"Morgen wird es eine andere Geschichte werden", hatte Francesco Bagnaia am Samstagabend angekündigt, nachdem er sich im Sprint erstmals seit Mitte Mai in Le Mans wieder WM-Rivale Jorge Martin hatte geschlagen geben müssen. Und tatsächlich: Der Ducati-Star sollte damit Recht behalten. Zwar sah Jorge Martin auch im Hauptrennen auf dem Sachsenring zunächst lange Zeit wie der sichere Sieger aus, jubeln durfte am Ende aber Bagnaia, während sein Kontrahent im Kiesbett von Kurve eins landete. Doch hätte der Italiener auch ohne den Crash von Martin noch gewinnen können?

"Das war heute wirklich ein hartes Rennen. Jorge hat einen klasse Job gemacht. Es war wirklich nicht einfach, die Lücke zu ihm wieder zu schließen", hielt Bagnaia am Sonntagnachmittag zunächst fest und rätselte: "Vielleicht habe ich hinter Frankie [Morbidelli, Anm.] etwas zu viel Zeit verloren." Zuvor hatte Bagnaia auf die gleiche Taktik wie im Sprint gesetzt und in der Startphase seinen Hinterreifen geschont, während das Pramac-Duo attackierte. Es dauerte bis zur 15. von 30. Rennrunden, ehe er Platz zwei von Morbidelli zurückerobert hatte. Zu Martin fehlten zu diesem Zeitpunkt aber schon 1,2 Sekunden.

Francesco Bagnaia sicher: Zweikampf um den MotoGP-Sieg realistisch

Doch Bagnaia setzte nun zur Attacke an und spielte dabei seinen Reifenvorteil aus. Binnen drei Runden konnte er den Rückstand auf knapp 0,8 Sekunden verringern, ehe sich dieser wieder für einige Zeit stabilisierte. "Ich habe mich die ersten sechs bis sieben Runden zurückgehalten", blickt Bagnaia zurück. "In den letzten 15 Runden habe ich dann gepusht, um die Lücke wieder zu schließen. Ich habe konstant ein paar Zehntel gutgemacht. Als er gestürzt ist, war ich schon wieder sehr nah dran. Das ist schade, denn das hätte noch eines unserer besten Duelle werden können."

Schon im Vorjahr hatten sich die Beiden am Sachsenring bis zur letzten Kurve bekämpft. Ein Szenario, dass Bagnaia auch diesmal wieder für realistisch hielt. Wer dabei die Oberhand behalten hätte, wollte der amtierende Weltmeister jedoch nicht final festhalten. Zumindest vom Zweikampf war er jedoch überzeugt und lag damit wohl auch im Recht. Das zeigt nämlich ein Blick auf die Entwicklung des Abstandes zwischen Martin und Bagnaia in den letzten Runden. Im 26. Umlauf waren die Beiden noch durch 0,718 Sekunden getrennt, dann durch 0,587 Sekunden und zum Ende des 28. Umlaufes schließlich nur noch durch 0,529 Sekunden. Nicht unrealistisch also, dass er bis zum Ende des Rennens noch auf ca. 0,2 bis 0,3 Sekunden Rückstand hätte verkürzen und einen finalen Angriff in Kurve 12 oder 13 hätte fahren können.

Francesco Bagnaia durfte am Sachsenring seinen 4. GP-Sieg in Serie bejubeln, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia durfte am Sachsenring seinen 4. GP-Sieg in Serie bejubeln, Foto: LAT Images

Francesco Bagnaia lernt aus 2022: Gleichen Fehler nicht wiederholt!

"Ich habe gesehen, dass er in Kurve eins weitgegangen ist und in Kurve 12 sogar zweimal. Mit Blick auf die Pace war er also am Limit", meint Bagnaia und ergänzt: "Als ich seine Fehler gesehen habe, wusste ich, dass ich noch eine Chance hatte." Ob es letztlich noch gereicht hätte, wird sich natürlich nie gänzlich aufklären lassen. Sicher ist aber, dass der amtierende Weltmeister am Sonntag zweifelsohne die reifere Figur abgab. "Vor zwei Jahren habe ich hier den gleichen Fehler gemacht", erinnert sich Bagnaia an seinen Sturz im Deutschland GP 2022. "Es war leicht, heute den gleichen Fehler nochmal zu machen. Damals habe ich die Situation nicht verstanden, heute aber schon."