Seit 2018 gilt Red Bull eigentlich in Sachen Reifenwechsel in der Formel 1 als unschlagbar. Die Boxenstopps der Weltmeister galten in diesem Zeitraum gemeinhin als die schnellsten, und die Mechaniker machten die wenigsten Fehler. Nun, damit ist es 2024 vorbei. Oder? Motorsport-Magazin.com analysiert alle Reifenwechsel und stellt die Frage, wo der Schwerpunkt zu setzen ist.
Denn sicher ist Red Bull auch 2024 wahnsinnig schnell. So schnell, dass man in der Sommerpause schon spekulieren konnte, ob das Team nicht sogar den schnellsten Stopp-Jahresschnitt aller Zeiten aufstellen könnte. Den 'DHL Fastest Pit Stop Award', in dem für die zehn schnellsten Stopps nach WM-System Punkte vergeben werden, gewann Red Bull. Den schnellsten Stopp des Jahres (1,90) teilt man sich mit den amtierenden Rekordhaltern McLaren.
Formel 1 2024: Die 10 schnellsten Boxenstopps
P. | Team | Fahrer | Rennen | Zeit |
---|---|---|---|---|
1 | Red Bull | Verstappen | CHN | 1,90 |
2 | McLaren | Piastri | MEX | 1.90 |
3 | Red Bull | Verstappen | ESP | 1,92 |
4 | Ferrari | Leclerc | MIA | 1,94 |
5 | Red Bull | Perez | MIA | 1,95 |
6 | Ferrari | Leclerc | AUT | 1,95 |
7 | Red Bull | Verstappen | GBR | 1,99 |
8 | Red Bull | Perez | CHN | 2,00 |
9 | Red Bull | Perez | ESP | 2,00 |
10 | Red Bull | Perez | GBR | 2,00 |
Doch reines Tempo ist nicht alles. Jeder kann schnell stoppen, und in einer Wertung, die nur die zehn schnellsten Stopps aufnimmt, sieht man die Fehler-Stopps nicht. Hier ist als Richtwert eine Standzeit von 3,5 Sekunden anzunehmen. Steht das Auto länger, ist davon auszugehen, dass irgendetwas im Prozess schieflief.
Und jetzt schlägt Ferraris Stunde. Seit 2021 hat man in Maranello an Boxenstopps gearbeitet, Prozesse komplett umgestellt, Trainings komplett umgestellt. Jedes Jahr wurde man besser. Das kulminiert in der sensationellen Stopp-Verteilung von 2024: Nur zwei Stopps (Reparaturen und Strafen ausgenommen) überschritten die magische 3,5-Grenze. Und einer davon war eine 5,31 Sekunden lange Vorsichtsmaßnahme, um einen Unsafe Release in dichtem Verkehr zu verhindern.
Der schlechteste Stopp ohne Grund? 3,75 Sekunden. Da kann Red Bull ausnahmsweise nicht mit. Bei fünf Stopps wurde hier gepatzt. Zwar die zweitbeste Fehlerquote im Feld, aber eben die zweitbeste. Die Auswertung untermauert aber dennoch auch, dass Red Bull mit 59 Prozent von Stopps in 2,5 Sekunden oder schneller eigentlich das schnellste Team ist.
Die Frage ist jetzt eine philosophische: Wie viel Risiko sind zwei zusätzliche Zehntel beim Reifenwechsel wert? Ferrari, ohnehin schon schnell, war es zu viel. Eine Logik, der man sich kaum verschließen kann. Zwei Zehntel weniger gewinnen kaum ein Rennen. Zwei Sekunden mehr können es hingegen verlieren. So geschehen in Österreich, als nur ein langsamer Boxenstopp Max Verstappen wieder in die Fänge von Lando Norris trieb, was letztendlich in einer Kollision resultierte.
