SHOW wird in den Vereinigten Staaten großgeschrieben. Das ist allseits bekannt. Bei der ersten Austragung des Grand Prix in Las Vegas 2023 wollte die Formel 1 neue Maßstäbe setzen - und legte mit einem Mega-Event zum Auftakt los. Motorsport-Magazin.com erinnert an die - positiv wie negativ - denkwürdigsten Momente der F1-Premiere in der "Stadt der Sünde".

#1: Die unvergleichliche Fahrerpräsentation

Eröffnungsfeier in Las Vegas mit Sängerin Kylie Minogue
Musik-Stars wie Kylie Minogue waren Teil der pompösen Eröffnung vor der Fahrervorstellung, Foto: LAT Images

30 Seconds to Mars, Keith Urban, Andra Day, Kylie Minogue, Bishop Briggs, Journey, Steve Aoki, J Balvin, Tiesto, John Legend, will.i.am: Was sich wie ein hochdekoriertes Line-Up des nächsten Musik-Festivals liest, ist die Liste der aufgetretenen Künstler bei der Vorstellung der Formel-1-Fahrer am Mittwoch vor dem Grand Prix auf dem legendären Las Vegas Strip.

Live in alle Teile der Welt übertragen gab es eine knappe halbe Stunde Pop- und Techno-Unterhaltung pur. Danach folgte die Vorstellung der eigentlichen Protagonisten des Wochenendes. Mit einem Lift wurden die F1-Piloten auf Bühnen gefahren und dort von den 30.000 Zuschauern vor Ort wie absolute Superstars gefeiert.

Im Vergleich zu 28 Minuten Musik kam die zweiminütige Vorstellung der Rennakteure wie ein Beiwerk zur großen Show daher. Lediglich zehn Sekunden Präsentationszeit für jedes Team erweckten den Eindruck, dass der Schwerpunkt am Premieren-Wochenende statt auf dem Sport mehr auf der Show lag. Max Verstappen hatte im Nachgang nicht viel übrig für die Art und Weise der Präsentation: "Man steht nur da und sieht aus wie ein Clown."

#2: Der absurde Zeitplan

Alpine-Fahrer Pierre Gasly
Das Wahrzeichen Sphere schafft in Las Vegas durch die Ansetzungen bei Dunkelheit ein beeindruckendes Ambiente, Foto: LAT Images

Aus europäischer Sicht simpel zu verstehen: Bei Überseerennen östlicher Richtung in Japan und Australien müssen die Fernsehzuschauer in Europa für die Rennen früh aufstehen, bei Austragungsorten in westlicher Richtung wie Kanada, Brasilien und auch den USA heißt es länger wach zu bleiben. So allerdings nicht in Las Vegas, dachte sich die Formel 1.

Die Streckenzeiten des vorletzten Grand Prix 2023 legten die Veranstalter auf die Abend- und Nachtstunden, deutscher Zeit fanden die Sessions demnach am frühen Morgen statt. Für die glamourös schillernde Aufmachung startete das Rennen vor Ort Samstagabend um 22:00 Uhr, in Mitteleuropa ging es folglich am Sonntag um 7:00 Uhr los - wie es die Fans sonst vom Grand Prix im japanischen Suzuka gewohnt sind.

Selbst die Fahrer waren wie Ferrari-Pilot Carlos Sainz vom Ablauf überfordert: Der vierfache Rennsieger verpasste die Streckenbesichtigung der Fahrer am Donnerstag. Der Spanier meinte, der Zeitplan "ist etwas komisch. Ich weiß nicht, wann die Strecke komplett frei ist." Die Fahrer mussten damit zurechtkommen, erst spät am Tag im Auto zu sitzen, das Qualifying fand in der Nacht von Freitag auf Samstag um 00:00 Uhr statt.

Der Tagesrhythmus des gesamten Formel-1-Trosses führte zu aberwitzigen Arbeitszeiten des Personals rund um das Event herum wie im Gastronomiegewerbe. Doch auch im Fahrerlager trugen die Teams sichtlich Spuren davon: "Die meisten Leute gehen hier wie Zombies durch die Gegend", beschrieb unser Reporter vor Ort die Szenen im Paddock. Hier könnt ihr euch Christians Eindrücke aus dem vergangenen Jahr noch einmal im Video ansehen:

Heftige Kritik an Las Vegas GP: Formel 1 wie eine Clown-Show! (10:00 Min.)

