Haas geht mit Toyota eine 'Technische Partnerschaft' ein - oder eher umgekehrt: Der größte Automobilhersteller der Welt kooperiert mit dem kleinsten Formel-1-Team. Toyota will zurück in die Formel 1, die man Ende 2009 verlassen hat, aber dann doch nicht so richtig. Am Freitagvormittag verkündeten die beiden Parteien im japanischen Fuji ihre Partnerschaft - sogar Toyota-Boss Akio Toyoda persönlich war mit von der Partie. Aber was steckt wirklich hinter der Kooperation des Auto-Riesen und des Formel-1-Zwergs?

"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" - so in etwa klangen die Aussagen der Verantwortlichen bei Detailfragen. Man gab sich redlich Mühe, nicht den Anschein zu erwecken, dass die Partnerschaft ein Vorbote für ein vollständiges Comeback als Werksteam ist. Und dafür gibt es gute Gründe.

Toyota zurück in der Formel 1! ERKLÄRT: Was bedeutet das? (13:57 Min.)

Denn Haas ist bis einschließlich 2028 Ferrari-Kunde. "Die Partnerschaft zwischen Ferrari und Haas ist der Grundstein", stellte Haas-Teamchef Ayao Komatsu klar. "Diese Partnerschaft nimmt nichts davon weg, unser Fundament ist die Partnerschaft mit Ferrari."

Tatsächlich war die Ferrari-Beziehung ein großes Problem dabei, den Deal mit Toyota einzutüten. Erwartungsgemäß ist Ferrari nicht begeistert davon, dass ein anderer Automobilhersteller plötzlich mit im Boot sitzt. Ferrari und Toyota konkurrieren vielleicht nicht bei den Straßenautos, aber in der WEC sind die beiden erbitterte Gegner.

Ferrari und Toyota: Spionage-Skandal Reloaded?

Die Angst, dass es zu Wissenstransfer kommt, schwingt immer mit - zumal es da zwischen Ferrari und Toyota auch schon eine Vorgeschichte gibt, als Toyota in den 2000er Jahren in der Formel 1 fuhr. Komatsu bedankte sich in der Presseaussendung auch bei Ferrari-Teamchef Fred Vasseur.

Es war wohl kein einfaches Unterfangen, Toyota und Ferrari unter einen Hut zu bekommen. Manch einer vermutet, dass hier auch Formel-1-Boss Stefano Domenicali seine Finger im Spiel hatte - bei dem sich Komatsu ebenfalls bedankte. Womöglich, weil er auch bei Ferrari ein gutes Wort einlegte. Der Formel-1-Boss hofiert den größten Automobilhersteller der Welt nur zu gerne.

Komatsu erklärt seinen Domenicali-Dank anders: "Ich habe eine gute Beziehung zu Stefano und ich frage ihn bei vielen Themen um Rat. Bei so etwas Großem wollte ich mit ihm sprechen. Und er war sehr hilfsbereit."

Vorerst bleibt es zwischen Haas und Ferrari aber dabei, die US-Amerikaner kaufen alles, was das Reglement hergibt in Maranello: Motor, Getriebe, Radaufhängung. "So lange es die Regeln erlauben", stellt Komatsu klar.

Eigenes Getriebe? Haas plötzlich nicht mehr dagegen

Denn in der Formel 1 wird seit geraumer Zeit darüber diskutiert, die Daumenschrauben bei den Listed Teams Components wieder anzuziehen. Die LTC sind jene Teile, die nicht zugekauft werden dürfen, derzeit also Chassis, Aerodynamik und Crash-Strukturen. Viele Teams wollen, dass zukünftig auch das Getriebegehäuse dazugehört. Auch die Hinterachse müsste dann selbst entwickelt werden.

Haas wehrte sich bislang gegen eine solche Änderung. Der Widerstand wurde aber zuletzt immer geringer. Allein hätte man größte Schwierigkeiten gehabt, die Teile selbst zu bauen. Mit Toyota hat man nun einen Partner an seiner Seite, der einspringen kann - oder sogar soll.

Haas präsentiert die Partnerschaft mit Toyota vor Journalisten in Fuji.
Die Rückseite des Heckflügels gehört schon Toyota, Foto: Toyota Gazzo Racing

Denn eine Gegenleistung für Ressourcen und Know-how sind Werbeflächen auf dem Haas. Während Haas bei Ferrari und Dallara mit 'echtem Geld' bezahlen muss, werden derlei Leistungen bei Toyota mit Sponsorensticker gegengerechnet. Daraus machte Komatsu auch keinen Hehl.

Vorerst aber, so die klare Message, bleibt alles beim Alten. Haas bezieht nicht nur weiter alle Teile von Ferrari, sondern behält auch das Ingenieursbüro in Maranello und nutzt weiterhin Windkanal und Simulator.

Haas bekommt dank Toyota eigenen Simulator

Wobei das mit dem Simulator kompliziert ist: Hier greift Haas nur rudimentär auf die Ferrari-Infrastruktur zurück. Am Rennwochenende braucht die Scuderia den Simulator selbst. Zwischen den Rennen fehlt Haas das Personal dazu, den Simulator richtig zu nutzen. "Ich kann meine Leute aus England, die 24 Rennen machen nicht noch 10 Wochen nach Italien zum Simulator schicken", erklärt Komatsu.

