Kein glückliches Ende für Antonio Felix da Costa im 74 Tage andauernden Streit um seinen verlorenen Sieg beim ersten Misano ePrix 2024: Der Formel-E-Champion von 2020 bleibt vom sechsten Saisonrennen der Formel-E-Saison 2024 disqualifiziert, wie der Automobilweltverband FIA bekanntgab.
In dem 17 Seiten langen Entscheidungsdokument des Internationalen Berufungsgerichts der FIA in Paris, vor dem der Porsche-Einspruch am 07. Juni 2024 verhandelt worden war, erklären die Richter den Einspruch des deutschen Autobauers zwar für zulässig, weisen diesen jedoch ab. Porsche muss zudem die Kosten für das Verfahren tragen.
Warum wurde Felix da Costa disqualifiziert?
Felix da Costa war nach seinem Samstagssieg in Misano rund fünf Stunden nach Rennende von den beiden FIA-Sportkommissaren Achim Loth und Michael Schwägerl, die als sehr erfahren gelten, sowie dem Italiener Francesco Maffezzoni disqualifiziert worden. Vier Tage nach dem Wertungsausschluss hatte Porsche am 17. April 2024 schriftlich bei der FIA Berufung gegen Felix da Costas Disqualifikation eingelegt.
Begründet wurde die Entscheidung der FIA-Stewards mit einer Feder am Strompedal von Felix da Costas 99X, die vom Einheitsbauteilhersteller Spark Racing Technology stammt. Diese Feder stammte noch aus der Gen2-Ära der Formel E (2018-2022), findet sich jedoch im Spark-Teilekatalog für die Gen3-Ära (seit 2023) nicht mehr wieder.

Teilemangel Ursprung des Problems
Doch warum war Porsche auch in diesem Jahr mit einer veralteten Strompedalfeder unterwegs? Der Ursprung des Problems wurde im Urteil des Berufungsgerichts noch einmal offiziell bestätigt und deckt sich mit Aussagen von Porsche-Teamchef Florian Modlinger: Produktionsprobleme bei Spark.
Durch diese Produktionsprobleme war der Einheitsbauteilhersteller im frühen Entwicklungsstadium des Gen3-Autos nicht in der Lage, die neuen Strompedalfedern für das Gen3-Auto zu liefern. Dementsprechend ermutigte Spark die Hersteller dazu, die Gen2-Federn zu benutzen, bis man in der Lage sei, die Gen3-Federn zu produzieren.
Schwere Vorwürfe gegen Spark: Irreführung der FIA-Stewards?
Unter diesen Vorzeichen wurden die Gen-3-Autos am 17. November 2022 der FIA zur Homologation präsentiert. Die Porsche-Teile für das Gen3-Auto wurden von der FIA am 12. Dezember 2022 homologiert. Am 21. November 2022 lieferte Spark Porsches Formel-E-Team zwei Gen3-Federn - vier Tage nachdem die Autos der FIA präsentiert wurden. Genau auf diesem Fakt basierte Porsche seinen Protest. Porsche argumentierte, dass die Homologation des Autos mit der verbauten Gen2-Feder gleichbedeutend mit der Genehmigung der Feder bis zum Ende der Homologationsperiode (Saison 2025/26) gewesen sei.
Zudem erhob Porsche genau deshalb bei der Verhandlung in Paris Vorwürfe von Irreführung gegen die Spark-Abgesandten Jeremy Boudot und Pierre Prunin. Diese hatten vor den Stewards in Misano angegeben, die fragliche Feder habe sich im Katalog für das Gen2-Auto befunden, nicht jedoch in jenem für das Gen3-Auto. Hinzu kommt, dass Porsche sich als Hersteller des Autos erneut darüber beklagte, dass es entgegen früheren Versicherungen von Spark keine Mitteilung bezüglich einer Änderung bei diesem Teil im Spark-Katalog gegeben habe.

Porsche in der gesamten Saison 2023 mit alter Feder unterwegs
Zugleich merkte Porsche an, dass die fragliche Feder ohne eine Beanstandung von FIA-Offiziellen schon in der gesamten Saison 2023 und in fünf Rennen 2024 an beiden Autos in der Formel E zum Einsatz gekommen sei.
