Es waren kuriose Szenen beim letzten MotoGP-Rennen in Assen. Die Fahrer der Kampfgruppe um Platz Drei ließen sich teilweise freiwillig gegenseitig durch. Es ging darum, den Reifendruck beim Hinterherfahren zu erhöhen und so einer Strafe zu entgehen. Marc Marquez wurde am Ende trotzdem bestraft, da er in der entscheidenden Runde im Zweikampf in die Auslaufzone abgedrängt wurde. Nicht nur er selbst, sondern auch seine Konkurrenten verzweifeln langsam an der Regel.
MotoGP-Ingenieure sind nicht Nostradamus: Richtiger Druck kaum vorherzusehen
"Wir haben diese Reifendruckregel und sie ist eng mit der Temperatur verbunden. Wir haben große Temperaturschwankungen, wenn wir hinter anderen Fahrern herfahren", erklärt Fabio Di Giannantonio, der bei den Spielchen von Assen mittendrin war vor dem Rennen am Sachsenring. "Wir werden noch eine Menge Episoden davon sehen. Es ist eigentlich merkwürdig, dass wir das zuvor nicht gesehen haben. Das wird Teil des Rennfahrens sein", lautet die wenig optimistische Prognose des Italieners, der wahrscheinlich vor einem Wechsel zu Pramac steht.
Einen sehr guten Einblick, wie verzwickt die Lage ist, konnte Jack Miller geben. "Als ich bspw. in Valencia [2023] in Führung liegend stürzte, war das, weil der Reifen in frischer Luft auskühlte. Der Reifendruck ist ein ungewisser Faktor, mit dem die Jungs hier umgehen müssen", gibt der Australier an. Noch klarer wird es beim KTM-internen Vergleich des letzten Sprints: "Am Samstag [in Assen] starteten drei KTMs mit dem gleichen Druck und beendeten das Rennen mit sehr unterschiedlichen Drücken. Brad [Binder] lag sehr hoch, ich war so in der Mitte und bei Pedro [Acosta] war es niedrig."
Das Fazit Millers ist daher ebenfalls ernüchternd: "Es ist sicherlich sehr merkwürdig. Da gibt es so viele Variablen. Die Ingenieure versuchen ihr Bestes, um dem ganzen nahezukommen. Aber keiner ist Nostradamus und kann die Zukunft vorhersagen." Ergibt sich eine Rennsituation, die nicht erwartet wurde, so stehen satte Zeitstrafen ins Haus. Marquez bekam in Assen 16 Sekunden aufgebrummt und fiel von Rang 4 auf Rang 10. Gehen die Fahrer mit dem Druck auf Nummer sicher, so steigt aber das Sturzrisiko über die Front. Es ist eine Zwickmühle ohne klaren Ausweg.
Bastianini stimmt Marquez zu: Regel ist einfach nicht richtig!
Nicht umsonst kamen daher die Spielchen in Assen auf und wenig überraschend wird wieder diskutiert und eine Regelanpassung gefordert. Enea Bastianini hatte Marquez in einem harten, aber nicht unüblichen, Zweikampf weitgeschickt und damit für dessen Strafe gesorgt. Marquez will Runden mit solchen Vorfällen nicht in die Reifendruckstatistik eingehen lassen. Damit trifft er sogar bei seinem italienischen Gegner, dessen Platz bei Ducati er einnehmen wird, auf offene Ohren: "Ich stimme dem zu. Der Reifendruck ist jedes Mal ein Fragezeichen. Manchmal ist es einfach nicht möglich. Da verlierst du Zeit, damit du hinter einem anderen Fahrer bleiben kannst. Das ist einfach nicht richtig."
Außerdem können diese Durchwinkespielchen auch für Verwirrung oder sogar Gefahrensituationen sorgen. Es hätte ja auch vermutet werden können, dass die langsam machenden Fahrer ein technisches Problem oder ähnliches hatten und deswegen aus dem Weg fuhren. Bastianini gibt zu, dass er im ersten Moment nicht durchblickte: "Ich hatte es nicht verstanden. In dieser Runde habe ich auch einen Regentropfen auf dem Helm gespürt und dachte vielleicht, dass es das war. Aber nicht, dass der Reifendruck bei ihm zu niedrig war. Das habe ich in diesem Moment nicht begriffen." So wie fast die Gesamtheit des MotoGP-Paddocks diese Regel nicht versteht. Klar ist nur: Sie wird weiter für Diskussionen sorgen.
diese MotoGP Nachricht