Mister DTM wird 60 Jahre alt. Die lebende Motorsport-Legende Bernd Schneider feiert am heutigen Samstag, 20. Juli 2024 ihren runden Geburtstag. Der DTM-Rekordmeister blickt auf eine unvergleichliche Karriere in der Tourenwagenserie zurück und zählt zweifelsohne zu den erfolgreichsten Rennfahrern der deutschen Motorsportgeschichte. Wie pfeilschnell Schneider noch heute unterwegs ist, durften wir 2022 bei einer Taxifahrt im Mercedes-AMG GT3 auf dem Norisring erleben.
Denkt man an DTM, denkt man an Bernd Schneider. Der gebürtige Saarländer drückte der Traditionsserie, die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiert, wie kein anderer seinen Stempel auf. Die Statistiken - Ex-Mercedes-Motorsportchef und Schneider-Förderer Norbert Haug lässt grüßen - sprechen Bände: Er hat die meisten DTM/ITC-Starts (236), Siege (43), Podestplätze (104), Pole Positions (25) sowie schnellsten Rennrunden (60) aller Fahrer auf dem Konto. Außerdem ist Schneider neben Timo Scheider noch immer der einzige Fahrer, der seinen DTM-Titel verteidigen konnte.

Fünf DTM-Meisterschaften: Die Ära Bernd Schneider
Den Großteil dieser Meilensteine und alle fünf DTM-Titelgewinne 1995, 2000, 2001, 2003 und 2006 errang Schneider in Rennwagen von Mercedes. Der heutige AMG-Markenbotschafter prägte eine Ära im Tourenwagen, blickt aber auch auf zahllose weitere Erfolge zurück.
Dazu zählen der Titelgewinn in der deutschen Formel-3-Meisterschaft 1987, der Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Spa 1989 mit Ford oder die FIA-GT-Weltmeisterschaft 1997 mit dem brachialen Mercedes-Benz CLK GTR. Nur in seinen Formel-1-Jahren mit Zakspeed und Arrows (1988-1990) wollte sich der Erfolg nicht so recht einstellen.

DTM-Karriere vorbei, aber: Bernd Schneider räumt weiter ab
2013, fünf Jahre nach dem eigentlichen Ende seiner aktiven Karriere, wuchs Schneider noch einmal über sich hinaus und schaffte Historisches: In jenem Jahr gewann er auf dem eigens mitentwickelten Mercedes-Benz SLS AMG GT3 die 24-Stunden-Rennen in Dubai, auf dem Nürburgring und in Spa-Francorchamps sowie die 12h-Rennen in Bathurst und Abu Dhabi.
"Nur das 12-Stunden-Rennen von Malaysia haben wir damals nicht gewonnen, weil der Öl-Lieferant uns ein zu dünnes Öl geliefert hat", lacht Schneider im Geburtstags-Interview mit Motorsport-Magazin.com, das ihr weiter unten in diesem Artikel lesen könnt. "Da hatten wir einen Motorschaden. Ansonsten hätten wir das Rennen auch noch gewonnen."
Fast schon unglaublich: 2016 - genau 30 Jahre nach seinem ersten DTM-Rennen im Ford Sierra XR4 Ti - feierte Schneider mit dem brandneuen Mercedes-AMG GT3 einen weiteren Gesamtsieg bei den 24h Nürburgring. Mehr als 40 Jahre lang kämpfte der Vater von drei Kindern auf den Rennstrecken dieser Welt um Siege und Meisterschaften. Bis heute hat Schneider die Liebe für das Automobil nicht losgelassen.

Bernd Schneider und Mercedes-AMG: Einfach unzertrennlich
2007 schloss er sich Mercedes-AMG als Markenbotschafter an - einen passenderen Vertreter für die Marke mit dem Stern kann man sich kaum vorstellen. Schneider war nicht nur in die Entwicklung von performanten Serienfahrzeugen eingebunden, sondern trug auch maßgeblich zur Gründung des erfolgreichen Kundensportprogrammes im Jahr 2010 bei.
Wenn der Wahl-Schweizer nicht gerade an der Rennstrecke anzutreffen ist, wo er noch heute zu den begehrtesten Selfie- und Autogramm-Gebern zählt, oder die Fans mittels seiner Instagram-Seite virtuell mitnimmt, entwickelt er weiter emsig die unterschiedlichen AMG-Rennwagen. Dazu zählen neben den GT3-Derivaten auch die Modelle aus der GT4- und GT2-Palette. Als 'Lautsprecher' war Schneider nie in der Motorsport-Szene bekannt - den Ton gab er lieber auf der Rennstrecke an.

