Anfang 2023 eröffnete die FIA den Bewerbungsprozess für neue Formel-1-Teams. Knapp zwei Jahre später ist es nun so gut wie fix: Andretti darf in der Königsklasse des Motorsports an den Start gehen - wenn auch unter anderem Namen. Nachdem Liberty Media, der Kommerzielle Rechteinhaber der Formel 1, die Bewerbung zu Beginn des Jahres 2024 zurückgewiesen hatte, gibt es nun doch zumindest grundsätzlich grünes Licht. Das bestätigte die Formel 1 offiziell in einer Pressemitteilung. Darin heißt es, dass man zumindest eine Grundsatzvereinbarung getroffen habe. Zuvor hatte man den Einstieg kategorisch ausgeschlossen.
Das amerikanische Team wird, wenn die weiteren Gespräche das erwartete Ende nehmen, 2026 zur Regel-Revolution als elftes Team in der Formel 1 an den Start gehen. Aber nicht unter dem eigentlichen Bewerbernamen Andretti: Stattdessen wird der Rennstall als Cadillac starten. Dahinter verbirgt sich aber das gleiche Projekt, das Michael Andretti zusammen mit Investoren ins Leben rief.
Dass der Andretti-Name verschwindet, hat politische Gründe. Die Formel 1 muss einen spektakulären U-Turn rechtfertigen. Nachdem die FIA Andretti die sportliche und technische Formel-1-Fähigkeit bescheinigt hatte, wies der kommerzielle Rechteinhaber die Bewerbung ab. Als Grund führt man an, Andretti würde der Königsklasse keinen entsprechenden Mehrwert bieten. Die Formel 1 würde Andretti nützen, nicht aber umgekehrt.

Mit dem Bewerber Cadillac, der amerikanischen Premiummarke des General Motors Konzerns, kann die Formel 1 ihre Meinungsänderung begründen. Dabei war GM fast von Anfang an Teil der Andretti-Bewerbung. Schon in einem frühen Stadium spannte sich Andretti mit dem Autohersteller zusammen, um bessere Chancen für den Startplatz zu haben. Noch in der Bewerbungsphase bemühte sich die FIA darum, GM mit an den Tisch zu bringen.
General Motors sollte dabei von Anfang an mehr sein, als nur ein Sponsor. Pläne für einen eigenen Formel-1-Motor sind bereits weit fortgeschritten. 2028 könnte Cadillac dann mit einem eigenen Triebwerk an den Start gehen. Man hat sich bereits als Motorenhersteller bei der FIA eingeschrieben. "Dies ist eine globale Bühne, auf der wir das technische Know-how und die Technologieführerschaft von GM auf einem völlig neuen Niveau demonstrieren können", freut sich deshalb GM-Präsident Mark Reuss.
Honda oder Ferrari? Mit welchen Motor fährt Cadillac?
Fraglich ist, mit welchem Motor die Amerikaner bis dahin fahren. Hier könnte noch ein Stolperstein für die weiteren Gespräche liegen. Ursprünglich wollte man eine technische Kooperation mit Alpine nach dem Vorbild von Haas und Ferrari. Weil Renault das Motorenengagement in der Formel 1 nach 2025 beendet, ist das keine Option mehr.
Derzeit lotet das Team die Möglichkeiten für 2026 aus. Mercedes hat mit Alpine, McLaren und Williams bereits drei Kunden. Red Bull Powertrains und Audi sind Neueinsteiger und müssen laut Reglement niemanden beliefern. Blieben Ferrari und Honda.
Ferrari-Teamchef Fred Vasseur wollte sich am Rande des Las Vegas GP nicht zur Thematik äußern. Die Italiener verlieren mit Sauber 2026 einen Kunden. Honda beliefert mit Aston Martin nur ein Team. Sollte keine Einigung erzielt werden können, wird es spannend. Manch einer meint, die im Reglement verankerte Belieferungsverpflichtung würde nur bei zehn Teams gelten. Außerdem hätten Ferrari und Honda gute Gründe, mit Cadillac einen konkurrierenden Automobilhersteller abzulehnen.
Weil General Motors schon länger Teil des Andretti-Plans ist, ist klar, woher die Meinungsänderung auf Formel-1-Seite kommt. Mit Greg Maffei muss am Ende des Jahres ein großer Andretti-Gegner seinen Posten als CEO von Liberty Media räumen.
