Nichts weniger als die Weltmeisterschaft soll es sein, und Porsche hat erneut einen wichtigen Schritt Richtung Titelgewinn in der Langstrecken-WM unternommen. Beim 6-Stunden-Rennen von Sao Paulo, dem ersten WEC-Lauf nach den aus Sicht von Porsche enttäuschenden 24 Stunden von Le Mans, landeten die Zuffenhausener das nächste Doppel-Podium. Vorausgegangen waren ein Dreifach-Sieg in Katar, ein Doppel-Podest in Imola und ein Doppel-Sieg in Spa-Francorchamps.
Andre Lotterer, Kevin Estre und Laurens Vanthoor führten den #6 Penske-Porsche 963 in Interlagos zum zweiten Platz, direkt dahinter landete das #5 Schwester-Auto mit Fred Makowiecki/Matt Campbell/Michael Christensen auf P3. Gegen den dominanten #8 Toyota mit mehr als einer Minute Vorsprung beim Zieleinlauf nach 236 Runden war kein Kraut gewachsen, der doppelte Podest-Erfolg bedeutete das absolute Maximum in Interlagos.
Lotterer/Estre/Vanthoor nach frühem Rückschlag aufs Sao-Paulo-Podest
Dass Lotterer/Estre/Vanthoor bis auf den zweiten Platz nach vorne stürmten, hatte sich in der Anfangsphase des Rennens nicht abgezeichnet. Die #6 musste nach einer Kollision zwischen Vanthoor und Markenkollege Will Stevens (#12 Jota-Porsche) wegen eines Reifenschadens schon in Runde 27 einen ungeplanten Boxenstopp einlegen. Das warf das Trio aus der üblichen Boxenstopp-Sequenz, die in Sao Paulo aus rund 42 Runden pro Stint bestand.
Trotzdem gelang es Vanthoors Teamkollegen, Lotterer und Schlussfahrer Estre, das Rennen mit nur fünf Boxenstopps zu beenden - genauso viele wie der Drittplatzierte Schwester-Porsche und der Sieger-Toyota.
Eine kluge Spritspar-Strategie und Boxenstopps zum rechten Zeitpunkt führten schließlich zum Erfolg, wie der dreifache Le-Mans-Sieger Lotterer erklärte: "Es hatte nicht gut begonnen mit der Kollision. Wir haben aber nicht aufgegeben, und uns auf den richtigen Reifen zurückgekämpft. Dann kam eine Full Course Yellow, die alles wieder in Reihe gebracht hat. Unser Timing beim Boxenstopp war da perfekt."
Toyota zieht Medium-Strategie in Brasilien gnadenlos durch
Während die Konkurrenz von Toyota durchgängig auf Medium-Reifenmischungen von Michelin setzte und damit für sich die perfekte Taktik auf dem heißen Asphalt gefunden hatte, setzte Porsche schon beim Start auf eine Split-Strategie: Der von Platz drei gestartete #5 Porsche ging auf Medium-Mischungen ins Rennen, während die #6 von P6 mit Hart-Mischungen losgeschickt wurde.
In der WEC ist der rot flankierte Hart-Reifen für trockene Bedingungen über 25 Grad und einen erhöhten Verschleiß vorgesehen, der Medium gilt mehr als Allrounder. Am Sonntag fanden die Teams die höchsten Streckentemperaturen des Wochenendes mit bis zu 34 Grad vor, während es in den teilweise feuchten Trainings und dem Qualifying deutlich kälter gewesen war. Die Reifen-Strategie basierte demnach zu einem gehörigen Anteil auf Simulationswerten auf dem Kurs, auf dem die WEC erstmals seit 2014 gastierte.
Nur Toyota war auf dem aggressiven Asphalt von Sao Paulo in der Lage, komplett mit Mediums zu fahren und auch den wegen des verknappten Reifenkontingents (18 Reifen für Qualifying und Rennen) nötigen Doppelstint auf dieser Mischung zu bestreiten. Auch bei Porsche zeigte man sich zufrieden. "Bei den veränderten Bedingungen stand heute die Reifenstrategie im Fokus", erklärte Porsches LMDh-Werksleiter Urs Kuratle. "Unser Werksteam hat seine Stärken bei der Strategie voll ausgespielt und alles richtig gemacht."

So kamen Lotterer/Estre/Vanthoor vor dem Schwester-Porsche ins Ziel
Dass Lotterer/Estre/Vanthoor trotz des frühen Zwangs-Boxenstopps beim Zieleinlauf etwas überraschend vor Campbell/Christensen/Makowiecki lagen, hatte einen Grund: Michael Christensen erhielt vor seinem vierten und damit vorletzten Boxenstopp eine Ansage der Rennleitung, dass ein Teil des Heckflügels getauscht werden müsse. Vorangegangen war ein Kontakt mit einem GT3-Auto an der rechten Heckpartie, der in der Übertragung allerdings nicht gezeigt wurde.
Die #5-Boxen-Crew tauschte den kompletten Heckflügel während des Reifenwechsels, was insgesamt 1:34 Minuten dauerte - rund 14 Sekunden länger als die Dauer des #6-Boxenstopps. Am Rennende trennten die beiden Porsche 7,1 Sekunden.
Die bessere Platzierung des #6 963 dürfte Porsche nicht ungelegen gekommen sein: Lotterer/Estre/Vanthoor reisen als WM-Spitzenreiter aus Sao Paulo zum nächsten Rennen nach Austin (01. September). Das Trio konnte seinen Vorsprung in der Fahrertabelle um 10 Punkte vergrößern, weil ihre nächsten Verfolger - die Le-Mans-Sieger Antonio Fuoco/Miguel Molina/Nicklas Nielsen im #50 Ferrari - nicht über Platz sechs hinauskamen.
Porsche führt sämtliche WEC-Wertungen an
Lotterer/Estre/Vanthoor führen die Gesamtwertung nach fünf von acht Saisonrennen mit 117 Punkten an, die #50 Ferrari-Crew hat 98 Zähler auf dem Konto. Kamui Kobayashi und Nyck de Vries aus dem #7 Toyota (Platz vier in Sao Paulo nach Technikproblemen) können sich mit 95 WM-Punkten ebenfalls Chancen auf den Titelgewinn ausrechnen. Teamkollege Mike Conway verpasste Le Mans verletzungsbedingt, weshalb ihm die 36 Zähler für den zweiten Platz fehlen.
Porsche führt auch die Hersteller-Wertung an, das deutsche Werksteam liegt mit 126 Punkten vor Toyota (122) und Ferrari (109) an der Spitze. Ferrari verlor die zweite Position nach einem schwierigen Brasilien-Wochenende an die Japaner. Im mit vier Autos besetzten WEC-Weltcup für Kundenteams liegt mit der #12 von Jota ebenfalls ein Porsche in Führung. Obendrein dominiert Manthey-Porsche das Geschehen in der LMGT3-Klasse. "Ein Mega-Ergebnis für uns", so Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach. "Toyota konnten wir heute nicht packen. Demnach sind wir mit dem Ergebnis äußerst zufrieden."
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