Bernd, kannst du dich noch an dein erstes DTM-Rennen im Jahr 1986 in Zolder auf einem Ford von Grab Motorsport erinnern?
Bernd Schneider: Um ganz ehrlich zu sein, habe ich keine genauen Erinnerungen an dieses Rennen. Was aber wahrscheinlich nicht so viele wissen: Mein erstes Rennen in einem Tourenwagen bin ich schon 1985 gefahren, bei einem Lauf zur Europameisterschaft in Jerez zusammen mit Walter Mertes. Der Wally erzählt heute noch, dass er schneller war als ich! Wir fuhren damals auf einem Ford Sierra XR4 Ti, einem schwierig zu beherrschenden Auto. Ich hatte mich zu der Zeit ja auf meine Formelsport-Karriere konzentriert und dachte, ich wäre schon der große Rennfahrer - aber der Wally war schon richtig schnell. Ich bin weit über meinen Verhältnissen gefahren, um überhaupt an seine Zeiten ranzukommen. Da war mir eigentlich klar, dass Tourenwagen nicht meine Zukunft sein können.

Es sollte bekanntermaßen etwas anders kommen... Und wie sind deine Erinnerungen an dein letztes DTM-Rennen 2008 beim Saisonfinale auf dem Hockenheimring?
Bernd Schneider: Ich kann mich noch gut daran erinnern. Ich war total enttäuscht, weil ich dachte, dass ich weiter vorne und vielleicht um den Sieg fahren könnte. Aber die Konkurrenz war stark, und ich hatte schon viele andere Verpflichtungen bei AMG, wie die Entwicklung des SLS-Straßenwagens, sodass ich nicht mehr ganz so fokussiert war. Enttäuscht war ich von den Ergebnissen, aber es war sehr emotional, weil die Fans auf der Mercedes-Tribüne Schilder mit meinem Namen hochgehalten haben. Der damalige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug hatte das koordiniert.
Norbert Haug war in all den Jahren bei Mercedes ein enger Begleiter an deiner Seite, oder?
Bernd Schneider: Norbert kannte ich schon aus seiner Zeit bei Sport Auto, als er dort den Nachwuchswettbewerb organisiert hatte. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft. Norbert wollte mich immer von den Rennen der Gruppe C wegholen. Nicht unbedingt, weil er dachte, dass ich eher das Team in der DTM verstärken würde, sondern mehr, weil er Angst um mein Leben hatte! Er hatte ja gesehen, was mit Manfred Winkelhock, Stefan Bellof oder Jo Gartner passiert ist. Damals habe ich das etwas lockerer gesehen, aber rückblickend hatte er zu 100 Prozent Recht. Ich war noch jung und habe nicht so viel darüber nachgedacht. Letztendlich hat mich Norbert zu meinem Glück gezwungen.

Betrachtest du deinen DTM-Rücktritt Ende 2008 im Alter von 44 Jahren rückblickend als die richtige Entscheidung?
Bernd Schneider: Ja. Ich hätte eigentlich länger fahren können, wenn man schaut, was danach noch für Erfolge mit dem SLS AMG GT3 kamen und wie motiviert ich war. Aber nach meiner Scheidung und dem ganzen Druck auf meinen Schultern, hatte ich einige Zukunftsängste. Wie würde es weitergehen nach der DTM? Als dann das Angebot von AMG kam, die Entwicklung für den SLS-Straßenwagen zu übernehmen, war das für mich eine Erlösung. Ich war noch nie so glücklich, eine Perspektive zu haben. Das hat mir die ganze Last von den Schultern genommen und ich konnte den sportlichen Druck loslassen. Die Arbeit mit AMG hat von Beginn an unglaublich viel Spaß gemacht, obwohl es ganz anders war als Motorsport. Aber jeder im Team hatte das gleiche Ziel, trotz der damaligen Finanzkrise: Wir wollten etwas Außergewöhnliches erreichen, was uns mit dem SLS auch gelungen ist.
Hast du damals schon mit dem Gedanken gespielt, nach deiner DTM-Karriere noch einmal Rennen zu fahren?
Bernd Schneider: 2008 hatte ich mich schon verabschiedet und dachte, dass ich den Helm an den Nagel hänge. Ich hätte nicht gedacht, überhaupt noch mal Rennen zu fahren. Ich war ja bei AMG unter Vertrag und wir hatten nichts außer der DTM. Deshalb war für mich klar, dass meine Karriere zu Ende ist. Dann kam der SLS-Straßenwagen und 2010 saß ich mit Thomas Jäger und Uli Fritz zusammen. Wir sagten: "Jetzt haben wir so ein geiles Auto. Warum machen wir keinen Kundensport?" Die GT3-Klasse war zu der Zeit gerade im Kommen. Dann haben wir das AMG-Chef Volker Mornhinweg vorgeschlagen. Er war sofort begeistert, aber es war alles nicht so einfach und ging eine Weile hin und her. Plötzlich stand dann da ein GT3-Auto. Der SLS von Gerhard Unger war eine unglaublich gute Basis, sonst hätten wir das niemals machen dürfen. Das GT3-Auto war in drei Monaten fertig, das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Durch die Entwicklungsfahrten war ich unheimlich schnell im Auto und hatte all die Erfahrung. Thomas und ich haben uns dann bei den Kundenteams eingebracht, nicht nur als Fahrer, sondern auch bei der Ausbildung von Ingenieuren. Das war der perfekte Einstieg.

Und plötzlich hast du wieder im Rennauto gesessen...
Bernd Schneider: Ja, auf diesem Wege bin ich wieder reingerutscht in die Rennerei. Und weil ich 2013 so erfolgreich war mit dem SLS AMG GT3, haben alle Kundenteams gefragt, ob ich für sie fahren würde. Dann habe ich aber zu Uli Fritz gesagt: "Ich fahre nicht mehr, weil ich dann den jungen Fahrern den Platz wegnehme." Ich bin dann noch ein paar Rennen gefahren als Pro zusammen mit Amateuren oder Leuten, die ich kannte. Aber wir wollten vor allem die jungen Piloten wie Dominik Baumann oder Maxi Buhk fördern.
Deine Saison 2013 verlief unglaublich erfolgreich. Lass uns noch mal zurückblicken.
Bernd Schneider: 2013 habe ich drei 24-Stunden-Rennen gewonnen: Dubai, Nürburgring, Spa. Dazu die 12 Stunden von Bathurst und Abu Dhabi sowie das 1.000-km-Rennen am Nürburgring. Nur das 12-Stunden-Rennen in Malaysia haben wir nicht gewonnen, weil der Öllieferant uns ein zu dünnes Öl geliefert hatte, wodurch wir einen Motorschaden hatten. Ansonsten hätten wir das Rennen auch noch gewonnen. Nachdem ich alles gewonnen hatte, dachte ich: "Ich darf jetzt gar nicht weitermachen, weil: was soll da noch kommen?!" Was ich in dem Jahr gewonnen habe, gewinnt ein anderer Rennfahrer in seinem ganzen Leben. Das war unfassbar. Aber als Sean Edwards im Oktober 2013 gestorben ist, hat mich das schwer getroffen. Mit Sean hatte ich zuvor die Rennen in Dubai und am Nürburgring gewonnen. Wir wollten auch im Dezember in Abu Dhabi zusammen an den Start gehen, aber vorher verunglückte er. Danach wollte ich eigentlich gar keine Rennen mehr fahren.

