Nico Hülkenberg schreibt beim Großen Preis von Großbritannien seine Erfolgsserie fort: Auf dem sechsten Platz gestartet, auf dem sechsten Platz ins Ziel gekommen. Damit ist er wie schon in Österreich erster Verfolger der Top-Teams und holt weitere wichtige WM-Punkte. "Es ist ein erfüllendes Gefühl, zwei Mal hintereinander acht Punkte auf P6 zu bekommen. Es war unerwartet, aber verdient. Wir haben dafür gearbeitet. Wir haben keine Fehler gemacht und hatten eine gute Strategie", freut sich der Deutsche über ein von Freitagvormittag bis Sonntagnachmittag durchweg sauber ausgeführtes Wochenende.

Aufholjagd in Silverstone: Taktik und Mut führen Haas zum Erfolg

Dabei trübte ein einziger Makel das ansonsten lupenreine Wochenende von Hülkenberg: Er verpatzte den Start und verlor drei Plätze an Carlos Sainz, Lance Stroll und Charles Leclerc. Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Rennen in Silverstone lag aber in der richtigen Strategieentscheidung respektive dem richtigen Timing beim Reifenwechsel im späteren Rennverlauf. In diesem Zuge konnte Haas den Positionsverlust wieder wettmachen. "Wir haben das Timing sehr gut getroffen. Beide Stopps. Daher auch das Ergebnis als Belohnung", so Hülkenberg.

Zwei kurze Regenschauer stellten die Teams vor die Aufgabe, abzuwägen, ob es sinnvoll ist, auf Intermediates zu gehen oder nicht. Nachdem Hülkenberg das erste Renndrittel auf dem neunten Platz verbrachte, holte er sich in Runde 18 den achten Platz von Lance Stroll auf der Strecke zurück. Danach profitierte er von der strategischen Fehlentscheidung bei Ferrari, die Charles Leclerc in Runde 19 für den Wechsel auf Intermediate-Reifen an die Box holten. Dies brachte Hülkenberg auf den siebten Platz.

Der leichte Regenschauer hielt zu diesem Zeitpunkt jedoch nur kurz an, sodass diejenigen, die auf Inters gesetzt hatten, unmittelbar darauf ein zweites Mal zum Boxenstopp mussten. Dafür wurden die Fahrer belohnt, die so mutig waren, draußen zu bleiben und auf den Slicks über die Strecke zu schlittern. Wie Hülkenberg.

Er fand die Streckenbedingungen zu diesem Zeitpunkt allerdings alles andere als ideal und beschreibt es als einen Ritt auf der Rasierklinge: "Ich muss zugeben, dass es ziemlich unangenehm ist, mit 300 km/h in Copse einzubiegen, mit Regentropfen auf dem Visier und ohne zu wissen, ob man in die Mauer fährt oder die Kurve kriegt. Mit Trockenreifen und diesem Gripniveau ist es wirklich tödlich und sehr herausfordernd." Dementsprechend anspruchsvoll sei das Rennen für die Konzentration und Psyche der Formel-1-Fahrer gewesen, so der Deutsche.

In Runde 26 war die Zeit für die Intermediates dann aber tatsächlich gekommen und Haas rief die Fahrer an die Box. "Strategisch lief es gut. Der Wechsel auf Intermediates war zum richtigen Zeitpunkt. Ein paar Kollegen waren eine Runde zu spät dran. Unser Timing war sehr gut - auch auf die Slicks zurück. Da haben wir uns heute nichts vorzuwerfen", zog Hülkenberg nach dem Rennen Bilanz.

Hülkenberg: Schlussspurt auf weichen Reifen ein hartes Stück Arbeit

Ein hartes Stück Arbeit sei dann allerdings der letzte Stint gewesen, so der Haas-Fahrer. Ab Runde 40 bekam er die Soft-Reifen aufgezogen und Stroll - zu diesem Zeitpunkt etwa vier Sekunden hinter ihm - die Medium-Reifen. "In den letzten paar Runden habe ich wie verrückt gepusht. Die Vorhersage für heute lag bei 60% [Regenwahrscheinlichkeit; Anm. d. Red.]. Wir haben also etwas mehr Abtrieb auf das Auto gepackt, aber das hat uns auf den Geraden sehr anfällig und langsam gemacht. Außerdem fing der weiche Reifen nach 10 Runden an, abzubauen und ich musste sehr sauber fahren. Lance hat von hinten auf seinem Medium gepusht, der natürlich eine viel geringere Reifenabnutzung hat", erklärt Hülkenberg die besonderen Herausforderungen.