Deshalb wird hier Haas besonders von der Toyota-Partnerschaft profitieren. Normalerweise dauert es Jahre, bis ein eigener Simulator in Betrieb genommen werden kann und die Korrelation stimmt. Hier hat Toyota bereits viel Erfahrung und greift Haas unter die Arme. Am Teamsitz in Banbury wird ein eigener Haas-Simulator mit Toyota-Know-how entstehen.

Der Simulator ist freilich mehr Tool für Ingenieure als für Fahrer. Dabei sind Fahrer Toyota ein großes Anliegen. Mit Ryo Hirakawa haben die Japaner schon überraschend einen Ersatzfahrer bei McLaren untergebracht. Toyota will aber mehr.

Wird Haas zum Toyota Junior Team?

Um eigene Piloten auszubilden, wird zusammen mit Haas ein TPC-Programm aufgesetzt. Alle großen Teams haben ein solches Programm schon. Hier kümmert sich eine eigene Testmannschaft um den Einsatz von mindestens zwei Jahre alten Autos. Mit diesen Autos darf laut Reglement unbeschränkt getestet werden.

Haas-Ersatzfahrer Oliver Bearman in der Box
Mit Oliver Bearman sitzt 2025 wieder ein Ferrari-Junior im Haas, Foto: LAT Images

Das TPC-Programm ist nicht nur finanziell eine große Herausforderung, sondern auch personell. Hier wollen Haas und Toyota gemeinsam Personal stellen, um auch Mechaniker und Ingenieure zu trainieren. Gleichzeitig können Fahrer Formel-1-Kilometer sammeln. "Wenn wir nächstes Jahr 20 TPC-Tage machen wollen, dann können wir das. Ob wir es dann machen, ist eine andere Sache", so Komatsu.

Auch bei den Fahrern könnten sich Toyota und Ferrari in die Quere kommen. Mit Oliver Bearman setzt Haas 2025 wieder auf einen Ferrari-Junior. Haas hat Sauber als inoffizielles Ausbildungsteam abgelöst. Nun meldet auch Toyota Interesse an. Zunächst nur für den Reservefahrer, denn mit Oliver Bearman und Esteban Esteban Ocon hat Haas schon Fahrer unter Vertrag. Komatsu stellt klar: "Es wird aber keine Paydriver geben. Ob mit Toyota-Fahrer oder nicht, wir nehmen immer den besten Fahrer für das sportliche Resultat."

Toyota übernimmt Dallara-Arbeit umsonst

Ferrari ist nicht der einzige Haas-Partner, der mit Argusaugen auf die Toyota-Zusammenarbeit blickt. Haas lässt Monocoque, Aero-Teile und Crash-Strukturen seit jeher von Dallara bauen. Genau hier mischt sich Toyota schon jetzt ein. "Wir werden zeitnah diskutieren, was wir weiterhin mit Dallara machen werden. Aber beide können nebeneinander existieren", versucht Komatsu zu beschwichtigen.

Insider berichten, dass schon jetzt bei Toyota in Köln Karbon-Komponenten für Haas gefertigt werden. Während Haas bei Dallara für die Fertigung viel Geld bezahlen muss, gibt es die Toyota-Teile quasi zum Nulltarif. Dallara ist aber politisch nicht so kompliziert, deshalb lässt sich hier der Hahn schneller zudrehen.

Eine solche Partnerschaft wie zwischen Haas und Toyota entsteht nicht über Nacht. Schon seit Monaten gibt es Gerüchte, seit Jahresbeginn laufen Gespräche. Das rückt die Ernennung von Ayao Komatsu zum Haas-Teamchef im Januar in ein anderes Licht.

Toyotas Masterplan: Formel-1-Einstieg durch die Hintertür

Für den Moment mag es für beide Seiten eine interessante Technische Partnerschaft sein. "Für den Moment" - Das ist eine Formulierung, die bei der Pressekonferenz auffallend häufig fiel. Im Moment gibt es keinen Plan, dass Toyota den Teamnamen übernimmt, im Moment gibt es keine Pläne, als komplettes Werk zurückzukommen, im Moment gibt es keinen Plan, einen eigenen Motor zu bauen. Mit diesen Formulierungen ließen beide Seiten genügend Spielraum für die Zukunft.

Ferrari Power Unit mit V6-Turbo-Motor, Batterie, MGU-H und MGU-K aus der Formel-1-Saison 2021
Einen Motor hat Toyota angeblich nicht geplant - Ferrari-Triebwerke gibt es noch bis mindestens 2028 für Haas, Foto: Motorsport-Magazin.com

In der aktuellen Form profitiert vor allem Haas durch technische und finanzielle Ressourcen. Toyota freut sich über etwas Präsenz und die Ausbildung von Ingenieuren, Mechanikern und Fahrern. Wenn man aber nicht komplett in die Formel 1 zurück will, hat man davon recht wenig, weil die Arbeitskräfte zu spezialisiert sind. Will man doch zurück, hat man so das perfekte Szenario vorbereitet. Dann profitiert irgendwann auch Toyota so richtig.

Warum steht Toyotas Motorsport-Fabrik eigentlich in Köln und nicht in Japan? Das Motorsport-Magazin war zu Besuch und hat sich Deutschlands letztes echtes Formel-1-Team genauer angesehen. Den Artikel, der ursprünglich im Print-Magazin erschien, gibt es hier kostenlos zu lesen: