1. Gab es bei McLaren Stallregie?
Als Oscar Piastri in Runde 17 an Max Verstappen vorbeiging, lag er rund drei Sekunden hinter Lando Norris. Der Australier machte aber den stärkeren Eindruck, holte auf seinen Teamkollegen sukzessive auf. In Runde 28 fuhr er im DRS-Fenster. Doch lange dauerte die Attacke nicht, in Runde 31 ließ er Norris wieder in Ruhe - aber nicht ganz freiwillig.
Das Team hatte Piastri angewiesen, Positionen zu halten. Später stellte Teamchef Andrea Stella klar: "Das war nur vorübergehend. Wir hatten Überrundungen vor uns und eine unklare Wetterprognose. Sobald die Überrundungen vorbei waren und die Wetterlager klarer, wollten wir es so schnell wie möglich neu beurteilen." Piastri durfte wieder angreifen, hatte dann aber Flow verloren und seine Reifen bereits zu hart rangenommen.
2. Warum wurde Kimi Antonellis Strafe zurückgenommen?
Andrea Kimi Antonelli war der heimliche Star des Rennens. Der Mercedes-Rookie fuhr von Startplatz 16 bis auf Position vier nach vorne. Eine Fünf-Sekunden-Strafe für einen Unsafe Release warf ihn im Ziel auf Platz fünf zurück. Mercedes beantragte das Recht auf Neubeurteilung und legte die Aufnahme der Onboard-Kamera als Beweismittel vor, die zum Zeitpunkt der Beurteilung noch nicht vorlag.
Tatsächlich kamen die Stewards anschließend zu dem Schluss, dass die Situation nicht gefährlich war. Denn Antonelli fuhr nicht in die Fastlane und behinderte dort Nico Hülkenberg. Stattdessen fuhr er in der Spur nebenher - wie es tatsächlich auch erlaubt ist. Die Strafe wurde zurückgenommen und Antonelli bekam Platz vier zurück.
3. Warum wurde Gabriel Bortoleto bestraft?
Auch Gabriel Bortoleto erhielt eine Fünf-Sekunden-Strafe für einen Unsafe Release. Bei ihm war die Sache aber klar, er fuhr Liam Lawson fast ins Auto. Bei Sauber wollte man niemanden für den Fauxpas verantwortlich machen. "Weil die Boxengasse nass war, war die Traktion unvorhersehbar", erklärt Technik-Chef James Key. Die Teams haben Markierungen, die ihnen signalisieren, bis zu welchem Zeitpunkt sie bei heraneilenden Autos die Ampel auf Grün schalten können. Langsamere Starts aus der Boxenposition auf nasser Fahrbahn lassen die Berechnungen ungenau werden.
4. Warum starteten Liam Lawson und Oliver Bearman aus der Box?
Oliver Bearman konnte in der Qualifikation keine Zeit setzen, durfte aber trotzdem am Rennen teilnehmen. Eigentlich auch aus der Startaufstellung, aber Haas änderte das Setup am Boliden mit der Startnummer 87. Nach seinen Unfällen in den Trainings konnte Bearman kein Setup herausfahren. Deshalb ging er mit den Einstellungen des Teamkollegen ins Qualifying. Weil die Lage ohnehin aussichtlos war, änderte man das mechanische Setup unter Parc-ferme-Bedingungen, nur um Vergleichsdaten zum anderen Auto zu sammeln.
Bei Liam Lawson hatte der Bruch des Parc ferme andere Gründe. Weil sein 18. Startplatz nicht sonderlich erfolgsversprechend war, setzte man beim Setup alles auf eine Karte. Für die regnerischen Bedingungen bekam er einen größeren Heckflügel samt dazugehörigem Beamwing.
5. Wie konnte Carlos Sainz hinter dem Safety Car abfliegen?
Nicht nur die Rookies hatten mit den schwierigen Bedingungen zu kämpfen - auch die erfahrenen Spanier. Fernando Alonso verlor das Auto in Kurve 6 und machte Kies auf der Strecke für seinen Unfall verantwortlich. Carlos Sainz flog unter Safety-Car-Bedingungen in der Zielkurve ab.
Der neue Williams-Pilot will die Schuld nicht auf sich nehmen. "Ich war noch nicht einmal richtig auf dem Gas, als das Heck ausgebrochen ist", so Sainz. Seine Erklärung für den Abflug: "Es gab eine Drehmomentspitze beim Hochschalten."
6. Warum wechselte McLaren auf Hard, Red Bull auf Medium?
Als Fernando Alonso die zweite Safety-Car-Phase auslöste, wechselten alle Piloten auf Slicks. Die Hälfte des Feldes ging auf Medium, die andere Hälfte auf Hard. Vorne an der Spitze wählten beide McLaren Hard, Verstappen Medium. Klar war, dass es der einzige Stopp sein würde, sollte es weiter abtrocknen. Deshalb wollte McLaren auf Nummer Sicher gehen. Je weicher der Reifen, desto größer bei diesen Bedingungen die Graining-Gefahr.