Obwohl Stroll am Ende bis auf eine Sekunde an Hülkenberg herankam, schaffte es der Deutsche, seine Position zu verteidigen. Zudem gewann er einen Platz durch den Ausfall von George Russell in Runde 35 und überquerte somit auf P6 die Ziellinie in Silverstone. "Ich war sehr froh, dass ich es nach Hause gebracht habe", freut sich Hülkenberg.

Haas-Fahrer Nico Hülkenberg im Paddock
Strahlemann Nico Hülkenberg läuft seit seinem Comeback bei Haas zur Höchstform auf, Foto: LAT Images

Haas mit Updates in der Formel 1 auf dem Vormarsch

Das sei insbesondere auch der großartigen Pace des Haas zu verdanken. Auf eine Runde war Hülkenberg schon öfter schnell. Mit der Fahrzeugentwicklung und den Updates der letzten Wochen scheint der Haas VF-24 ebenso im Renntrimm etwas gefunden zu haben. Seine Rundenzeiten lagen zwischendurch auf Augenhöhe mit denen von Sainz und Verstappen.

"Ich denke, es hat unsere Leistung bei hohen und mittleren Geschwindigkeiten verbessert. Die High-Speed-Performance war in diesem Jahr auf einigen Strecken ein Problem. An diesem Wochenende schienen wir diese Lücke ein Stück weit zu schließen - vor allem zu den anderen Teams im Mittelfeld und in gewissem Maße auch zu den Top-Teams", bewertet Hülkenberg die Fortschritte, die Haas durch die Updates erzielt hat.

Blickt man auf Aston Martin oder Ferrari, die ihr letztes Update sogar vorerst wieder zurückgebaut haben, ist es alles andere als selbstverständlich, dass neue Fahrzeugteile sofort das erhoffte Ziel erfüllen. Deshalb lobt Hülkenberg seine Mannschaft: "Das Team hat gut und sauber gearbeitet. Jedes Mal, wenn wir etwas am Auto anbringen, funktioniert es so, wie wir es erwarten, und die Korrelation [mit den Windkanaldaten; Anm. d. Red.] ist auch nicht schlecht. Wir haben in unserer technischen Abteilung und in der Aero-Abteilung letztes Jahr einige Änderungen vorgenommen. Das Ergebnis ist, dass es jetzt besser und effizienter funktioniert."

Die Updates haben die Haas-Performance also erheblich verbessert und das Team im engen Formel-1-Feld weiter nach vorne gebracht. "Ich denke, wir sind jetzt im Kampf um den fünften Platz - manchmal mit Aston Martin, manchmal mit Alpine, manchmal vielleicht mit anderen. Aber ich denke, wir sind dabei. Wir waren in dieser Saison ziemlich konstant und ich denke, wir können das beibehalten", meint der deutsche Haas-Fahrer.

Die Zeiten, in denen Haas infrage gestellt wurde, sollten durch die guten Leistungen auf der Strecke erst einmal vorbei sein. Manch einer mag in dem kleinen US-amerikanischen Rennstall sogar die positive Überraschung der Saison sehen. Hülkenberg stimmt dem zwar vorsichtig zu, warnt jedoch davor, zu voreilig zu sein: "Schon der Start in die Saison war besser als erwartet. Wir konnten mit allen mithalten. Wir haben den gleichen Job gemacht, vielleicht sogar besser. Ich glaube, es hängt auch ein bisschen vom Wochenende und von der Strecke ab, also müssen wir abwarten. Aber es ist auf jeden Fall ein großartiges Comeback in der Geschichte."

Nico Hülkenberg ist mit seinen 36 Jahren gerade in der Form seines Lebens. Doch wie ist es eigentlich um den Formel-1-Nachwuchs bestellt? Ist Antonelli wirklich so gut? Was ist mit den Formel-2-Meistern der vergangenen Jahre? Gibt es nur britischen Nachwuchs? Diese und weitere Fragen beantwortet Experte Christian Danner in diesem Video:

Mercedes im Aufwind! Kommt Verstappen jetzt doch? (17:31 Min.)