen vor Schluss den Titel. Er ist damit der erste Weltmeister aus Japan seit Hiroshi Aoyama 2009 die letzte Saison der 250er gewann. Jener Aoyama war es auch, der Ogura als Teamchef beim Honda Team Asia jahrelang gefördert hatte. Sein Wechsel zur Saison 2024 war dementsprechend auch ein mutiger Schritt weg von seinen Unterstützern bei Honda. Dieser zahlte sich aber sofort aus.

Ogura wird bei seinem MotoGP-Debüt auf einer Aprilia RS-GP der neuesten Spezifikation sitzen. Auch wenn Honda enorme Anstrengungen unternimmt, so dürfte er damit das deutlich vielversprechendere Material haben. Und Trackhouse Racing darf sich auf ein nervenstarkes Talent freuen, das noch dazu den wichtigen asiatischen Markt bedient.