Max Verstappen sprach nach dem Italien GP Klartext. "Ich verstehe nicht, wie wir in sechs bis acht Monaten aus dem dominantesten Auto ein unfahrbares Monster machen konnten", ärgerte sich der Niederländer nach Platz sechs in Monza. Sowohl im Qualifying als auch im Rennen war Red Bull völlig chancenlos. Seit sechs Rennen ist der Weltmeister nun schon sieglos, vor allem McLaren und Lando Norris holen unaufhaltsam in beiden WM-Wertungen auf.

Während Red Bull mit Balance-Problemen kämpft und auf der Stelle tritt, scheint bei der Konkurrenz jeder Entwicklungsschritt zu sitzen. Warum? "Ich denke, sie nutzen ihre Frontflügel anders", lautet die Erklärung von Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Wenn man sich die Frontflügel von McLaren und Mercedes ansieht, dann sind die sehr unterschiedlich zum Rest des Feldes. Man versucht immer herauszufinden, wo die Rivalen ihre Performance gefunden haben und ich glaube, bei ihnen ist der Frontflügel der Schlüssel."

Der Punkt, den Horner schon nach dem Rennen in Zandvoort ansprach, ist den Flügeln aber nicht auf den ersten Blick anzusehen: Es geht um die Flexibilität der Teile. Red Bull vermutet, dass sich die Flügel der Konkurrenz gewollt und kontrolliert verbiegen. Dadurch hätte man sowohl in schnellen als auch in langsamen Kurven die richtige Balance. Für Red Bull hingegen gleicht die Balance der Quadratur des Kreises. Sobald man eine Sache verbessert, verschlechtert man die andere.

Red Bull macht Druck, FIA reagiert mit Kameras

Weil Red Bull hinter den Kulissen schon länger politisch Druck macht, führte die FIA in Spa Spezial-Kameras gegen Frontflügel-Trickserei ein. Die Kameras kommen aber nur am Trainingsfreitag zum Einsatz. Sie sind statt der normalen TV-Kameras an der Nase befestigt und filmen den Frontflügel. Dafür müssen von den Teams auch spezielle Referenzpunkte an den Flügeln angebracht werden.

Die FIA stellte aber schon vor der Einführung der Kameras klar, dass man die Regeln 2024 nicht ändern will. Belastungstests für die Frontflügeldeformation gibt es ohnehin im Reglement, bislang wurden alle Tests von allen Teams bestanden. Mit den Kameras wolle man lediglich Daten sammeln und die Regeln gegebenenfalls in der nächsten Saison verschärfen.

Weil die FIA nicht alle Teams an einem Trainingstag überwacht, kommen die Kameras an jedem Wochenende bei anderen Teams zum Einsatz. Nach Spa und Zandvoort hatte man in Monza erstmals Bilder von allen Autos gesichert. Bei der FIA bleibt man aber dabei und sieht in der Formel-1-Saison 2024 keinen Handlungsbedarf.

Das kann Red-Bull-Teamchef Christian Horner nicht verstehen: "Die Regeln sind klar und es ist ein FIA-Problem. Sie bestehen die Tests, aber dann muss man sich auch den Wortlaut des Reglements ansehen." Denn das Reglement schreibt nicht nur bestimmte Belastungstests vor, sondern sagt auch, dass sich aerodynamische Elemente nicht bewegen dürfen.

Red Bull: Wir wurden 2021 eingebremst

"Man muss nur zurück ins Jahr 2021 zurückgehen, als unsere Flügel die Tests bestanden haben und es trotzdem Regeländerungen gab", kritisiert Horner. "Auch wenn unsere Flügel die Tests bestanden haben, so haben sie dennoch die Elastizität ausgenutzt."

Ferrari-Teamchef Fred Vasseur wollte sich nicht zu Äußerungen hinreißen lassen. "Diese Diskussionen führen wir nicht in der Öffentlichkeit, sondern mit der FIA und Nikolas Tombazis." Horner hingegen will den Automobilweltverband unter Druck setzen: "Es ist ein FIA-Problem, deshalb lassen wir es bei ihnen. Wir vertrauen ihnen."

Die Hoffnung, dass die Konkurrenz dadurch eingebremst wird, dürfte aber ziemlich gering sein. Muss Red Bull nun beim Frontflügel nachziehen? "Wenn es akzeptiert wird, dann muss man es auch machen", meint Horner.