Wenig überraschend widersprach die FIA der Argumentationsweise Porsches. Der Spark-Katalog zum Zeitpunkt der Homologation am 12. Dezember 2022 sei keinesfalls bereits zulässig gewesen. Stattdessen habe ausdrücklich nur jener Spark-Katalog gegolten, der auch in den Event Notes der Stewards beim Misano ePrix angeführt war - in welchem die Porsche-Feder nicht mehr vorkam.
FIA widerspricht Porsche: Hersteller-Homologation unabhängig von Einheitsbauteilen
Dabei entkräftige die FIA das Porsche-Argument der Homologation. Das Gericht hielt schon zu Beginn des Urteils fest, dass die Teile eines Formel-E-Autos in zwei Gruppen unterteilt seien: Die sogenannten Hersteller-Parameter und die gewöhnlichen Parameter. Die Hersteller-Parameter werden von den Herstellern bereitgestellt, während die gewöhnlichen Parameter von Einheitsbauteilherstellern wie Spark zur Verfügung gestellt werden.
Die FIA argumentierte deswegen, dass sich die Homologation des Porsche 99X im November 2022 ausschließlich auf die vom Hersteller produzierten Teile bezogen habe und somit nicht auf die von Spark gelieferte Strompedalfeder. Zudem sei in der Frage der Misano-Disqualifikation klar zwischen dem Hersteller Porsche, der neben dem Werksteam auch das Kundenteam Andretti beliefert, und dem Formel-E-Team TAG Heuer Porsche Formula E Team zu trennen.
Der fragliche Spark-Katalog, auf dem Porsche seine Argumentation aufbaute, sei zu Entwicklungszwecken des Gen3-Autos ausschließlich an Hersteller geschickt worden - und eben nicht an Teams. Das TAG Heuer Porsche Formula E Team habe die Gen2-Feder nur so lange benutzen dürfen, bis die Gen3-Federn geliefert worden seien, was am 21. November 2022 geschah. Schon vor dem Start in die Saison 2023 schickte Spark einen erneuerten Katalog an die Teams, in dem sich die von Porsche in Misano eingesetzte Feder nicht mehr wiederfand. Die FIA hielt fest, dass es die Verantwortung der Teams sei, sich stets an die Kataloge der Einheitsbauteilhersteller zu halten.
Gericht gibt FIA recht: Feder nie benutzbar für Gen3-Autos
Das Berufungsgericht gab der Darstellungsweise der FIA in vollem Umfang recht: "Das Gericht merkt an, dass die umstrittene Feder nicht nur kein Teil der Hersteller-Parameter ist, die Thema der Homologations-Überprüfungen vom 12. Dezember 2022 waren, sondern dass sie in den Homologations-Dokumenten der Überprüfung nicht einmal genannt wird." Dementsprechend sei die Feder entgegen der Porsche-Argumentation nicht am 12. Dezember 2022 homologiert worden.

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass sowohl vor der Saison 2023 als auch vor der Saison 2024 von den FIA-Stewards darauf hingewiesen wurde, welcher Spark-Katalog als gültig gelte - in beiden fand sich die von Porsche eingesetzte Gen2-Feder nicht wieder. Das Gericht kam deswegen zu dem Schluss, dass die Feder "nie eine benutzbare Feder für die Ende 2022 neu homologierten Gen3-Autos war." Dass Porsche die Feder dennoch in der Saison 2023 und 2024 benutzt habe, sei nicht im Einklang mit den anwendbaren Regeln gewesen.
Das Berufungsgericht der FIA wertete den Einsatz der Feder in Misano somit als klaren Verstoß gegen das Technische Reglement. Anders als in der Urteilsbegründung der Stewards sah das Gericht jedoch keinen Verstoß gegen das Sportliche Reglement, da Porsche zwar ein nicht zulässiges Teil benutzt, jedoch nicht gegen das Benutzer-Handbuch des Einheitsbauteilherstellers (Spark) verstoßen habe.
Gericht bleibt bei Disqualifikation hart: Keine außergewöhnlichen Umstände
Auch das Strafmaß war erneut Thema in der Anhörung. Felix da Costas Porsche-Teamkollege Pascal Wehrlein hatte sich etwa bereits für ein milderes Strafmaß ausgesprochen. Auch Porsche argumentierte erneut gegen eine Disqualifikation, unter anderem aufgrund außerordentlicher Umstände. Die FIA bestritt hingegen, dass es sich um außerordentliche Umstände gehandelt habe. Und auch das Gericht blieb hart: Ein Verstoß gegen das Technische Reglement sei (wie immer) mit einer Disqualifikation zu handhaben, außer es lägen außerordentliche Umstände vor. Wie die FIA sahen die Richter diese jedoch nicht als erwiesen an.
