Das Formel-1-Rennen in Australien schien auf einen McLaren-Doppelsieg hinauszulaufen. Bei auftrocknenden Bedingungen konnten Lando Norris und Oscar Piastri ihre Reifen so gut konservieren wie niemand sonst im Feld. Doch ein starker Regenschauer mischte zwischen Runde 44 und Runde 47 das komplette Renngeschehen durcheinander. Nur Norris befand sich anschließend beim Safety-Car-Restart in Runde 51 noch auf Position 1, alle anderen Plätze hatten gewechselt. Wer waren die großen Verlierer des Regenschauers?
Die Ausgangslage: Bevor der Regenschauer einsetzte war das Feld relativ geschlossen beisammen. Denn nach Runde 41 hatte es erst gerade einen Safety-Car-Restart gegeben. Die Safety-Car-Phase war durch einen Unfall von Fernando Alonso ausgelöst worden, alle Fahrer hatten sie für einen Wechsel auf Trockenreifen genutzt.
Sofort an die Box: Norris und Mercedes mit der richtigen Strategie
Der Regenschauer: Exakt in Runde 44 traf der Regen schließlich auf die Rennstrecke. Das Wetter erwischte den Albert Park Circuit aus südwestlicher Richtung und machte sich somit in Kurve 12 erstmals bemerkbar, wie die Führenden McLarens auf unliebsame Weise herausfinden mussten. Während Norris nur wenig Zeit verlor und ins Kies kam, warf Piastri durch seinen Ausrutscher ein beinahe sicheres Podium weg.
Etwa die Hälfte aller Fahrer auf der Führungsrunde bogen umgehend an die Box ab. Rückblickend betrachtet die richtige Entscheidung, doch sie war im Eifer des Gefechts nicht so einfach, wie man annehmen könnte. Die Teams hatten zwar schon länger damit gerechnet, dass kurzer und heftiger Regen einsetzen werde, unklar war jedoch ob dieser sich auf die ganze Strecke ausweiten würde. Es stand auch die Möglichkeit im Raum, dass der Regen die Strecke komplett verfehlen könnte.
Am Ende von Runde 44 betrafen die Niederschläge ausschließlich den letzten Sektor und die Start-Ziel-Gerade. Sektor 1 und 2 hatten sie nicht erreicht. Das blieb für einige Minuten auch der Status Quo. Aus diesem Grund bog in Runde 45 kein einziger Pilot an die Boxengasse ab. Verstappen übernahm die Führung vor Lewis Hamilton.
Liam Lawson hilft Max Verstappen zu Platz 2
Zu diesem Zeitpunkt betrug der Zeitverlust in Sektor 3 auf den Trockenreifen etwa vier Sekunden, während sich auf dem Rest der Strecke die Intermediates und die Slicks nicht viel Zeit nahmen. Da nur ein kurzer Schauer vorhergesagt war, erschien es also möglich diese Niederschläge erfolgreich auf den Trockenreifen auszusitzen.
Die kritische Stelle war allerdings in Runde 46 erreicht. Max Verstappen meldete in diesem Umlauf vor Kurve 3, dass der Regen nun auch dort ankomme. Und tatsächlich: Im Laufe der 46. Runde verschlechterten sich die Bedingungen so stark, dass es rund um die gesamte Strecke gänzlich unmöglich wurde mit Trockenreifen halbwegs sinnvolle Zeiten zu fahren.
Der Weltmeister hatte ein Ass im Ärmel: Vor dem Regenbeginn hatte sein Vorsprung auf George Russell etwa 5,4 Sekunden betragen. Dadurch hatte er sich praktisch etwas mehr als eine Runde auf den Mediums gegen den Mercedes-Piloten erkauft. Außerdem dauerte es bei Russell nach der Ausfahrt aus der Box ein paar Kurven, bis er sich auf die Intermediate-Reifen eingeschossen hatte. Das war zwar auch bei Verstappen der Fall, er hatte nach seinem Stopp aber die Track Position auf seiner Seite.
Außerdem konnte Verstappen bis zu seinem Stopp noch eine bessere Pace im ersten Sektor zeigen. Doch als entscheidend erwies sich Verkehr, den Russell in exakt jener kritischen Zeit erwischte. Denn im Fernduell gegen Verstappen kam dem Mercedes-Piloten in Runde 46 in Kurve 11 dessen Teamkollege Liam Lawson auf Slickreifen in die Quere. Durch das Überholmanöver verspielte Russell etwa 1,5 Sekunden. In Summe verlor Russell so die wohl entscheidende Zeit, die ihm Platz 2 kostete, denn nur wenige Zehntel trennten ihn am Ende von Sektor 1 in Runde 47 von Verstappen.