"Und wir haben im Training schon gesehen, dass die Performance des harten Reifen gut ist und er sofort auf Temperatur kommt", so McLaren-Teamchef Andrea Stella. Tatsächlich war die Überlegenheit von McLaren damit zu erklären, dass man die Reifen sowohl schnell auf Temperatur brachte als auch die Temperaturen dann kontrollieren konnte. McLaren hatte den geringsten Reifenabbau.
Trotzdem erwies sich der Medium als die bessere Wahl. Als der Regen wieder einsetzte, hatten die Piloten mit harten Reifen größere Probleme, die Temperatur zu halten. Der Medium-Reifen funktioniert in einem niedrigeren Temperaturfenster.
7. Wechselte Max Verstappen zu spät auf Intermediates?
Hätte Max Verstappen den Australien-GP gewinnen können, wenn er eine Runde früher auf Intermediates gewechselt hätte? In Runde 44 gingen Lando Norris und Oscar Piastri im Parallelflug durch das Kiesbett. Während Piastri im Gras hängenblieb, konnte Norris zurück auf die Strecke, blieb direkt vor Verstappen und bog eine Kurve später in die Boxengasse ab, um sich Intermediates zu holen.
Verstappen blieb zwei weitere Runden draußen, um schließlich auch auf Intermediates zu gehen. In seiner zweiten Runde verlor er extrem viel Zeit, weil sich die Bedingungen verschlechtert hatten. Der Weltmeister kam schließlich deutlich hinter Norris wieder auf die Strecke. Hätte er aber die Führung behalten, wenn er eine Runde früher zum Stopp gekommen wäre?
"Nein, er wäre direkt hinter Norris rausgekommen", meint Teamchef Christian Horner. "Es wäre egal gewesen, wann ich gestoppt hätte, ich wäre immer Zweiter geworden", so Verstappen selbst. Tatsächlich verlor der Red-Bull-Pilot schon auf seiner ersten Extra-Runde vier Sekunden im letzten Sektor auf Norris mit den Intermediates.
8. Gab es einen Defekt vor dem Bortoleto-Crash?
Gabriel Bortoleto beendete das Rennen wie viele seiner Rookie-Kollegen in der Streckenbegrenzung. In der Zeitlupe war aber zu erkennen, dass die Hinterachse am Sauber schon vor dem Einschlag kollabierte. Gab es also einen Defekt, der zum Unfall führte? Wohl nicht. "Es gibt in den Daten keinen Hinweis darauf, dass zuvor etwas kaputtgegangen ist", meint Technik-Chef James Key. Ein Bremsproblem plagte den Brasilianer das ganze Rennen schon, doch auch das war nicht ausschlaggebend für den Dreher vor dem Einschlag.

Aber warum brach die Aufhängung ohne Fremdeinwirkung? Eine definitive Antwort gibt es nicht. Möglicherweise wurde sie beim Überfahren der Kerbs beschädigt, möglicherweise waren die Kräfte beim Dreher zu hoch. Bortoleto stand voll auf der Bremse, als sich in Rückwärtsfahrt die Aufhängung verabschiedete. Entscheidend ist die Rückwärtsfahrt: Auf diese Belastung sind die Querlenker nicht ausgelegt.
9. War Oliver Bearmans Zurückrunden legal?
Während das gesamte Feld direkt zu Beginn der zweiten Safety-Car-Phase auf Slicks wechselte, warteten die beiden Haas-Piloten. Sie hatten als Überrundete ohnehin nichts zu verlieren. Als das Safety Car reingerufen wurde, wechselte auch Haas auf Trockenreifen. Dabei kam es zu großer Verwirrung, weil sich die beiden Piloten unmittelbar zuvor zurückrunden hatten dürfen.
Durch den Boxenstopp fiel Oliver Bearman nämlich erneut ins Feld zurück und räumte nach der Boxenausfahrt fast Max Verstappen ab. Nach kurzem Abwarten rundete sich Bearman erneut zurück. Die Szene war nicht ungefährlich, weil sich das Feld bereits wieder auf den Restart vorbereitete. Doch die Stewards griffen nicht ein. Wäre Bearman auf der Position geblieben, hätte er den Restart gestört. Die Regeln brauchen hier noch etwas Nachschärfung.
10. Was hatte es mit den möglichen Safety-Car-Vergehen auf sich?
Gleich vier Piloten standen während des Rennens unter Verdacht, ein Safety-Car-Vergehen begangen zu haben. Lewis Hamilton, Yuki Tsunoda, Fernando Alonso und Alex Albon mussten eine Strafe fürchten, weil sie während der ersten Safety-Car-Phase mehr als zehn Fahrzeuglängen Abstand zum Vordermann hielten. Die Stewards ließen Gnade vor Recht ergehen, weil die Bedingungen so schlecht waren und alle Piloten beim Restart wieder dicht am Vordermann fuhren. Die Regelung ist bei den Stewards ohnehin unbeliebt, weil die zehn Fahrzeuglängen nicht genau definiert sind und eine genaue Überwachung unmöglich ist.
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