Cadillac sorgte in dieser Woche mit dem bevorstehenden Einstieg in die Formel 1 ab 2026 für internationale Schlagzeilen. Bis es wirklich soweit ist, will der US-Autobauer in der WEC für Furore sorgen. In der Langstrecken-WM spannt Cadillac dazu in der kommenden Saison erstmals mit dem Team JOTA zusammen. Der britische Rennstall folgt auf das Einsatzteam Chip Ganassi Racing, das den Cadillac V-Series.R in den Saisons 2023 und 2024 an den Start führte.
Für JOTA bedeutet der Wechsel auf die Werks-Cadillac einen Aufstieg innerhalb der Hypercar-Kategorie, nachdem die Mannschaft zuletzt mit zwei Porsche-Kundenautos antrat. Trotz des Markenwechsels hat Dieter Gass weiterhin die Leitung am Kommandostand inne. Der frühere Audi-Motorsportchef bleibt der JOTA-Mannschaft als Teamchef erhalten, wie er im Interview mit Motorsport-Magazin.com bestätigt.

Teamchef Dieter Gass: "JOTA ist es gewohnt, Rennen zu gewinnen"
"Die Autos werden wettbewerbsfähig sein", ist Gass vom Potenzial der 5,5-Liter-V8-Sauger überzeugt. "Natürlich lautet das Ziel, gute Ergebnisse einzufahren. Unser Team ist es aus der Vergangenheit gewohnt, Rennen zu gewinnen. Das ist und bleibt die Zielsetzung. Dass wir 2024 als Porsche-Kundenteam so stark sein würden, damit war nicht unbedingt zu rechnen." JOTA-Porsche gewann in der abgelaufenen Saison das WEC-Rennen in Spa-Francorchamps - wenn auch mit einer Portion Glück - stand beim Saisonauftakt in Katar auf dem Podium und gewann souverän die Privatier-Wertung.
JOTAs Wechsel von Porsche zu Cadillac galt in der Szene seit längerer Zeit als offenes Geheimnis, nachdem die Amerikaner bereits im März die Trennung von Chip Ganassi Racing öffentlich gemacht hatten. Probleme mit den Zuffenhausenern hätte es nicht gegeben, versichert Gass: "Mit Porsche, Thomas Laudenbach und Urs Kuratle ist es super gelaufen. Die haben früh erfahren, dass wir mit Cadillac sprechen. Sie haben von Beginn an gesagt: 'Wenn sich diese Gelegenheit ergibt, dann müsst ihr das machen.' In der Zusammenarbeit hat sich danach und bis zum heutigen Tag nichts geändert."
Auf welchem Cadillac startet Jenson Button?
Cadillac wird sein Fahrzeugaufgebot von bisher einem auf zwei LMDh-Rennwagen erhöhen - so hat es der WEC- und Le-Mans-Veranstalter ACO von allen Hypercar-Herstellern gefordert. Die Caddy-Fahrer Earl Bamber, Alex Lynn und Sebastien Bourdais bleiben ebenso an Bord wie die JOTA-nahen Piloten Jenson Button, Norman Nato und Will Stevens. In welcher Zusammenstellung sich das Sextett auf die beiden Autos verteilt, stehe laut Gass noch nicht fest. Nach einem internen Team-Building-Event soll die Zuteilung für 2025 entschieden werden.
Sicher ist, dass sich bei allen acht Saisonrennen jeweils drei Fahrer einen Prototypen teilen werden. Damit verabschiedet sich Cadillac vom bisherigen Zwei-Fahrer-Konzept bestehend aus Bamber und Lynn. Nur bei den drei langen Rennen in Katar (10h), Le Mans (24h) und Bahrain (8h) erhielt das Duo Unterstützung durch den viermaligen Champ-Car-Meister und Ex-Formel-1-Piloten Bourdais. Das Porsche-Werksteam hat hingegen den anderen Weg eingeschlagen und sein Aufgebot von drei auf zwei Fahrer verringert.
Gass erklärt die Herangehensweise: "Das Saisonhighlight sind die 24 Stunden von Le Mans. Darauf wollen wir uns bestmöglich vorbereiten. Deshalb ergibt es Sinn, auch alle weiteren Rennen mit drei Fahrern pro Auto zu bestreiten. Bei den 6-Stunden-Rennen kann es ein kleiner strategischer Vorteil sein, wenn man mit nur zwei Fahrern startet. Wir sind aber von Beginn an von je drei Fahrern auf den beiden Autos ausgegangen."

Gass: "Kein Grund, warum Button nicht auch im Hypercar schnell sein sollte"
Ob der frühere Formel-1-Weltmeister Button sein Engagement in der WEC fortsetzen würde, erschien eine Weile als nicht ganz sicher. Während der laufenden Saison wollte sich der 44-Jährige nicht klar zu seiner Zukunft äußern, wirkte unentschlossen. Nicht zuletzt die Aussicht auf ein Werksauto dürfte ihn überzeugt haben, zu einer zweiten Saison in der Langstrecken-WM anzutreten.
Und da ist noch ordentlich Luft nach oben: Button und seine Teamkollegen Phil Hanson (wechselt zu AF-Corse-Ferrari) sowie Oliver Rasmussen landeten in der Schlusstabelle mit nur 28 Punkten auf dem 19. Platz. Ein sechster Platz in Fuji war das Höchste der Gefühle - viel zu wenig für die Ansprüche eines F1-Champions, der selbst am Steuer nicht konstant überzeugen konnte. Zum Vergleich: Will Stevens und Callum Ilott aus dem Schwester-Porsche belegten den starken siebten Gesamtrang mit 70 Zählern.

JOTA-Teamchef Gass lässt an Buttons Fähigkeiten auf der Langstrecke aber keinen Zweifel aufkommen und erklärt: "Jenson ist Formel-1-Weltmeister. Es gibt keinen Grund, warum er in einem Hypercar nicht auch schnell sein sollte. Er mag zu Beginn der Saison ein wenig in der Kritik gestanden haben. Aber spätestens ab Le Mans war seine Performance gut. In der Nacht war er bei regnerischen Bedingungen zeitweise der schnellste Fahrer im Feld. Da hat er seine erste Duftmarke gesetzt. Und danach in Sao Paulo war er meines Erachtens der schnellste aller Porsche-Fahrer. Jenson hat es auf jeden Fall drauf. Abgesehen davon ist er menschlich ein super Typ. Es gab mehrere gute Gründe, das Projekt mit ihm fortzuführen."
Übrigens: Gass kann sich 2025 voll auf seine Teamchef-Rolle in der WEC fokussieren. Sein Engagement als Berater Technik & Sport in der Formel E wird er nach zwei Saisons nicht fortsetzen: "Mein Vertrag mit der Formel E ist zum 20. August dieses Jahres ausgelaufen. Beide Seiten hätten die Zusammenarbeit eigentlich gerne fortgesetzt, es kam aber letztendlich nicht zu einer Einigung. Aus heutiger Sicht ist das auch gut so, weil durch den Cadillac-Werkseinsatz mit JOTA aktuell doch mehr auf mich zukommt, als dies bislang der Fall war."
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