Gerade einmal 13 Runden ist Jorge Martin im Jahr 2025 mit seiner MotoGP-Aprilia gefahren. Dann verletzte er sich direkt am ersten Testtag in Sepang. Vor dem geplanten Comeback beim Thailand-GP wollte Martin seine Fitness beim Supermoto-Training checken, stürzte dabei heftig und verletzte sich erneut. Er verpasste daraufhin die zwei bisherigen Rennwochenenden in dieser Saison und wird auch in Austin nicht starten. Sein erstes Grand-Prix-Event 2025 wird er somit frühestens beim Katar-GP von 11. bis 13. April erleben.

Jorge Martin: Fünf Monate fast ohne MotoGP

Sein letzter voller Tag auf einem MotoGP-Bike - der Dienstagstest nach dem Saisonfinale in Barcelona am 19. November 2024 - würde dann fast fünf Monate zurückliegen. Martin dann direkt in ein Rennwochenende zu schicken, an dem nach dem 45-minütigen FP1 mit dem Training am Freitagnachmittag bereits die erste entscheidende Session ansteht, erscheint seinem Arbeitgeber Aprilia daher als Sicherheitsrisiko.

Kein Austin, kein Katar? Martins MotoGP-Comeback muss warten (07:15 Min.)

Das Problem: Private Testfahrten mit einem MotoGP-Bike im Vorfeld sind dem amtierenden Weltmeister nicht erlaubt. Stammfahrer der Königsklasse dürfen zu Trainingszwecken lediglich Serienmaschinen verwenden, die im Bereich von Bremsen oder Fahrwerk minimal angepasst werden können, so aber nicht ansatzweiße die Belastungen eines MotoGP-Bikes replizieren können. Ihre Einsatzmotorräder dürfen die MotoGP-Stars abseits der Grands Prix lediglich an den offiziellen Testtagen fahren: Am Dienstag nach dem Saisonfinale, dann fünf Testtage nach der Wintertestpause und schließlich noch an drei Montagen nach Rennwochenenden im Laufe des Jahres - 2025 sind das Jerez, Aragon und Misano.

MotoGP-Comebacks oft schnell zu Ende

So müssen verletzte Fahrer vor ihren Comebacks aktuell auf Fitnesstests mit Serienmotorrädern setzen - und dann am Grand-Prix-Wochenende mit den MotoGP-Bikes schnell einsehen, dass es doch noch zu früh für eine Rückkehr ins Renngeschehen ist. Sechs Mal in den vergangenen beiden Saisons mussten zuvor verletzte Fahrer beim Comeback bereits in den Trainingssitzungen aufgeben.

MotoGP-Zoff: Ducati blockiert Jorge Martins Test nach Verletzun (06:46 Min.)

Genau diese Situation will Aprilia für Jorge Martin vermeiden und wünscht sich deshalb eine Änderung des Reglements. Verletzte Fahrer sollen zukünftig die Möglichkeit haben, vor ihrem Comeback einen Privattest auf ihrem MotoGP-Bike bestreiten dürfen. Die Chance, dass diese Anpassung des Regelwerks rechtzeitig für Martin passiert, ist allerdings verschwindend gering. Ausgerechnet sein ehemaliger Arbeitgeber Ducati legt sich quer.

Ducati-Veto: So verwirrend ist das MotoGP-Reglement

Doch wieso kann ein Hersteller wie Ducati eine derartige Regelung überhaupt blockieren? Um das zu erklären, müssen wir tief in das MotoGP-Regelwerk und seine inoffiziellen Eigenheiten eintauchen. Eigentlich werden die 'FIM Grand Prix World Championship Regulations' vom Motorradweltverband FIM verfasst, wie der Name bereits verrät. Das Regelwerk ist im Wesentlichen in zwei Bereiche unterteilt: Das Sportliche Reglement und das Technische Reglement.