Auf der anderen Seite ist Michael Andretti nicht mehr so aktiv in das Projekt involviert. Stattdessen haben die bisherigen Financiers Dan Towriss und Mark Walter das Zepter übernommen. Das Tischtuch zwischen Michael Andretti und der Formel 1 und vor allem Maffei war zerschnitten. Deshalb kommt der Name Andretti in der Presseaussendung der Formel 1 noch nicht einmal vor.
So kann der scheidende CEO Maffei nun auch sagen: "Angesichts der anhaltenden Wachstumspläne der Formel 1 in den USA haben wir immer geglaubt, dass die Aufnahme einer beeindruckenden US-Marke wie GM/Cadillac in die Startaufstellung und GM als zukünftigen Motorenhersteller zusätzlichen Wert und Interesse für den Sport bringen könnte."
Andretti nur Bauernopfer?
Ob es aber nur personelle Gründe hat, dass die Formel 1 den U-Turn macht, darf zumindest bezweifelt werden. In den USA leitete das Justizministerium eine Untersuchung gegen die Formel 1 ein. Der Verdacht: Es würde sich um ein Kartell handeln, Neueinsteiger würden nicht aufgenommen. Dabei handelt es sich ja eigentlich um eine Weltmeisterschaft. Auch die EU beschäftigt sich inzwischen mit der Materie.
Wie viel kostet Andretti der Einstieg?
Ein weiterer Stolperstein bei den weiteren Verhandlungen könnte sein, wie viel Geld Andretti für die Zulassung bezahlen muss. Im aktuellen Concorde Agreement ist festgelegt, dass Neueinsteiger eine Anti-Verwässerungsgebühr in Höhe von 200 Millionen US-Dollar bezahlen müssen. Für das nächste Concorde Agreement, das 2026 in Kraft tritt, ist von 600 Millionen US-Dollar die Rede.
Durch die hohe Gebühr soll sichergestellt werden, dass die bisherigen Teams zumindest kurzfristig entschädigt werden, wenn der Preisgeldtopf durch elf statt zehn Mannschaften geteilt werden muss, ohne dass die Gesamtsumme sofort wächst. Es gibt aber auch Meinungen, wonach die Gebühr nicht rechtmäßig ist. Hier könnte es zum nächsten großen Streitpunkt kommen.
Andretti ging volles Risiko: Keine Zeit verloren
Nicht wenige glauben, dass die Formel 1 die Zulassung so lange hinauszögern wollte, damit Andretti Zeit und Geld ausgehen. Im Hintergrund arbeitete man aber weiter fieberhaft am Aufbau des Teams. Top-Personal wurde eingestellt, darunter auch Pat Symonds als Berater und Nick Chester als Technischer Direktor. Graeme Lowdon, das Mastermind hinter dem ehemaligen Formel-1-Team Marussia, ist ebenfalls involviert.
Eine Zentrale in Silverstone wurde bereits bezogen, Entwicklungen am 2026er Auto liefen nicht nur dort auf Hochtouren, sondern auch in Köln. Dort mietet sich Andretti den Windkanal von Toyota. Solange die Amerikaner nicht offiziell eingeschrieben sind, müssen sie sich weder an Budget- noch an Aero-Testrestriktionen halten. Derzeit läuft der Windkanal in Köln im Zweischicht-Betrieb für Andretti.
Formel-1-Boss Stefano Domenicali hatte sich öffentlich mit Äußerungen zur Andretti-Bewerbung zuletzt zurückgehalten. Der Italiener war aber ebenfalls kein großer Fan. Nun sieht er es naturgemäß anders: "Das Engagement von General Motors und Cadillac für dieses Projekt ist ein wichtiger und positiver Beweis für die die Entwicklung unseres Sports. Wir freuen uns darauf, die Fortschritte und das Wachstum dieses Projekts zu sehen, da wir uns der Zusammenarbeit und der Unterstützung aller beteiligten Parteien sicher sind."
FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem äußerte sich bei der Bekanntgabe ebenfalls zu Wort. Er blieb dabei aber vorsichtig und sagte: "Ich unterstütze voll und ganz die Bemühungen der FIA, der Formel 1, von GM und dem Team, den Dialog aufrechtzuerhalten und auf das Ergebnis einer grundsätzlichen Einigung hinzuarbeiten, um die Bewerbung für ein Team der Marke GM/Cadillac für die FIA-Formel-1-Weltmeisterschaft 2026 voranzubringen." Ben Sulayem gilt als Unterstützer der Einstiegspläne von Andretti, er leitete Anfang 2023 den Bewerbungsprozess für ein elftes F1-Team ein und betonte mehrmals, dass er ein zusätzliches F1-Team begrüßen würde.
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