#3: Acht Minuten Donnerstags-Action und Toto Wolffs PK-Ansage

Nach dem spektakulären Auftakt am Mittwoch ging es tags darauf um 20:30 Uhr mit dem FP1 los. Doch um 20:38 Uhr war schon wieder Schluss, rote Flagge. Auf der 1,8 km langen Geraden auf dem Strip setzten die Rennwagen so stark auf, dass sie dadurch bei einer Wasserventil-Abdeckung die Betonfassung des Deckels durchbrachen. Die Abdeckung lag in der Folge auf der Strecke.

Carlos Sainz fuhr zu allem Übel noch darüber und beschädigte seinen Ferrari schwer. Bei ihm mussten das Chassis, der Motor und die Batterie getauscht werden. Das Streckenpersonal wurde somit angewiesen, bei den Wasserventil-Deckeln auf dem Strip nachzubessern und die insgesamt etwa 140 Abdeckungen auf dem Rundkurs zu kontrollieren. Das Training konnte nicht mehr aufgenommen werden.

Arbeiten an den Schachtabdeckungen
Schnelles Handeln war gefragt, um die herausgerissene Betonfassung zu reparieren, Foto: LAT Images

Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur war aufgrund des großen Schadens an einem seiner Autos bedient. "Es ist einfach inakzeptabel", sagte er auf der Pressekonferenz der Teamchefs nach dem FP1. Mit Fragen zur schier unglaublichen Größe des Events wollte er nichts zu tun haben und fragte nach gut zwei Minuten: "Kann ich jetzt gehen?"

Doch das sollte nicht der einzige bemerkenswerte Moment der Pressekonferenz bleiben. Vasseurs Mercedes-Kollege Toto Wolff sollte beantworten, inwiefern man den Vorfall nicht als blaues Auge für den Sport einordnen müsste. Dieser antwortete prompt: "Das ist gar nichts."

Einem britischen Boulevard-Journalisten missfiel diese Aussage, er sprach lautstark dagegen. Daraufhin wehrte sich Wolff verbal und wurde auch persönlich. "Wie kannst du es überhaupt wagen, schlecht über ein Event zu reden, das neue Standards aufstellt?", sagte der Teamchef weiter: "Hast du je gut über jemanden geredet und geschrieben?" Das mochte vielleicht noch unterhaltsam sein, den Fans vor Ort allerdings verging in den folgenden Stunden schnell das Schmunzeln.

#4: Guten Morgen, FP2 und die Farce auf den Tribünen

Zuschauer auf der Haupttribüne in Las Vegas
Mehrere Stunden warteten die Fans darauf, dass es mit dem FP2 weitergehen kann, Foto: LAT Images

Durch den Schaden des herausgerissenen Deckels auf dem Strip und den Nachbesserungsarbeiten an weiteren Abdeckungen zog sich der Arbeitstag aller Beteiligten in die Länge. Erst um 02:30 Uhr wurden die Fahrer zu ihrer ersten richtigen Session auf die Strecke gelassen.

Um die sehr kurze Dauer des ersten Trainings zu kompensieren, dehnten die Veranstalter den Zeitraum von 60 auf 90 Minuten aus. Ein Ende fand das zweite Freie Training somit erst um 04:00 Uhr morgens. Bis dahin hätten sicherlich nur abgehärtete Motorsport-Fans an der Strecke durchgehalten. Wer sich allerdings noch erinnern kann: Die waren schon längst nicht mehr da.

Stunden über Stunden hatten die Zuschauer nach den acht Trainingsminuten auf den Tribünen ausgeharrt, um in den Genuss von etwas mehr Motorsport zu kommen. Dass sich der Beginn des FP2 durch die Reparaturarbeiten auf der Strecke verzögern würde, war schnell klar. So warteten die Fans bei 12-13 Grad Celsius - bis es hieß, dass sie ihre Sitze verlassen müssten.

