Rennsimulationen gelten bei Formel-1-Testfahrten häufig als repräsentativste Messgröße für das tatsächliche Kräfteverhältnis. Während es auf eine Runde dank der Spritmenge ein Leichtes ist, die eigene Performance zu verstecken, geht dies bei einer Rennsimulation nicht mehr so einfach. Die ersten echten Simulationen wurden am Donnerstag durchgeführt und ließen das Pendel ganz klar in Richtung McLaren ausschlagen.
Lando Norris war auf seinen Longruns in Bahrain in einer eigenen Liga unterwegs und gab den direkten Konkurrenten bei Ferrari und Mercedes in Form von Charles Leclerc und Andrea Kimi Antonelli im Durchschnitt fast eine halbe Sekunde pro Runde mit. Ein Fingerzeig dafür, dass McLaren in dieser F1-Saison nicht zu schlagen ist?
Andrea Stella warnt nach Norris-Rennsimulation: Bedingungen einzigartig
Teamchef Andrea Stella widerspricht dieser Schlussfolgerung. Der McLaren-Leiter gibt zwar zu, dass die Testfahrten für sein Team gut angelaufen sind, spielte die Bedeutung der ersten Rennsimulation aber herunter: "Unser Longrun verfolgte nur das Ziel, die drei Reifensätze zu testen und auszuprobieren, wie sie sich verhalten."
Stella machte auf die außergewöhnlichen Bedingungen aufmerksam, die bei den Testfahrten herrschen. "Wir testeten Longruns unter Bedingungen, die sehr einzigartig sind. Es ist ein kalter Asphalt und eine kühle Luft-Temperatur", so der Italiener. Die Temperaturen in Sakhir bewegten sich an den ersten zwei von drei Testtagen nur zwischen 13 und 18 Grad. Zwischendurch gab es auf der Wüstenstrecke sogar Regenschauer. Für den Grand Prix im April erwarten die Königsklasse vollkommen andere Temperaturen.
Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die Donnerstags-Rennsimulationen mit Vorsicht zu genießen sind, wie Stella mahnt: "Bahrain selbst ist eine einzigartige Strecke in Bezug auf die Rauheit". Auf keiner Strecke im derzeitigen Formel-1-Kalender ist der Reifenabrieb so ausgeprägt wie auf dem Bahrain International Circuit, deshalb ist Stella gewarnt: "Mit allen Informationen, die wir bekommen, müssen wir vorsichtig umgehen."
"Bei den ersten Rennen der Saison werden die Anforderungen an das Zusammenspiel zwischen Auto und Reifen vollkommen anders sein. Die Anzeichen hier in Bahrain scheinen darauf hinzudeuten, dass das Auto im Moment gut mit den Reifen interagiert, aber in einem sehr besonderen Umfeld", erklärt der Italiener seine Sorgen.
Norris ausgerechnet in Bahrain vorne: Hat McLaren seine Schwachstellen gelöst?
Doch, dass ausgerechnet McLaren in Bahrain von diesen Bedingungen profitiert, erscheint vollkommen konträr zu den Erfahrungen der Vergangenheit. Der traktionslastige Stopp-and-Go-Kurs auf der Insel im Persischen Golf lag dem Papaya-Team seit dem Beginn der Ground-Effect-Ära nicht. Auch kalte Temperaturen, wie wir sie zuletzt beim Las-Vegas-GP 2024 erlebten, waren eine Schwachstelle für die Mannschaft aus Woking.
"Wir haben in den letzten Jahren daran gearbeitet, die Anforderungen zu verbessern, die auf derartigen Strecken mit engen Kurven erforderlich sind, und wir glauben, dass wir einige Fortschritte gemacht haben", hat Stella dafür eine Erklärung parat. "Wir versuchen natürlich gleichzeitig unsere Stärken zu behalten, die wir in den letzten Jahren etwa in den mittelschnellen Kurven entwickelt haben."
Andrea Stella warnt vor Williams: Sainz-Mannschaft unter den Topteams?
Der McLaren-Teamboss bleibt bei seiner Prognose aus der Winterpause, dass es an der Spitze der Formel 1 2025 eng zugehen wird. Nach den ersten beiden Testtagen geht er sogar davon aus, dass zu den vier Topteams, die im Vorjahr den Ton angaben, noch weitere Anwärter dazugekommen sind.
"Wir reden jetzt über die Top 4, aber in diesem Jahr müssen wir vielleicht unseren Sprachgebrauch weiter anpassen und dann vielleicht über die Top 5 oder Top 6 reden. Denn es scheinen einige sehr schnelle Autos da draußen zu sein", spricht Stella. Namentlich nannte er dabei Williams.
Am zweiten Testtag stellte Carlos Sainz überraschend die Bestzeit auf, wobei der Grove-Neuzugang beide Fahrer seines Ex-Teams Ferrari hinter sich lassen konnte. Stella glaubt, dass das keine Eintagsfliege ist: "Williams war im zweiten Sektor sehr stark. Das ist ein Sektor, der nicht nur aus Bremsen und Beschleunigung besteht, sondern auch aus einigen mittelschnellen Kurven. Ich denke also, dass sich Williams in diesem Bereich verbessert haben könnte." In der jüngeren Vergangenheit war das Traditionsteam in erster Linie auf Kursen erfolgreich, die wenig Abtrieb erfordern, das konnte sich nun geändert haben.
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