Drei Wochen, drei Rennen, und plötzlich hat sich das Kräfteverhältnis an der Spitze der Formel 1 massiv geändert. Bei Ferrari wurde im Triple-Header von Barcelona über Spielberg bis Silverstone jede Woche die Stimmung schlechter, je mehr man die Probleme mit einem zu Beginn des Triples eingeführten Updates verstand. Diese dürften nun ein Abschreibposten sein.

In den Highspeed-Passagen von Barcelona hatte es begonnen. Ein neuer Unterboden, Diffusor und Seitenkasten erfüllten bei den ersten Tests in den Trainings zwar die basierend auf CFD und Windkanal erwarteten Abtriebswerte. Doch plötzlich trat in den schnellen Kurven wieder Bouncing auf. Das berühmte Problem der 2022 angelaufenen Ground-Effect-Ära, bei dem das Auto eine aerodynamisch ausgelöste Auf-Ab-Bewegung beginnt.

Carlos Sainz und Charles Leclerc hofften erst, es sei bloß eine Frage des Setup-Verständnisses. Oder vielleicht darauf zurückzuführen, dass Ferrari in den letzten Jahren in Barcelona sowieso nie gut war. Doch in Spielberg gingen die Probleme nicht weg. Den SF-24 so abzustimmen, dass er in langsamen Kurven Grip hatte und zugleich in schnellen nicht hüpfte, war schwierig bis unmöglich. Daraufhin entschied man in Silverstone: Sainz würde am Freitag auf das vorangegangene Imola-Update zurückrüsten.

"Das hat uns in eine schwierige Lage gebracht, aber das wussten wir schon vorher", meint Teamchef Fred Vasseur. Statt sich auf Silverstone vorzubereiten, fuhr das Team zwei Trainings lang ein Vergleichsprogramm. Bouncing ist auf dieser Strecke mit ihren vielen schnellen Kurven besonders heftig. Nach den Vergleichs-Tests herrscht nun Ernüchterung.

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Klares Signal folgte am Samstag, als nun beide Autos mit den alten Teilen antraten. Die Barcelona-Version war nicht vernünftig fahrbar. "Zurück zu den Grundlagen, zurück zu einem Auto, von dem wir wussten, dass es in Imola in Ordnung war", meint Carlos Sainz. Er resigniert: "Es ist klar nicht gut genug. Es ist praktisch das gleiche Auto wie in Imola. Aber seit Imola haben alle Upgrades gebracht. Sie haben sicher ein paar Zehntel mit ihren Autos gefunden, während wir zurückrüsten mussten."

Damit ist schnell erklärt, warum Ferrari plötzlich mit dem Trio von McLaren, Mercedes und Red Bull nicht mehr mithalten kann. "Wir haben zwei bis drei Monate an Performance-Gewinnen im Windkanal verloren", sagt Sainz. Entwicklungen in der Formel 1 haben Vorlaufzeiten von Monaten, nicht Wochen. Das Barcelona-Update erhielt also schon kurz nach Saisonstart grünes Entwicklungslicht.

"In diesen drei Monaten hätten wir Performance addieren können, aber wir haben eindeutig zuletzt falsche Entscheidungen getroffen", sorgt sich Sainz. Schlimmer noch: Jetzt steht fest, dass auch eine nachhaltige Lösung nicht über Nacht mittels Setups möglich ist. Mindestens für Budapest und Spa, vielleicht noch länger, wird Ferrari wohl nur zwischen den hüpfenden Barcelona-Teilen und dem veralteten Imola-Modell wählen können.

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc
Das in Imola eingeführte Paket hüpft nicht, wurde aber von der Konkurrenz abgehängt, Foto: LAT Images

Sainz rechnet nun mangels Alternative mit Barcelona-Teilen in Ungarn - wo es nur wenige schnelle Stellen gibt. Man wird wohl das Hüpfen an jenen Stellen in Kauf nehmen, um in den langsamen Kurven besser dazustehen: "Während wir auf Highspeed-Strecken wohl das alte Paket fahren müssen. Das andere ist sonst unfahrbar." Wann es wieder neue Teile gibt, die sowohl schneller als auch problemfrei sind, ist noch offen.

Bouncing im Windkanal nicht zu sehen: Ferrari in Update-Zwickmühle

Fred Vasseur muss nun sein Team gegen Unterstellungen verteidigen, wonach man ein Verständnisproblem habe. So schlimm sei es nicht, schwört er nach Silverstone: "Die Korrelation beim Abtrieb stimmt. Das Fragezeichen, und das haben alle, ist das gelegentliche Auftreten von Bouncing. Dafür ist die Korrelation schwierig. Denn im Windkanal hast du Bouncing nicht."

Das ist tatsächlich ein bekanntes Phänomen der Ground-Effect-Ära. Teams können nicht anhand von Windkanal oder CFD vorhersagen, ob ein Zugewinn von Abtrieb auch in Bouncing resultieren würde. "Du kannst antizipieren, dass du mit einem Teil mehr Bouncing haben wirst als mit einem anderen", führt Vasseur auf. "Aber ob das negative Folgen auf die Performance hat, ist eine andere Geschichte." Wenn das Auto hüpft, dann hilft es nichts, wenn die Teile den erwarteten Abtrieb liefern. Die Fahrer können nicht ans Limit gehen und ihn ausnutzen.

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Vasseur ist sich trotzdem absolut sicher, dass es bei Ferrari ein Problem der Aerodynamik ist: "Wir haben nur Aero-Teile geändert, und es trat in Spanien auf. Um es zu lösen, haben wir haufenweise Ansätze. Manche schränken Performance ein, andere nicht." Langfristig muss jetzt aber ein komplett neues Update-Paket entwickelt werden.

Vasseur schwört darauf, dass der Durchhänger bei der Entwicklung hier ein Einzelfall bleiben wird: "Alle Updates der letzten 16 Monate hatten sehr gute Korrelation mit Windkanal. Das war eine der Stärken des Teams im Vorjahr. Alle diese kleinen Updates, die sich auszahlten. Diesmal hatten wir ein Problem. Das ist nicht das Ende der Welt."