Wie sich Ferrari vom Regen austricksen ließ
Ferrari befand sich ursprünglich im selben Dilemma wie Verstappen. Auch die Scuderia war in der 44. Runde nicht auf den Regenschauer angesprungen. Bei Ferrari rechnete man nur mit zwei Runden Regen, wie den Fahrern mitgeteilt wurde, und man ging folglich nicht davon aus, dass er sich auf die ganze Strecke ausweiten würde.
Dieser Prognose zufolge hätten die Niederschläge nach Runde 46 aufhören müssen. Noch in Runde 46 erkundigte sich Lewis Hamilton vor Kurve 9 bei Renningenieur Riccardo Adami, ob sich noch mehr Regen auf dem Weg befinde. "Negativ", lautete dessen Antwort, Adami gestand allerdings auch: "Hoffentlich. Hier in der Boxengasse regnet es noch."
Eine Fehleinschätzung. Bereits als Hamilton das nächste Mal die Boxengasse passiert hatte, regnete es nicht nur stark in Kurve 1, sondern auch rund um die restliche Strecke. Doch es ist fraglich, ob der Scuderia zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch etwas anderes übrigblieb als auf die Richtigkeit ihrer Prognose zu hoffen.
Denn im Gegensatz zu Verstappen hatten sowohl Charles Leclerc als auch Hamilton nicht den Luxus, dass sie eine Lücke hinter sich hatten. Hamilton wäre bei einem Stopp in Runde 46 wohl entweder knapp vor oder hinter Nico Hülkenberg wieder auf die Strecke gekommen, Leclerc ohnehin dahinter. Die einzige Position, die die Roten also durch ihren verspäteten Stopp sicher verloren haben, ist jene gegen Alpine-Pilot Pierre Gasly.
In Runde 47 waren die Bedingungen für Trockenreifen dann endgültig unfahrbar. Die Unfälle von Lawson in Kurve 1 und Gabriel Bortoleto im letzten Sektor hatten ein Safety Car zur Folge, das die Ferrari-Fahrer dann schon vor dem Ende des Umlaufes erlöste. Nach der SC-Phase nahmen Hamilton und Leclerc das Rennen nur auf den Positionen 9 und 10 wieder auf. Im Ziel landeten sie auf 8 und 10.
Vor Runde 44 | Boxenstopp (Runde) | Position Runde 47 | |
---|---|---|---|
1. | Norris | 44 | 1 |
2. | Piastri | 44* | 13 |
3. | Verstappen | 46 | 2 |
4. | Russell | 44 | 3 |
5. | Tsunoda | 47 | 11 |
6. | Leclerc | 47 | 10 |
7. | Albon | 44 | 4 |
8. | Hamilton | 47 | 9 |
9. | Gasly | 46 | 8 |
10. | Antonelli | 44 | 5 |
11. | Stroll | 44 | 6 |
12. | Hülkenberg | 44 | 7 |
13. | Lawson | - | DNF |
14. | Bortoleto | 44 | DNF |
15. | Ocon | 46 | 12 |
16. | Bearman | 44* | 14 |
*Mit Rundenrückstand
Yuki Tsunoda: Regenguss schwemmt Sensations-Ergebnis weg
Racing-Bull-Pilot Yuki Tsunoda befand sich auf derselben Strategie wie das Ferrari-Duo. Kurioserweise spielte ihm ausgerechnet seine gute Track Position böse mit. Denn der erste Aufruf seines Renningenieurs Mattia Spini, an die Box abzubiegen, erreichte ihn noch in Runde 44 just als er schon die Boxeneinfahrt passiert hatte. Anstatt das eine Runde später zu korrigieren, fiel man wie Red Bull und Ferrari anschließend auf das kurz gleichbleibende Wetter hinein und spekulierte auf baldige Besserung.
Bei Tsunoda kam noch dazu, dass er bei den Wechselbedingungen auf den Medium-Reifen ungleich mehr Zeit verlor als Hamilton und Leclerc und gleichzeitig auch noch einmal ins Kiesbett rutschte. Dadurch kamen beide Ferraris problem- und widerstandslos auf der Strecke an ihm vorbei. Der zuvor Fünftplatzierte, der bis dahin ein starkes Wochenende hinter sich hatte, wurde so auf den elften Rang durchgereicht und beendete das Rennen außerhalb der Punkte.
diese Formel 1 Analyse