In der Formel 1 fuhr er meist hinterher, bei den 24 Stunden von Le Mans hingegen ganz vorne: Antonio Giovinazzi, Ferraris bekanntester Hypercar-Pilot in der WEC. Der Italiener schrieb zusammen mit seinen Teamkollegen Alessandro Pier Guidi und James Calado ein Stück Geschichte, als er 2023 das berühmteste Autorennen der Welt gewann - pünktlich zu Ferraris Topklassen-Rückkehr nach exakt 50 Jahren Abwesenheit.

Ferrari präsentiert neues WEC-Auto 2025! (07:34 Min.)

Nach dem F1-Rauswurf Ende 2021 bei Alfa Romeo und einer zwischenzeitlichen Pleiten-Saison in der Formel E - wieder bei einem Hinterbänkler-Team - hat Giovinazzi durch seinen Wechsel in den Ferrari 499P neuen Mut geschöpft. Selbst eine Rückkehr in die Formel 1 will der 62-fache Grand-Prix-Starter nicht ausschließen. Mit guten Leistungen im roten Prototypen könnte der 31-Jährige schließlich wieder auf sich aufmerksam machen.

"Ich sage immer: Sag niemals nie im Leben", meinte Giovinazzi während der Präsentation des 2025er WEC-Ferrari zu Motorsport-Magazin.com. "Wenn die Leistungen gut sind und auch gesehen werden, ist das immer eine positive Sache. Ob das gut genug für eine Rückkehr in die Formel 1 ist, weiß ich nicht."

Giovinazzi ist der F1 ohnehin weiter verbunden, derzeit unterstützt er Ferrari als Test- und Simulatorfahrer. Wobei es an Charles Leclerc und dem neuen Superstar-Neuzugang, Lewis Hamilton, in den kommenden Jahren kein Vorbeigehen geben dürfte. Giovinazzi scheint sich damit abgefunden zu haben und fühlt sich auf der Langstrecke pudelwohl: "Ehrlich gesagt, ist die Formel 1 nicht mehr meine Priorität. Ich bin in der WEC glücklich. Und wir haben Le Mans gewonnen - das hätte ich mir als Kind niemals erträumen lassen."

Die Ferrari-Crews bei der WEC-Präsentation in Fiorano, Foto: Ferrari
Die Ferrari-Crews bei der WEC-Präsentation in Fiorano, Foto: Ferrari

Antonio Giovinazzi: In WEC weniger Druck von den Medien

Dass Giovinazzi, im Formelsport stets als absoluter Einzelkämpfer unterwegs, auf der Langstrecke nicht mehr so sehr im Fokus steht wie zu F1-Zeiten, damit konnte er sich anfreunden. Schon 2016 teilte er sich mit Teamkollegen einen LMP2-Prototypen bei den 24 Stunden von Le Mans, bevor ihm der Schritt in die Formel 1 zu Haas gelang.

"In der WEC musst du teilen", erklärte Giovinazzi. "Das bedeutet, sich an den Fahrstil der anderen anzupassen, weil du die beste Lösung für das Setup mit drei Fahrern finden musst. Und wenn du im Auto sitzt, denkst du an deine Teamkollegen. Du willst das Auto in bestmöglichem Zustand nach einem Stint übergeben. Ich mag das, weil du sowohl gute als auch schlechte Momente gemeinsam erlebst. Du bist nicht alleine."

Die Performance des Einzelnen tritt bei den mehrstündigen WEC-Rennen gerne mal in den Hintergrund. Welcher Fahrer über die Gesamtdistanz wirklich wie schnell war, bedarf nicht selten aufwendiger Analysen nach dem Rennende. "Es ist von außen schwieriger zu verstehen und daher bekommt man von den Medien weniger Druck", glaubte Giovinazzi. "Aber im Auto wissen wir Bescheid. Wir wissen, wie die Performance war, welche Reifen wir hatten, in welchem Rennabschnitt wir waren. Wir können unsere Leistung im Vergleich zu anderen gut einschätzen."

"Zwei Stunden lang läuft dein Kopf ständig auf Hochtouren"

Dass die Fahrer einen Unterschied im Endurance-Sport ausmachen können, davon war er überzeugt: "Bei dem Verkehr mit den GT3-Autos musst du sehr wachsam sein. In der Formel 1 gibt es Rennphasen, in denen du dich etwas entspannen kannst, weil niemand vor oder hinter dir ist. In der WEC geht das nicht. Jede Runde musst du jemanden überholen und Entscheidungen treffen: Ist es gut, jetzt zu überholen? An welcher Stelle? Oder besser nicht? Das ist anstrengend. Zwei Stunden lang läuft dein Kopf ständig auf Hochtouren."

Giovinazzi teilt sich den #51 Ferrari in der bevorstehenden Saison zum dritten Mal mit seinen Teamkollegen Pier Guidi und Calado. Nach einer schwierigen Saison - nur Platz acht in der WM-Tabelle, während das Schwesterauto mit Miguel Molina/Antonio Fuoco/Nicklas Nielsen Le Mans gewann und Vize-Weltmeister wurde - will das Trio wieder durchstarten. Der Auftakt steigt am 28. Februar mit dem 10-Stunden-Rennen in Katar, am Wochenende davor stehen die offiziellen Testfahrten auf dem Programm.