Der sportliche Teil, in dem die in diesem Fall relevanten Regelungen für Testfahrten festgeschrieben sind, wird in der Praxis tatsächlich von der FIM bestimmt, Promoter Dorna mischt hier ebenfalls mit. Wären sich FIM und Dorna bezüglich einer Privattestregelung für verletzte Fahrer einig, würde eine Änderung kein großes Problem darstellen. Denn diese Änderung müsste nur durch eine einfache Mehrheit in der Grand-Prix-Commission beschlossen werden. Hier sind Dorna, FIM, die Teamvereinigung IRTA sowie der Herstellerbrund MSMA stimmberechtigt. Dorna, FIM und IRTA stimmen hier traditionell identisch ab - das hat sich über mehr als drei Jahrzehnte eingebürgert. Somit wäre unabhängig von der Entscheidung der MSMA die Änderung angenommen.

Technisches oder Sportliches Reglement? Beides!

Nun wird es kompliziert: Denn die im Sportlichen Reglement unter Paragraph 1.15 festgeschriebenen Testbestimmungen sind in Unterpunkt 1.15.1.1.A.h) mit Absatz 2.4.2 des Regelwerks verquickt. Hier werden die Concessions für wenig erfolgreiche Hersteller erläutert und klargestellt, dass nur Fahrer dieser Hersteller - aktuell Yamaha und Honda - das Recht auf Privattests haben. Die Zahl 2 zu Beginn des Paragraphen 2.4.2 bedeutet, dass er im Technischen Reglement der MotoGP appliziert ist. Und in diesem Technischen Reglement gibt der Herstellerbund MSMA den Ton an. Die 'Motorcycle Sports Manufacturers Association', bestehend aus den involvierten Werken Ducati, KTM, Aprilia, Yamaha und Honda hat sich darauf verständigt, über Einstimmigkeit die technischen Rahmenbedingungen der MotoGP festzulegen. Nur wenn sich alle fünf Hersteller einig sind, gibt es also eine Regeländerung. Diese wird dann traditionell in der Grand-Prix-Commission von Dorna, FIM und IRTA durchgewunken. Schafft es Aprilia allerdings nicht, die anderen vier Hersteller von seinem Vorhaben zu überzeugen, kommt es gar nie zur Abstimmung in der Grand-Prix-Commission. Und darauf deutet aufgrund des Ducati-Vetos momentan alles hin.

Formel-1-System als mögliche Lösung für MotoGP

Ist Aprilias Vorhaben also aussichtslos? Nicht unbedingt. Ducati begründet seinen Einspruch damit, dass Privattests zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten bedeuten. Für Hersteller würde sich also ein Schlupfloch im Reglement auftun: Ein Fahrer könnte ohnehin schon voll einsatzfähig sein und das auch genau wissen, über die Verletztenregel aber dennoch zu einem zusätzlichen Testtag für sich und sein Team kommen. Ein Aspekt, der tatsächlich nicht vernachlässigt werden sollte.

Derartige Sorgen könnte man aber relativ einfach aus dem Weg schaffen, wenn ein System etabliert wird, wie man es aus der Formel 1 kennt. Dort unterscheidet das Reglement zwischen aktuellen Autos (Testing of Current Cars, kurz TCC), vorherigen Autos (Testing of Previous Cars, TPC) und historischen Autos (Testing of Historic Cars, THC). Privattests mit der aktuellen Generation - aktuell die Jahrgänge 2024 und 2025 - sind verboten. Die TPC-Jahrgänge 2021, 2022 und 2023 dürfen 1000 Kilometer bewegt werden. Ausnahmeregelungen im geringen Kilometerbereich gibt es bei Promotion- und Demonstrations-Events. Für alle älteren Autos gibt es keine Beschränkungen. So schafft die Formel 1 Testmöglichkeiten, ohne den Fahrern technische Weiterentwicklungen zu ermöglichen. Im Fall von verletzten MotoGP-Piloten wäre das eine ideale Regelung, denn die Belastungen ihrer aktuell Motorräder lassen sich auf zwei Jahre alten Maschinen replizieren.