Die Formel 1 ist eng. 2024 spricht man Qualifying um Qualifying von Tausendstel-Entscheidungen, und wenn regelmäßig mehrere Autos innerhalb einer Zehntel liegen, dann überrascht es nicht, dass irgendwann zwei Fahrer die gleiche Rundenzeit markieren. In Kanada war es sogar im Kampf um die Pole zwischen George Russell und Max Verstappen so weit. Aber war das die engste Pole der Geschichte? Nein!

Zuerst einmal sei gesagt: Zeitgleichheit kommt in der Formel 1 immer wieder einmal vor. Nicht unbedingt im Kampf um die Pole, aber heute ist das Feld so eng, und die Leistungsdichte so hoch, und es wird "nur" im Tausendstelbereich gemessen. So hat auch das Sportliche Reglement vorgesorgt und klare Regeln für den Fall eines "toten Rennens" an der Spitze definiert.

Das findet sich in den aktuellen Sportlichen Regeln unter Artikel 39.4 iv). Fahren zwei oder mehr Fahrer in irgendeiner Qualifying-Session die gleiche Zeit, so erhält jener Fahrer Priorität, der diese Zeit als erster fuhr. So holte sich Russell seine Pole in Kanada. Er markierte die 1:12,000 zuerst.

Jerez 1997: 3 Fahrer fahren die Pole-Zeit

Wie aber kann es noch enger zugehen als 2024 in Kanada? Ganz einfach: Indem noch mehr Fahrer die Pole-Zeit fahren. Genau das geschah an einem der verrücktesten Wochenenden der Formel-1-Geschichte, nämlich 1997 beim Saisonfinale in Jerez. Dieses Qualifying darf sich weiterhin rühmen, die engste Pole-Entscheidung aller Zeiten gesehen zu haben. Mit gleich drei Fahrern, die auf die Tausendstel genau eine 1:21,072 fuhren.

Das Drama wurde damals noch ungleich größer durch die Tatsache, dass zwei dieser drei Fahrer, nämlich Jacques Villeneuve und Michael Schumacher, sich mitten im WM-Kampf befanden. Villeneuve, der letzten Endes den Titel holen sollte, eröffnete die Zeitenjagd. Schumachers Konter brachte auf die Tausendstel genau das identische Ergebnis. Und schließlich rundete Villeneuves Williams-Teamkollege Heinz-Harald Frentzen das Trio ab.

Lando Norris hätte 2024 also noch 21 Tausendstel finden müssen, um das Qualifying auf Jerez-Niveau zu hieven. Wie 2024 in Kanada gab es aber auch 1997 in Jerez eigentlich das Potenzial, schneller zu fahren. In Kanada war Russells Pole-Zeit langsamer als seine Q2-Zeit. Die Zeitgleichheit mit Verstappen entstand nur, weil Mercedes sich aus unerfindlichen Gründen auf seinem letzten neuen Reifensatz in Q3 nicht wie erwartet verbessern konnte.

Und in Jerez? Die schnellste Zeit des Wochenendes gehörte damals McLaren-Pilot David Coulthard mit 1:20,738. Nur fuhr er die Zeit im 2. Training. Genauer gesagt hatten sowohl Coulthard als auch Teamkollege Mika Häkkinen wohl die Pace für Pole im Auto, doch Verkehr und ein Ausritt Coulthards machten ihre Chancen zunichte. Dafür gewannen sie das Rennen.

Um das Drama in diesem Rennen zu erreichen, müsste sich Kanada 2024 noch ordentlich strecken. Denn Jerez 1997 hat seinen Platz unter den berühmtesten Grands Prix aller Zeiten nicht nur wegen des Qualifying-Dreiers. Im Rennen rammte ein seine WM davonschwimmen sehender Schumacher nämlich den WM-Gegner Villeneuve. Eine Aktion, für die er danach komplett aus der WM-Wertung genommen wurde. Mehr zu Jerez 1997 gibt es hier: