Der britische Hersteller für Nobel-Sportwagen Aston Martin feierte beim 100-Jahr-Jubiläum des Langstreckenklassikers (Premiere 1924) nach einem dramatischen Zwischenfall in der letzten Stunde seinen zweiten Spa-Triumph nach 1948.
Dafür sorgte ausgerechnet das österreichische Grasser Racing Team (GRT) aus der DTM, das unbeabsichtigt die wohl entscheidende Rolle beim Dreikampf um den Gesamtsieg spielte. Den sicherten sich schließlich Mattia Drudi, Marco Sorensen und Nicki Thiim, die zweifelsohne auch zu den Favoriten auf dem 7,004 km langen Grand-Prix-Kurs in Spa-Francorchamps zählten. Für das Trio war es ebenso der erste Triumph bei dem Marathon zweimal rund um die Uhr wie für die Evo-Variante des Vantage AMR GT3.
Ferrari im Unglück: Sieg durch Grasser-Lamborghini verhindert
48 Minuten vor Rennende schien bereits die Entscheidung zu Gunsten von Ferrari und dem Werksteam AF Corse gefallen zu sein, als Alessandro Pier Guidi, der schon vor drei Jahren im 488 GT3 siegte, mit mehr als zwölf Sekunden Vorsprung zu seinem finalen Tankstopp in die Boxengasse abbog.
Nur wenige Sekunden später traute niemand an den Rennstrecke und vor dem Fernseher seinen Augen, als der Italiener seinen 296 GT3 in der schmalen Anfahrt zur Boxengasse abrupt zum Stehen bringen musste, weil plötzlich vor ihm der Grasser-Lamborghini (#19) – wegen eines Problems – den Weg zu seinem Boxenstandplatz versperrte! Ein unfassbares Pech, das mit ziemlicher Sicherheit den fünften Ferrari-Sieg und den ersten Erfolg des belgischen Teams Comtoyou Racing bei dessen Heimspiel und dem 10-jährigen Firmenjubiläum verhindert hat.
Erst als ein bei Start/Ziel stationiertes Abschleppfahrzeug des Veranstalters RACB den havarierten GRT-Lambo am Haken hatte, konnte der wohl sprachlose und wütend schimpfende Pier Guidi seine Weiterfahrt nach endlos langen Sekunden fortsetzen. Welch ein riesiges Pech für den Italiener und seine beiden Teamkollegen in der #51, Davide Rigon und Alessio Rovera, die ihren ersten Sieg beim Spa-Klassiker zum Greifen nahe hatten.
Aston Martin schreibt bei den 24h von Spa mit Drudi, Sorensen und Thiim Geschichte
Stattdessen triumphierten erstmals Drudi, Sorensen und Thiim und bescherten ihrem Arbeitgeber Aston Martin den zweiten Erfolg, 76 Jahre nach dem ersten Triumph 1948. Das Trio konnte sein Glück kaum in Worte fassen, allen voran Aston-Martin-Werksfahrer Nicki Thiim, der zuvor schon viele große Erfolge und Titel gefeiert hat, den berühmten Langstreckenmarathon aber noch nie gewinnen konnte.
"Ich bin hier schon zweimal mit Audi auf das Podium (P3) gefahren. Dieser Erfolg hat für mich einen ganz besonderen Stellenwert, nicht nur weil ich dieses Rennen endlich gewinnen konnte, sondern vor allem auch, weil wir es auf Anhieb mit dem neuen Evo-Modell des Aston Martin Vantage erzielt haben“, freute sich Thiim im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. „Es ist zudem auch eine Genugtuung für mich nach einer bisher sehr schlecht verlaufenen Saison. Wir haben bis zum Schluss an unsere Chance geglaubt, obwohl Ferrari das bessere Gesamtpaket hat. Umso mehr freuen wir uns jetzt, auch wenn dabei viel Glück im Spiel war!"

Die weiteren Platzierungen im Langstreckenklassiker von Spa-Francorchamps
Das Ferrari-Trio, dem die #51 nicht wie schon 2021 Glück brachte, hatte trotzdem noch verhaltenen Grund zur Freude - durch weitere Missgeschicke der Konkurrenz: Der WRT-BMW (#32) mit Augusto Farfus, Dan Harper und Max Hesse musste kurz vor Schluss wegen eines schleichenden Plattfuß an die Box und verfehlte deshalb den möglichen zweiten Platz nur um 5,227 Sekunden. Hesse konnte sich als bester deutscher Fahrer immerhin über P6 freuen.
