Mit dem erhofften Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans wurde es nichts, dafür soll jetzt der Weltmeister-Titel in der WEC her: Für Penske-Porsche steht drei Wochen nach dem Frankreich-Klassiker der fünfte Saisonlauf der Langstrecken-WM in Sao Paulo (12.-14. Juli 2024) bevor.
Der verpasste 20. Gesamtsieg in Le Mans hat das deutsche Werksteam geschmerzt. Klar, schließlich war alles angerichtet für die große Party: Porsche war nach starken WEC-Auftritten als Favorit zum Circuit de la Sarthe gereist, hatte extra ein drittes Werksauto aus der IMSA über den Teich transportiert und fast die komplette Vorstandsetage um CEO Oliver Blume und sogar Wolfgang Porsche eingeladen.
Porsche jagt dem 20. Le-Mans-Sieg weiter hinterher
Der Traum von Teampartner Roger Penske, endlich das legendäre 24-Stunden-Rennen zu gewinnen, sollte sich jedoch nicht erfüllen. Im verregneten Rennen, in dem der Schlüssel zum Sieg darin bestand, bei der Strategie weniger Fehler als die Konkurrenz zu machen, konnten die Porsche die Pace der späteren Sieger von Ferrari sowie Toyota am Ende nicht mitgehen. Nur bei komplett nassen Bedingungen waren die 963-Prototypen in der Lage, anzugreifen und zu überholen.
Dem beim Zieleinlauf Viertplatziertem #6 Polesetter-Porsche mit Andre Lotterer, Kevin Estre und Laurens Vanthoor fehlten lächerliche 1,167 Sekunden auf den dritten Podestplatz. Das Schwesterauto mit der Startnummer #5 (Campbell/Christensen/Makowiecki) landete nach Problemen in der Nacht auf Rang sechs, der IMSA-Porsche (Nasr/Jaminet/Tandy) schied nach einem Abflug von Ex-Formel-1-Fahrer Nasr vorzeitig aus. So stand der erfolgreichste Hersteller der Le-Mans-Geschichte wie im Vorjahr mit leeren Händen da, wenngleich eine deutliche Performance-Steigerung zu erkennen war.
Porsche-Motorsportchef: "Gründliche Analyse nach Enttäuschung von Le Mans"
Angesichts der enormen Erwartungshaltung, die vor dem Rennen an jeder Ecke im Porsche-Lager spürbar war, kann der Ausgang der 24 Stunden von Le Mans trotz des vierten Platzes nur als Enttäuschung bezeichnet werden. Bevor 2025 der nächste Angriff erfolgt, steht den Weissachern noch die 'Kür' ins Haus: Sieg in der Fahrer- und Markenwertung der WEC.
"Nach der Enttäuschung von Le Mans haben wir eine gründliche Analyse betrieben", sagte Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach. "Ab sofort müssen wir wieder das volle Potenzial unseres Autos ausschöpfen und ähnliche Ergebnisse einfahren, wie sie uns in den ersten drei Rennen des Jahres gelungen sind. Unser Ziel ist klar: Wir wollen Weltmeister werden. Dafür müssen wir in Brasilien möglichst maximal punkten."
WEC: Porsche führt in der Fahrer- und Markenwertung
Die Vorzeichen stehen gut vor der Rückkehr nach Sao Paulo, wo die WEC zuletzt im Jahr 2014 gastierte und Porsche mit dem 919-Hybrid-LMP1 seinen ersten von vielen Siegen und drei Le-Mans-Triumphen errang. Lotterer, Estre und Vanthoor führen die Fahrer-WM mit 99 Punkten vor Ferraris Le-Mans-Siegern Antonio Fuoco/Nicklas Nielsen/Miguel Molina (90 Punkte) an. In Schlagdistanz liegen ansonsten nur noch die Toyota-Piloten Kamui Kobayashi und Nyck de Vries (je 82 Punkte), die in Le Mans auf ihren verletzten Teamkollegen Mike Conway verzichten mussten. Der Brite kehrt nach seinem Fahrradunfall zurück ins Cockpit.
Ähnliches Bild in der Hersteller-Wertung: Porsche rangiert mit 108 Punkten an der Spitze, nur Ferrari (99 Punkte) und Toyota (96) liegen noch in Reichweite. Der Rückstand von Alpine auf Platz vier beträgt bereits 85 Zähler. Wie prestigeträchtig dieser Titelgewinn ist, zeigt Ferrari: Die Italiener bringen das erste Technik-Update für ihren 499P mit nach Sao Paulo.

Andre Lotterer und Neel Jani haben schon in Sao Paulo gewonnen
Keines der 19 Hypercar-Teams konnte im Vorfeld des 6-Stunden-Rennens auf dem berühmten Formel-1-Kurs testen, die Vorbereitung fand ausschließlich virtuell statt. Ein Großteil des Starterfeldes kennt die Strecke nicht oder nur aus anderen Kategorien. Vorteil Andre Lotterer? Der dreifache Le-Mans-Sieger gewann 2013 mit Audi in Sao Paulo, bevor er später zu Porsche wechselte. "Ich möchte gern noch einmal dort gewinnen - am liebsten am kommenden Wochenende", sagte Lotterer. "Wir wollen einen weiteren Schritt in Richtung Titel machen."
Fun Fact aus dem Porsche-Lager: Neel Jani, heute Fahrer des #99 Kunden-Porsche 963 von Proton Competition, war 2014 Teil der siegreichen Porsche-Werksmannschaft. Zusammen mit dem heutigen Porsche-Teamleiter Sportkommunikation Marc Lieb und Romain Dumas feierte der Schweizer vor zehn Jahren den ersten WEC-Sieg des 919 Hybrid. Der frühere Formel-1-Weltmeister Jenson Button, inzwischen im #38 Jota-Porsche unterwegs, erzielte in Sao Paulo 2000 seine ersten F1-Punkte und holte 2012 an gleicher Stelle den letzten seiner 15 Grand-Prix-Siege.
Urs Kuratle, Leiter Werksmotorsport LMDh: "Alle Teams und Hersteller der FIA WEC betreten mit ihren Fahrzeugen unbekanntes Terrain. Wir können beispielsweise bezüglich Reifenverschleiß auf keine aktuellen Daten zurückgreifen. Entsprechend wichtig ist es, dass wir in den Freien Trainings viele Erkenntnisse gewinnen und diese schnell zur Optimierung des Setups nutzen. Die Strecke bietet von allem etwas: schnelle Passagen, enge Abschnitte sowie Steigungen und Gefälle. Ich gehe fest davon aus, dass wir um den Sieg mitkämpfen werden."
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