Bei keinem Team wurden in den letzten Monaten die Fehler so zerpflückt. Ob Fahrfehler, Strategie, Teamorder - immer wieder öffneten Lando Norris, Oscar Piastri und McLaren die Tür für Max Verstappen, Mercedes oder Ferrari. Morgen im ersten Formel-1-Rennen von 2025 in Australien kann McLaren nun beweisen, dass man nicht nur Favorit ist - sondern der Rolle auch gerecht wird.

Nach dem ersten Qualifying am Samstag kann man hier nämlich durchaus eine Unterscheidung einziehen. Beide Fahrer patzten im Q3 auf ihrem ersten Versuch. Der McLaren war so stark, dass beide es im zweiten Versuch mit 0,385 (Norris) respektive 0,301 (Piastri) Sekunden Vorsprung auf Red Bull locker hinbiegen konnten. Aber für einige Minuten hielt Max Verstappen die provisorische Pole. Nur eine rote Flagge oder ein vermurkster zweiter Versuch trennte McLaren von einer herben Enttäuschung.

Lando Norris im McLaren
Es war kein sauberes Qualifying von McLaren in Australien, Foto: IMAGO / HochZwei

Regen-Schreckgespenst Max Verstappen für das Australien-Rennen

Fehler sind in Australien schlicht zu teuer. Der Albert Park Circuit räumt keinen Platz dafür ein. Wer zu viel will, findet Gras, Kies oder eine Wand. Norris und Piastri klagten nach dem Qualifying beide über teils bissiges Fahrgefühl. Was ihr Teamchef Andrea Stella weniger aufs Auto und mehr auf die Strecke schiebt, die eben so wenig Spielraum bietet und zugleich mit vielen kleinen Verschiebungen und Mini-Wellen im Asphalt zu Fehlern geradezu einlädt.

"Hier musst du reinhalten, dich auf dein Ziel fokussieren und auf das Beste hoffen, wenn du einlenkst", weiß auch Norris. Für das Rennen gilt Regen inzwischen als schon fast fix. Dann wird es mit den vielen Straßenmarkierungen auf dem temporären Straßenkurs noch haariger: "Die können teils viel Grip haben, aber oft auch bei hohem Tempo sehr rutschig sein."

Beim letzten Regenrennen in vor einigen Monaten in Brasilien zeichneten sich Norris und Piastri gleich mit mehreren groben Schnitzern ganz und gar nicht aus. Während die morgen aus der zweiten Reihe startenden Verfolger Verstappen und George Russell dort groß aufgezeigt hatten. Die beiden wollen möglichst viel Regen und Chaos. Red Bull trimmte das mechanische Setup dezidiert auf kühlere Temperaturen und nahm dafür Qualifying-Probleme in Kauf. Im Trockenen sehen sie für sich kaum Chancen.

Viel Chaos könnte vorprogrammiert werden. Die Wetterprognosen schwanken. Von Fahrerseite fürchtet man die kühlen Temperaturen im Zusammenhang mit einem Safety Car und will, sofern nötig, lieber nur Virtuelle Safety Cars.

Von Pirelli-Seite vertraut man auf verbesserte Regenreifen, die (trotz für sie geltendes Heizdecken-Verbot) jetzt wirklich auch bei starkem Regen nützlicher sein sollen als die Intermediates. Die FIA geht aktuell auch von keiner Start-Verschiebung aus, der schlimmste Schauer soll vor dem Start kommen.

Technisch überlegener McLaren auch im Regen ein Vorteil?

Technisch sieht alles bestens aus für McLaren. Der neue MCL39 ließ die Konkurrenz im Qualifying mit viel Grip und daraus resultierendem schonenden Behandeln der Reifen staunen. Alle anderen Spitzenteams hatten über den Rundenverlauf zu viele kleine Rutscher, was sich bis zu den Traktionszonen im engen letzten Sektor so aufsummierte, dass die Temperaturen der Hinterreifen plötzlich hochschossen und der Grip beim Teufel war.