Dagegen dürfte David Pittard sehr gehadert haben, denn für eine Kollision mit Pier Guidi kassierte der Brite im Aston Martin eine Zehn-Sekunden-Zeitstrafe, durch die das Walkenhorst-Team den sicher geglaubten Podiumsplatz um lediglich 1,016 Sekunden verfehlte.
Zu den Geschlagenen, die ebenfalls Siegchancen hatten, gehörten auch die zwischenzeitlich in Führung liegenden Pole-Setter Marco Mapelli, Jordan Pepper und Franck Perera (GTR-Lamborghini) auf Position sechs.
Ebenfalls zwar noch in der Führungsrunde, aber ohne echte Erfolgsaussichten platzierten sich der GetSpeed-Mercedes-AMG auf Rang sieben (Gewinner Gold-Wertung) sowie der SSR-Herberth-Porsche als stärkster Neunelfer auf Platz acht.
Der beste „alte“ Audi von Attempto, der auch ohne Werksunterstützung in die Top10 (P10) fuhr und der nach 478 Runden (3.347,912 km) nur einen Umlauf Rückstand auf die Gesamtsieger hatte, gewann immerhin die Bronze-Kategorie und distanzierte dabei den besten McLaren der Garage 59 (P10) und den Proton-Competition-Ford (P19).
Regenwetter in Spa sorgt für turbulentes 24-Stunden-Rennen
Nach den 24h-Rennen am Nürburgring und in Le Mans wurde auch der dritte Langstreckenmarathon innerhalb von vier Wochen von den befürchteten Wetterkapriolen sehr stark beeinflusst. Stundenlanger Regen sorgte nicht nur für viele Ausrutscher und teils schwerste Unfälle, die aber zum Glück keine ernsthaften Verletzungen nach sich zogen, sondern auch für etliche Neutralisationen - die längste rund um Mitternacht endete nach fast drei Stunden. Insofern spielte neben der Zuverlässigkeit und Schnelligkeit der GT3-Sportwagen auch Glück und das fahrerischen und strategische Können von Fahrern und Teams eine sehr große und letztendlich wohl auch mitentscheidende Rolle.
Von den 66 gestarteten GT3-Rennwagen erreichten nur 39 das Ziel in Wertung. 10 von insgesamt 26 Rennwagen der GT3-Pro-„Königsklasse“, die sich ebenfalls Siegchancen ausrechnen konnten, schieden bereits vorzeitig aus. Der zwischenzeitlich führende Publikumsliebling und neunfache Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi war gleich in zwei Kollisionen mit den beiden Ferrari von Kessel (#8) und AF Corse (#51) verwickelt und erhielt dafür ebenfalls eine von zahlreichen Zeitstrafen (zehn Sekunden). P13 in der GT3-Pro-Kategorie sowie Rang 26 in der Gesamtwertung war letztendlich das ernüchternde Resultat für den #46 WRT-BMW, den neben Rossi noch Lokalmatador Maxime Martin und Raffaele Marciello pilotierten.
Erstaunlicher wurde über die ansonsten oftmals umstrittene und kritisierte Balance of Performance (BoP) im Fahrerlager wenig diskutiert. Kein Wunder, denn die dafür zuständigen Experten der SRO Motorsports Group hatten wieder einmal ein gutes Gespür für die heikle Aufgabe. Das belegt auch ein Zwischenresultat nach drei Viertel der Gesamtdistanz, als sieben (!) verschiedene Hersteller (BMW, Ferrari, Aston Martin, Audi, Porsche, Mercedes-AMG und Ford) innerhalb von weniger als 50 Sekunden in den Top8 lagen.
Neben der Punktevergabe für die GT World Challenge Europe (GTWCE) wurden auch Zähler für die Intercontinental GT Challenge (IGTC) vergeben. In dieser Wertung sicherten sich die beiden Werks-BMW von WRT (#32) und ROWE (#998) sowie der GetSpeed-Mercedes-AMG (#777) auf den Plätzen eins bis drei die meisten Punkte.
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