Wann bist du dein letztes Rennen gefahren?
Bernd Schneider: Vorletztes Jahr in Mugello bin ich Dritter geworden beim 12-Stunden-Rennen der Creventic-Serie. Ich bin mit Alexander Hrachowina und Martin Konrad in der AM-Klasse gefahren. Wir wurden Gesamtdritte und haben die Klasse gewonnen. Das war richtig geil! Ich kann mir vorstellen, auch in Zukunft wieder ins Cockpit zu klettern, wenn es etwas gibt, woran ich Spaß habe. Vielleicht fahre ich im Winter in Asien, mal schauen. Ich werde jetzt 60 und bin dann ja Bronze-Fahrer.
Glaubst du, dass du in der heutigen GT3-DTM noch mithalten könntest?
Bernd Schneider: Das kommt auf die Vorbereitung an. Ich bin überzeugt, dass ich immer noch schnell bin. Problematisch ist, dass die DTM in dem Sinne kein Kundensport ist. Es fahren ja lauter Werksautos. Der Unterschied zwischen der DTM und all den anderen Meisterschaften ist das Qualifying. Die Reifen dürfen nicht vorgeheizt werden und bei der Dichte muss man aus den Top-5 starten, um ein DTM-Rennen zu gewinnen. Das wäre mein größtes Problem, mich da reinzuarbeiten: wie bekomme ich die Reifen auf Temperatur? Wie fährt man die Bremse an? Wann fange ich an zu pushen? Das ist ein Prozess, den man nicht von heute auf morgen lernt. Jungs wie Maro Engel, Luca Stolz oder Lucas Auer fahren pro Jahr mehr als 30 Rennen. Was soll man dann realistisch erwarten, wenn man selbst nur ein Rennen fahren würde? Wenn wir Rennen fahren - und es geht nur ums Rennen - glaube ich, dass ich relativ schnell wieder nah dran bin. Aber das Qualifying, da würde ich mir schon verdammt schwer tun. Und dann stellt sich die Frage, ob es das wert wäre, so viel Zeit zu opfern, nur um herauszufinden, ob man das noch kann.

In der Motorsportszene kennt dich natürlich jeder. Aber wie wirst abseits der Rennstrecke wahrgenommen?
Bernd Schneider: Seit ich bei AMG bin, bin ich weltweit unterwegs. Ich war in Taiwan auf der Rennstrecke und dann kommt einer mit seinem 190er Mercedes angefahren, steigt aus, gibt mir die Hand und verbeugt sich. "Du bist eine lebende Legende", sagt der Kerl. Und das in Taiwan! Der hat dann seine ganzen Kumpels angerufen und gesagt: "Bernd Schneider ist da." Das Gleiche habe ich in Australien oder Japan erlebt, wo Leute Fotos mit mir machen wollen. Das ist schon unfassbar, was die DTM über Deutschland hinaus für einen Bekanntheitsgrad hat. Vor allem in den Märkten, wo wir als AMG stark sind. Unfassbar, wie die Leute auf einen zukommen und das wertschätzen. Das ist manchmal mehr als es in Deutschland der Fall ist. Das macht einen stolz, dass man sowas erreicht hat.
Viele fragen sich: Was macht Bernd Schneider heute?
Bernd Schneider: Meine Markenbotschafter-Tätigkeit hat sich sehr gewandelt. Seit ich 2007 den Vertrag bei AMG unterschrieben habe, habe ich den SLS entwickelt, war bei der Driving Academy, und habe den Kundensport mit dem SLS AMG GT3 auf die Beine gestellt. Ich war wirklich viel unterwegs. Ich habe viele Presse-Fahrveranstaltungen gemacht, vor allem für die Black Series. Heute mache ich ein bisschen was in der DTM, aber auch viel fürs Mercedes-Museum. Dieses Jahr war ich in Goodwood und auch beim Solitude Revival. Meine Tätigkeiten ändern sich immer mal wieder.
Welche Wünsche hast du zu deinem 60. Geburtstag und für die Zukunft?
Bernd Schneider: Eigentlich will ich nur, dass meine Familie und ich gesund bleiben. Alles Weitere haben wir selbst in der Hand.
Wenn du noch mehr über die Karriere von Bernd Schneider erfahren möchtest, legen wir dir die dreiteilige Podcast-Serie von 'Alte Schule' mit Mister DTM ans Herz
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