McLaren bessert im Formel-1-Herbst bei Stopps nach
Red Bull und Ferrari haben sich insgesamt vom Feld abgesetzt. Nachgebessert hat in den letzten Monaten McLaren. Dort hält man nach wie vor mit 1,80 vom Katar-GP 2023 den Weltrekord. Die Stopps waren aber schon im Vorjahr wenn es gut lief so schnell wie Red Bull, nur aber eben merklich fehleranfälliger. Die Daten zeigten auf eine Tendenz, wonach ein Fehlgriff gerne eine Sekunde kostete.
P. | Team | über 3,5 |
---|---|---|
1 | Ferrari | 2 |
2 | Red Bull | 5 |
3 | Racing Bulls | 7 |
4 | Aston Martin | 7 |
5 | Mercedes | 7 |
6 | McLaren | 8 |
7 | Alpine | 9 |
8 | Williams | 12 |
9 | Haas | 15 |
10 | Sauber | 27 |
Sieben Stopps hatten bis zum Sommer die 3,5-Sekunden-Marke überschritten. Im Herbst kam jedoch nur ein weiterer hinzu. Es ist der richtige Trend. Besser als bei Mercedes. Die hatten über den Winter eine Generalüberholung ihrer Stopps umgesetzt. Relativ zu 2023 haben sie sich deutlich gesteigert. In der laufenden Saison wurde es in den ersten Monaten noch etwas besser, im Herbst aber nicht mehr. Jetzt muss man auch hier wohl abwägen, wie viel Risiko man in den Prozessen noch gehen will.
Sauber hat Stopps endlich unter Kontrolle: 2025 nächster Schritt?
Beim Thema RIsiko bringt uns das zum schlimmstmöglichen Szenario: Wenn man über den Winter die Prozesse umstellt und einen Fehler einbaut, den man erst unter Rennbedingungen findet. So geschehen bei Sauber, doch der Herbst unterstrich: Die technischen Updates an Mutter und Nabe haben die Gefahr der 50-Sekunden-Stopps gebannt. Im Gegenteil: Bei zwei Rennen war man inzwischen sogar Schnellster.
So ist Sauber theoretisch das Team mit der größten Verbesserung relativ zur ersten Saisonhälfte. Aber die Zahlen sind hier natürlich relativ, weil die negativen Ausreißer bei Sauber so dermaßen groß sind. Etwas hilfreicher bei der Einordnung ist hier der Median anstatt des Mittelwertes. Der sitzt bei Sauber immerhin bei 3,02. Das zeigt, dass das Team für nächstes Jahr bereit ist, den nächsten Schritt zu tun.
Der Median zeigt auch: Die Racing Bulls sind nach wie vor eigentlich hervorragend in den Boxen. Ihr Mittelwert wurde gedrückt durch einen einzigen verwirrten Desaster-Stopp in Jeddah. Ohne den wäre das Team fast besser als McLaren.
Bleibt noch ein Blick auf die Jahresbilanz relative zum Vorjahr. Ferrari hat durch das praktisch gänzliche Ausräumen von Fehlern den Durchschnitt nun um 0,43 Sekunden nach unten gedrückt, während Red Bull praktisch unverändert dasteht. Mercedes und Alpine schafften solide Besserungen.
Die Boxenstopps sind auch ein weiteres Fortschrittsfeld für Haas, die hier in den letzten Jahren absolut desaströs unterwegs waren. Dieses Jahr sind sie wieder dran an Williams. Nur sind diese beiden Teams inzwischen klar isoliert im Hintertreffen, wenn man bedenkt, dass sich die Racing Bulls und Sauber nur wegen bereits gelöster Fehler so weit hinten in den Tabellen befinden.
Enttäuschend ist Aston Martin, die im Vorjahr sich anschickten, an die Spitzengruppe anzuschließen. Sie wurden zwar besser, doch die Vorjahres-Zeiten legen nahe, dass da einiges mehr möglich wäre. Aber im zweiten Halbjahr stagnierte das Team, nachdem es sich zu Jahresbeginn nur geringfügig verbessert hatte. Eine weitere Baustelle, bei der das Team von Mike Krack wohl doch noch einmal ran muss.
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