Um 01:30 Uhr wurden die Tribünen geräumt. Das FP2 fand ohne Zuschauer statt. Als Erklärung lieferte der Veranstalter (in Las Vegas ist dies die Formel 1 selbst) die langen Arbeitszeiten der Ordner und Shuttle-Fahrer, die nicht noch weiter ausgedehnt werden könnten. Für die Fans verkam die Nacht zu einer Schmach. Sie fragten: Wieso hatte der Promoter nicht vorher mitgeteilt, dass die Tribünen trotz FP2-Verzögerung um 01:30 Uhr geräumt werden müssen.

Den Tageskartenbesitzern vom Donnerstag wurden acht Minuten Formel 1 geboten. Zur Entschädigung für die teuer gekauften Tickets bekamen sie einen 200-Dollar-Gutschein für Merchandise-Artikel der Formel 1. Die Käufer von Mehrtageskarten gingen sogar leer aus. Seitens der FIA gab es keine Entschuldigung an die Zuschauer. Max Verstappen kommentierte das Geschehen auf seine Art: "Wenn ich ein Fan wäre, würde ich den ganzen Laden abreißen."

#5: Bestes Rennen der Saison 2023

Red Bull-Pilot Max Verstappen führt nach dem Start vor Polesetter Charles Leclerc
Die lange Gerade auf dem Strip war eine gute Überholmöglichkeit, Foto: LAT Images

Als hätte das Wochenende nicht schon genügend Schlagzeilen durch etliche Nebenschauplätze produziert, setzten die Fahrer im Rennen aus sportlicher Sicht noch einen obendrauf. Anfangs als unkompliziertes Strecken-Layout kleingeredet, brachte der neue Stadtkurs Vorteile für spannende Duelle.

Langsam zu fahrende Kurvenpassagen auf der einen und der 1,8 Kilometer lange Highspeed-Abschnitt auf dem Strip auf der anderen Seite hielten den Einfluss von Dirty Air gering. Enges Hintereinanderfahren war gut möglich. Und auf der langen Geraden auf dem Strip konnten die Fahrer den Geschwindigkeitsüberschuss im Windschatten nutzen. Auch die milden Temperaturen kamen den Piloten entgegen: Die Reifen drohten nicht zu überhitzen.

Charles Leclerc, von der Pole gestartet und durch Verstappen in Kurve 1 auf den zweiten Rang abgedrängt, kam dadurch mit seinem Ferrari sehr gut zurecht. Der damalige Dominator Max Verstappen bekam jedoch überraschend Probleme mit seinen Pneus und musste früh zum Reifenwechsel. Nachdem das Feld jeweils einen Reifenwechsel hinter sich hatte, kamen die beiden Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Sergio Perez während einer Safety-Car-Phase ein zweites Mal in die Box für neue Reifen. Leclerc blieb draußen und übernahm die Führung.

Es entwickelte sich ein Dreikampf um den Rennsieg. Perez überholte Leclerc, der Monegasse konterte wiederum mit seinen älteren Reifen. Verstappen schnappte sich schließlich beide Fahrer und gab seine Führung nicht mehr ab. Um den zweiten Platz war das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen.

Ziel: Red Bull-Pilot Max Verstappen gewinnt vor Charles Leclerc im Ferrari und Sergio Perez im Red Bull
Verstappen behielt auch in Las Vegas die Nase vorn. Dahinter nahm Leclerc Perez noch den zweiten Platz weg, Foto: LAT Images

Sieben Runden vor Schluss verbremste sich Leclerc und musste seine zweite Position an Perez abgeben. Es folgte eine beeindruckende Aufholjagd des Ferrari-Piloten bis zur letzten Runde. Verstappen wurde von seinem Team angewiesen, Perez bei der letzten Überfahrt auf dem Strip noch ein bisschen Windschatten zu geben. Doch auch das half nichts. Beim harten Anbremsen nach der Highspeed-Passage quetschte sich Leclerc noch an Perez vorbei.

Nach der harschen Kritik an der Farce der ersten Tage in Las Vegas sorgte also immerhin das Rennen auf sportlicher Seite für ein unvergessliches Spektakel. Mit Abstand zum Wochenende haben Christian und Moritz das Geschehene noch einmal aufgearbeitet. Hier könnt ihr das Video noch einmal ansehen.

Ist die harte Kritik am Las Vegas GP gerechtfertigt? (40:51 Min.)

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