Man spricht spanisch im MotoGP-Paddock. 10 der 22 Stammfahrer der Königklasse kommen 2024 aus Spanien. Mit Fermin Aldeguer hat bereits der nächste Mann von der iberischen Halbinsel seinen Platz ab 2025 sicher. Und in den Nachwuchskategorien ist das Bild noch deutlicher. Bilden die Italiener in der MotoGP noch Konkurrenz, so werden Moto2 und Moto3 immer mehr zu spanischen Meisterschaften mit internationaler Beteiligung. Das war bei weitem nicht immer so.

Spanien in der Motorrad-WM vor 2000: Angel Nieto und sonst?

"Die MotoGP könnte eine spanische Meisterschaft werden, das ist erstaunlich", bringt Aprilia-Pilot Aleix Espargaro seine Verwunderung über die Entwicklung des Motorradsports zum Ausdruck. Es ist eine Entwicklung, die der 34-Jährige selbst miterlebt hat. Er weiß daher nur zu gut, dass es sich dabei keineswegs um eine Selbstverständlichkeit handelt.

Angel Nieto war der erste große Motorrad-Star Spaniens, Foto: Tobias Linke
Angel Nieto war der erste große Motorrad-Star Spaniens, Foto: Tobias Linke

Motorradsport hatte in Spanien spätestens durch Motorrad-Legende Angel Nieto in den 1970ern und 1980ern einen hohen Stellenwert. Erfolge und viele Teilnehmer bedeutete dies jedoch zunächst nicht. Tatsächlich hielt der 2017 verstorbene Nieto oft allein die spanische Flagge hoch. Nur Ricardo Tormo konnte ebenfalls noch Siege aufweisen. Ende der 1980er kamen dann mit Sito Pons und Alex Criville weitere Spitzenfahrer auf. Letzterer sicherte erst 1999 - im fünfzigsten Jahr der Weltmeisterschaft - den ersten spanischen Titel in der Königsklasse. Nieto, Tormo und Pons waren stets nur in den kleineren Klassen erfolgreich gewesen.

Ein Startschuss zur heutigen Dominanz war Crivilles Triumph aber noch nicht. Zwar gab es mit Sete Gibernau und Carlos Checa weitere Rennsieger, aber der Dominator hieß Valentino Rossi und kam aus Italien. In den 2000ern deutete sich aber an, was da auf die Motorrad-WM zukommen sollte. Dani Pedrosa und Jorge Lorenzo waren mit je zwei 250er-Titeln die Vorboten der großen spanischen Motorrad-Armada, die ab 2010 über den Motorradsport hinwegfegen sollte.

Spanische WM-Titel vor und nach 2010 im Vergleich

ZeitraumMotoGP/500erMoto2/250erMoto3/125er
Vor 20101210
Seit 2010101113

Seitdem haben die Spanier ein Vielfaches mehr an Titeln gewonnen als in den sechs Jahrzehnten Motorrad-WM zuvor zusammengerechnet. Einzig in der kleinsten Klasse hält sich diese Statistik die Waage, was natürlich an Angel Nietos Erfolgen liegt. In der Zeit ab 2010 gehen acht Titel, sechs davon allein in der MotoGP, auf das Konto von Marc Marquez. Und dennoch wäre die Erfolgsbilanz auch ohne den Mann mit der 93 außergewöhnlich. Doch warum ist das so und scheint in Zukunft sogar eine noch stärkere Entwicklung zu nehmen?

Aleix Espargaro: Grundstock für Erfolg in den 2000ern gelegt

"Es sind die Früchte guter Arbeit: In den Schulen, bei der Infrastruktur, aufgrund des Klimas. Es sind viele Dinge, die in den frühen 2000er Jahren richtig gemacht wurden, nicht erst jetzt. Diese Früchte kommen jetzt zum Tragen", analysiert Espargaro. "Ich schätze, es geht vermutlich auch um das Wetter. Wir haben schönes Wetter und können daher mehr trainieren", meint sein Freund Jorge Martin.

Doch gutes Wetter gibt es auch woanders. Die Spanier sind im Nachwuchs so stark, dass auch Fahrer aus anderen Motorrad-Nationen dorthin gehen. Bestes Beispiel ist der aktuelle MotoGP-Weltmeister. "Warum sind so viele Spanier in der MotoGP? Weil sie einfach gute Arbeit im Nachwuchs leisten. Sie haben dort eine sehr gute Schule. Auch ich habe das gemacht, als ich jung war. Ich ging nach Spanien, um mich zu verbessern. Das Niveau der Konkurrenz war höher. Die spanische Meisterschaft war das Höchste, bevor es in die Weltmeisterschaft ging", erklärt Francesco Bagnaia.

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Breite Konkurrenz in Spanien bringt Qualität hervor

"Es geht um die Anzahl an guten Strecken im Land, um die Menge an Leuten, die mitfahren. Es ist auch dasselbe Bike, wie in der Weltmeisterschaft [das Moto3-Bike, Anm. d. Red.]. Es gibt also viele Gründe, warum in Spanien so gute Arbeit mit jungen Fahrern geleistet wird", führt der Italiener weiter aus. Quantität bringt Qualität in der Spitze. Das weiß auch Jorge Martin: "Alle kommen nach Spanien und das erzeugt dann mehr Spanier in den [Welt-]Meisterschaften."

Daniel Holgado, Jose Rueda und Ivan Ortola auf dem Moto3-Podium in Portimao
In der Moto3 sind spanische Dreifachsiege (hier Holgado vor Rueda und Ortola) keine Seltenheit, Foto: LAT Images

Besonders eklatant wirkt sich dies auf die Moto3 aus. Seit 2017 konnte nur Lorenzo Dalla Porta (2019) die Serie an spanischen Weltmeistern unterbrechen. 2024 könnte mit dem Kolumbianer David Alonso der nächste folgen. Nur: Auch Alonso ist in Spanien geboren und aufgewachsen, er fährt nur unter der Nationalität seiner Mutter. "Mit Sicherheit haben wir gute Talente", meint Jorge Martin lächelnd. Und der gewaltige Quell an schnellen Spaniern auf zwei Rädern wird in Zukunft wohl auch kaum versiegen, ganz im Gegenteil. Die Frage ist mehr: Welche Fahrer aus anderen Nationen können dagegenhalten?