Zudem wurde Porsches Argument, es sei nicht möglich, den 135 Seiten langen Spark-Katalog jedes Mal gegenzuprüfen, abgewiesen, da Porsche seit dem Beginn der Saison von der aktuellen Version des Katalogs gewusst habe - mehrere Monate vor dem Rennen. Auch Porsches Verweis darauf, es habe keinen Performance-Vorteil gegeben, wurde mit Verweis auf den Internationalen Sportkodex der FIA abgewiesen - unabhängig davon, dass die FIA auch diese Darstellungsweise bestritt. Denn die Gen2-Feder habe eine andere Länge als die Gen3-Federn gehabt, wodurch Porsche mit einem steiferen Pedal habe fahren können. Dadurch seien bessere Möglichkeiten zur Kontrolle des Energieverbrauchs möglich gewesen.
Felix da Costa: Kompliziert, gegen die FIA zu protestieren
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Porsche-Berufung vor dem Internationalen Berufungsgericht der FIA scheitert. Auch nach dem Saisonfinale 2023 in London protestierte Porsche gegen eine 3-Minuten-Zeitstrafe zu Ungunsten Felix da Costas. Auch diese Strafe hielt das Berufungsgerecht jedoch aufrecht, die am WM-Ausgang ohnehin nichts mehr entscheidend geändert hätte.
"Es ist kompliziert gegen die FIA zu protestieren, wenn die Leute, die entscheiden, auch für die FIA arbeiten", hatte Felix da Costa in einer Online-Medienrunde im Mai auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com leichte Kritik an dem Verfahren durchklingen lassen. Es sollte allerdings berücksichtigt werden, dass das Berufungsgericht der FIA ein unabhängiges Gericht ist, das nicht mit FIA-Leuten besetzt ist. "Ich sage nicht, dass sie nicht fair sind, aber du bist natürlich schon im Rückstand." Negativ in Erinnerung blieb bei Felix da Costa offenbar das London-Verfahren. "Wir wurden eigentlich schon in der ersten halben Stunde abgelehnt", so der zehnfache ePrix-Sieger.

Porsche verliert wichtige Punkte im WM-Kampf
Im Hinblick auf die Misano-Disqualifikation hoffte Felix da Costa ebenso vergeblich auf ein Entfallen der Strafe. Der Portugiese äußerte diesen Wunsch vor allem im Hinblick auf das Wohl des Sports: "Jeder würde in diesem Moment gewinnen. Als ich den Sieg verloren habe, erhielt ich von jedem Teamchef, anderen Teams, Ingenieuren und Fahrern Nachrichten, wie unfair es war, diesen Sieg zu verlieren. Alle sind da auf einer Linie. Besonders wenn die FIA ein Dokument veröffentlicht, das belegt, dass es keinen Performance-Vorteil gab, sollten wir in der Lage sein, das zum Wohle des Sports anders zu sanktionieren."
Nach der Bestätigung der Disqualifikation steht nun das Ergebnis des Samstagsrennens in Misano auch offiziell fest: Nissan-Werksfahrer Oliver Rowland behält seinen ersten Sieg seit dem Berlin ePrix 2020 und seinen erst zweiten in der Formel E überhaupt. Das Podest beim ersten Misano-Rennen komplettieren Jake Dennis (Andretti-Porsche) und Maximilian Günther (Maserati-DS).
Für den auch in dieser Saison engen WM-Kampf hatte die Disqualifikation ebenfalls deutliche Auswirkungen. Nach 12 von 16 Saisonrennen belegt Porsche in der Team-Weltmeisterschaft den zweiten Platz mit 73 Punkten Rückstand auf das Jaguar-Werksteam. Wäre die Disqualifikation zurückgenommen worden, hätte sich dieser Rückstand merklich verkürzt. In der Fahrer-Wertung hätte Felix da Costa eine Position weiter vorne auf Rang sechs gestanden, jedoch immer noch 58 Zähler hinter WM-Spitzenreiter Nick Cassidy.
Formel E: Gesamtwertung 2024
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