David Coulthard weiß, wie es ist, wenn bei McLaren Teamorder ausgesprochen wird. Der ehemalige Formel-1-Fahrer musste in seiner Karriere in Woking mehrmals für Mika Häkkinen Platz machen. Er kann sich also gut in das Drama beim Ungarn-GP hineinversetzen. Der 53-Jährige fühlt mit Lando Norris und Oscar Piastri.

Coulthard: Als müsste man das Geburtstagsgeschenk wieder zurückgeben

Für den Schotten ist die Verantwortlichkeit der ganzen Situation im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com klar: "Sie sagten am Funk, sie wollten Hamilton abwehren. Aber sie hatten 8 bis 9 Sekunden Vorsprung vor Hamilton. Sie waren übervorsichtig. Sie hätten Oscar an die Box holen können und in der nächsten Runde dann Lando. Dann hätte es keinerlei Problem für sie gegeben. Natürlich kann immer etwas passieren, Safety-Car etc., aber jetzt wissen wir: Sie hätten es einfach in der Reihenfolge der Positionen machen können."

Umstrittene F1-Teamorder! Falscher McLaren-Fahrer Sieger? (09:55 Min.)

Stattdessen kam es vom Kommandostand selbst verschuldet zu einer unangenehmen Situation: "Zuerst Lando den Undercut zu geben und dann Oscar hinter ihm zu haben. Dann aber wieder Lando zu sagen, er muss Platz machen...das fühlt sich nicht nach dem an, was Senna oder Schumacher gewollt hätten. Es fühlt sich einfach nicht echt an." Er zieht einen Vergleich aus der Kindheit: "Es ist, als würde man sagen: Alles gute zum Geburtstag, aber jetzt musst du das Geschenk zurückgeben." Doch auch für Piastri war es hart: "Es entwertet, was sonst ein brillanter und verdienter Sieg von Oscar gewesen wäre. Er gewann den Start und machte alles, was nötig war."

Ungarn ein Erfolg für McLaren als Team, aber nicht für die Fahrer?

Wichtig ist dabei, dass 'DC' über die Fahrersicht spricht: "Es war eine fantastische Leistung von McLaren und Andrea [Stellas] Aufgabe ist es, für die Anteilseigner zu liefern. Und das hat er getan. Es ist nicht seine Aufgabe zu sagen: Du oder du bist mein Liebling. Aber der Kern eines Rennfahrers ist selbstsüchtig. Es ist wirklich schwer, einen Sieg aufgeben zu müssen."

McLaren hat einen Doppelsieg eingefahren und kommt Red Bull in der Konstrukteurswertung immer näher. In dieser Hinsicht war Woking also durchwegs erfolgreich. In Sachen Psyche der Fahrer könnte aber Schaden angerichtet worden sein: "Es ist sehr schwierig, wenn du mit den Gefühlen der Fahrer spielst, wenn es um Siege geht. Wenn es um ein Podium oder so geht, dann geht es noch um den Fortschritt des Teams." Und er erinnert, dass Norris dies nicht zum ersten Mal durchmachte: "Aber wenn du in so einer Position bist...Lando hat das bereits machen müssen. Damals mit Daniel [Ricciardo] in Monza [2021]. Wir wissen, er ist ein Teamplayer."

In Monza 2021 durfte Norris Teamkollege Ricciardo nicht attackieren, Foto: LAT Images
In Monza 2021 durfte Norris Teamkollege Ricciardo nicht attackieren, Foto: LAT Images

Coulthard musste Platz für Häkkinen machen: Würde es nicht mehr tun!

In Monza hieß es damals: Position halten und nicht angreifen. Drei Jahre später in Ungarn war es noch schlimmer. Der Brite musste den Sieg wieder hergeben. Coulthard kennt diese Situation nur zu gut: "Wir haben diesen Fehler in Melbourne 1998 gemacht. Wir haben die öffentliche Meinung unterschätzt. Mika kam an die Box. Ich bekam die Order, langsam zu machen und ihn wieder vorbeizulassen." Damals wurde der Finne durch ein falsches Signal irrtümlich an die Box gerufen. Das Team stellte die ursprüngliche Reihenfolge wieder her, und die Diskussionen entbrannten wie heute.

Für Australien 1998 gab es aber noch so etwas wie 'mildernde Umstände'. In einem anderen Fall hingegen bereut es der 13-fache GP-Sieger bis heute gewaltig: "Ich würde es nicht mehr tun. 1998 tat ich es, weil wir das vor dem Rennen abgesprochen hatten. 1997 hatten wir aber nie darüber gesprochen, denn Schumacher kämpfte mit Villeneuve um die Weltmeisterschaft. Sie berührten sich und Michael schied aus. Dann wollte Villeneuve langsamer machen und mich vorbeilassen, ich war Zweiter."

Coulthard musste Häkkinen 1998 in Australien den Sieg überlassen, Foto: Sutton
Coulthard musste Häkkinen 1998 in Australien den Sieg überlassen, Foto: Sutton

Coulthard erkennt Häkkinens Klasse an, aber: Hätte mehr Siege haben sollen

Es geht um das berüchtigte Rennen in Jerez 1997. Coulthard hätte den vierten F1-Sieg der Karriere einfahren können, doch aus der Box kam ein anderer Befehl: "Mir wurde gesagt, ich sollte für Mika Platz machen. Am Ende war das in Jerez 1997 einfach peinlich, denn Ron [Dennis] hatte zuvor niemandem etwas gesagt." Häkkinen gewann sein erstes Rennen. Es war der Startschuss zu zwei WM-Titeln, und dem Nummer-2-Dasein von Coulthard.

David Coulthard führt beim Großen Preis von Europa 1997 vor McLaren-Teamkollege Mika Häkkinen
Jerez 1997 würde Coulthard heute nicht wieder mitmachen, Foto: LAT Images

Der Schotte selbst legte sich damals nicht mit dem strengen - aber erfolgreichen - McLaren-General Dennis an. Sehr wohl aber jemand aus seinem Umfeld: "Ich kann mich erinnern, wie meine damalige Freundin zu Ron ging und ihm sagte, er sei ein verdammtes Arschloch. Er hob den Finger. Keiner durfte bei Ron fluchen." Und so bleibt bei Coulthard bis heute ein unangenehmes Gefühl, auch wenn er die Stärke seines damaligen Teamkollegen voll anerkennt: "Mika Häkkinen war ein verdienter Champion und ein besserer Fahrer als ich. Aber ich denke, ich hätte mehr Siege haben sollen. Das kommt von meinem Ego. Aber am Ende ist McLaren zurück und es ist fantastisch, das zu sehen."