In den ersten beiden Sektoren waren Red Bull und Mercedes McLaren fast ebenbürtig. Im letzten Sektor gaben Norris und Piastri der Konkurrenz aber gleich mehrere Zentel mit, weil ihre Reifen durchhielten. Im Trockenen deutet das auch für den Renn-Trimm auf einen großen Vorteil hin. Im Nassen kann so ein sachtes Anfassen der Reifen je nach Rennverlauf Vorteil oder Nachteil sein.

Schneller Temperatur in die Reifen zu bekommen würde helfen, wenn es kalt und nass ist. Wenn es aber beginnt aufzutrocknen und es darum geht, die Intermediates am Leben zu halten, bis man auf Slicks wechseln kann, dann kann ein reifenschonendes Auto Gold wert sein. Und einige der aktuellen Prognosen rechnen mit einem im Verlauf des Nachmittags abnehmenden Regen.

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Strategisch ist die Gleichung simpel, wenn es auftrocknet. Draußenbleiben, bis Slicks möglich sind. Im Idealfall an einem Punkt, an dem man bereits Hard aufziehen und damit durchfahren kann. Zwar ist der durch wenig Grip ausgelöste Graining-Effekt auf dem Reifen in Australien stets ein Problem, aber primär bei Soft und Medium. Den Hard hält Pirelli für ausreichend robust, um selbst auf einer vom Regen gewaschenen und kalten Strecke fast eine halbe Renndistanz durchzuhalten.

Auch gut für McLaren, die mit dem kühlen Graining-Rennen von Las Vegas letztes Jahr nicht zurechtgekommen waren. Sich den Faktor Hard im Kopf zu behalten ist auch wichtig. Die Niederlage in Silverstone 2024 dürfte nicht vergessen sein, als Norris und seine Ingenieure unorganisiert am Funk bei auftrocknender Strecke trotz noch langer Renndistanz fälschlich den weichsten Reifen wählten.

Die ewigen Papaya-Regeln: Neues Kapitel McLaren-Teamorder in Australien

Bei McLaren wiegelt man alle Regen-Sorgen ab. Ja, man hätte lieber einen trockenen Australien-GP, um die Stärken voll auszuspielen. Für die empfohlene Medium-Hard-Einstopp ist das verschleißarme Auto perfekt, um vom Start weg an der Spitze zu dominieren. Aber hat man kein Trocken-Setup gewählt. "Das Auto hat ordentlich Abtrieb, das sieht man am guten letzten Sektor", hebt Andrea Stella hervor. Von Brasilien 2024 will man weiters wichtige Setup-Lektionen gelernt haben. Damals störten sich Norris und Piastri an einem im Regen in der Bremsphase instabilen Auto. "Da haben wir uns hoffentlich verbessert."

Zu besprechen gilt es für McLaren dann noch das leidige Thema Teamorder. Stella will nicht von Regeln sprechen: "Nennen wir es Prinzipien. Regeln gelten für spezielle Szenarien, und davon gibt es in der Realität zu viele. Du kannst Regeln anwenden, aber letztendlich brauchst du Fahrer, die sich immer daran erinnern, dass das Team über allen steht." Im Winter hat man sich mehrmals zusammengesetzt, um über die vereinzelten Teamorder-Dramen zu reflektieren.

"Wichtige Arbeit" sei dabei verrichtet worden, so Stella. Schlüsselkomponente basierend auf dem Aneinandergeraten von Monza 2024: Sich Platz lassen, und den anderen nie in eine Position bringen, in der er gegenüber einer dritten Partei verwundbar wird. Die Fahrer stimmen nach dem Qualifying in der Pressekonferenz überein: Sie dürfen sonst tun, was sie wollen.

So scheint McLaren bei aller wetterbedingten Unsicherheit in Australien Favorit für das Rennen zu bleiben. Solange man alles umsetzt, was man im Laufe der letzten zwölf Monate als Fehler identifiziert hatte.