Es ist nicht nur das am meisten diskutierte, sondern auch das komplizierteste Thema im heutigen GT3-Motorsport: die Balance of Performance. Das Ziel der BoP besteht darin, Fahrzeuge mit verschiedenen Antriebskonzepten und aus unterschiedlichen Generationen auf ein vergleichbares Niveau zu bringen, damit alle Autos miteinander konkurrieren können. So soll beispielsweise ermöglicht werden, dass ein GT-Fahrzeug wie der Ford Mustang mit einem reinrassigen Sportwagen wie dem Ferrari 296 oder einem Mittelmotor-Sportler à la Audi R8 mithalten kann.
Die BoP gilt als notwendiges Übel im GT3-Sport und über sie wird ähnlich gerne debattiert wie über Schiedsrichter-Entscheidungen beim Fußball. Rennserien-Promoter können gut auf die oftmals in der Öffentlichkeit ausgetragenen BoP-Kritiken verzichten, weil sie schnell das sportliche Geschehen überschatten. Außerdem ist das Thema derart komplex, dass es wohl ganze Doktorarbeiten benötigen würde, um die Umstände wirklich im Kern erklären zu können.
Kein BoP-Redeverbot in der DTM: Wollen mündige Fahrer und Teamchefs
In der Langstrecken-Weltmeisterschaft hat es sich der Promoter ACO zusammen mit der FIA leicht gemacht: Seit 2023 sind öffentliche Äußerungen über die Balance of Performance per Sportlichem Reglement verboten. Toyota-Teamdirektor Rob Leupen wurde zuletzt eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro zur Bewährung aufgebrummt, weil er nach Ansicht der Sportkommissare der WEC einen moralischen Schaden zugefügt und die Unparteilichkeit der FIA in Frage gestellt habe.
In der DTM gehören BoP-Diskussionen zum Tagesgeschäft und gerade rund um das Zandvoort-Wochenende waren sie das alles bestimmende Thema. In der deutschen Traditionsserie - und allen weiteren GT3-Meisterschaften - ist es laut Reglement aber nicht verboten, seine Meinung darüber in der Öffentlichkeit zu äußern. Und dabei soll es auch bleiben, sagte Motorsportchef Thomas Voss vom DTM-Promoter ADAC.
"Wir wollen mündige Fahrer und Teamchefs", erklärte Voss auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Das Thema ist nicht immer angenehm, vor allem, wenn man es über die Medien spielt. Was die Herrschaften dabei häufig vergessen: Sie schaden damit nicht nur sich selbst, sondern der gesamten Serie, wenn immer wieder darüber gesprochen wird. Und am Ende kommen dann immer wieder Teamchefs zu uns und entschuldigen sich für ihre Aussagen."

Braucht die DTM eine eigene Balance of Performance?
Für die Balance of Performance in der DTM ist die SRO-Organisation von 'GT3-Papst' Stephane Ratel unter der Leitung von Claude Surmont zuständig. SRO verfügt dank seiner globalen GT World Challenge über eine Unmenge an eigenen Daten sowie denen der Hersteller, die in die Einstufung einfließen. SRO-Namensgeber Ratel wehrte sich zuletzt selbst vehement gegen Anschuldigungen, dass die BoP angeblich politisch gesteuert sei.
Immer wieder gibt es aber Diskussionen darüber, dass die DTM eigentlich eine eigene, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene BoP benötige. Das Fahrer-Niveau ist im Schnitt höher als etwa in der GT World Challenge Europe, in der sich zwei Piloten ein Auto teilen und zahlreiche Amateure an den Start gehen. Wegen der kompromisslosen Fahrzeug-Setups kommen BoP-Unterschiede so deutlich stärker zum Tragen. Obendrein herrscht in der DTM ein Verbot von Reifenwärmern.
0,007 Sekunden Abstand: So eng geht es in der DTM zu
ADAC-Motorsportchef Voss verwehrte sich gegen immer wieder aufkommende BoP-Kritik: "Da lasse ich langsam nichts mehr draufkommen. Wenn jetzt Hundertstelsekunden entscheiden, ob einer Siebter oder Zwölfter im Qualifying ist, kann mir keiner erzählen, dass die BOP zu schlecht ist."
Ein Blick auf die Zahlen belegt, wie eng es zwischen den sieben Marken in der DTM zugeht. Auf dem Nürburgring lagen im Samstags-Qualifying die Top-5 innerhalb von 0,234 Sekunden, die Top-10 innerhalb von 0,390 Sekunden und die Top-17 innerhalb einer Sekunde. Im halbnassen Qualifying am Sonntag trennten Pole-Setter Maro Engel (Winward-Mercedes) und den Zweitplatzierten Ricardo Feller (Abt-Audi) lächerliche 7 Tausendstelsekunden.
Qualifying-Meisterschaft DTM: Pole Position ist die halbe Miete
Es ist in der Tat eng, aber genauso entscheidend: Die DTM gilt als 'Qualifying-Meisterschaft', in der die Startaufstellung oftmals über Sieg oder Niederlage ausschlaggebend ist. Aus 6 der bisherigen 10 Rennen ging der Pole-Setter als späterer Sieger hervor. 2023 gewannen sogar 12 der von Platz eins gestarteten Fahrer die 16 Saisonrennen. "Drei Zehntelsekunden Unterschied entscheiden über Katastrophe und Nicht-Katastrophe", sagte ein Teamchef, um die extrem geringen Abstände zu verdeutlichen.
Viele DTM-Teamchefs sprechen öffentlich inzwischen eher ungern über die BoP, obwohl sie zu den wichtigsten Leistungsfaktoren zählt. Aus Sorge, bei der nächsten Einstufung potenziell wegen ihrer Kritik benachteiligt zu werden, oder um sich beim nächsten Teamchef-Meeting keinen Rüffel abzuholen. Andere Vertreter gehen hingegen gezielt an die Öffentlichkeit, in der Hoffnung, dadurch eine für sie vorteilhaftere Balance of Performance zu provozieren.
Manthey-Porsche-Leiter Patrick Arkenau sagte am Nürburgring: "Wir schmälern mit der aktuellen Situation zu sehr die Wertigkeit des Sports. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten und uns nicht darauf fokussieren, dass jemand nur wegen äußerer Umstände gewinnt oder verliert. Es geht nicht darum, dass keiner mehr darüber spricht. Wir müssen nur einen Weg finden, wie wir es für alle transparent machen, das muss besser und nachvollziehbarer werden. Dann erledigt sich die Diskussion von allein."
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