Manchmal ist die Formel 1 einfach kurios. Nach längerer Pause gibt beim Brasilien GP Gerd Ennser sein Comeback als Chef-Steward. Warum das kurios ist? Ennser war auch beim Japan GP 2019 im Einsatz. Auch damals wurde das Qualifying auf den Rennsonntag verschoben. Aber es wird noch kurioser: Schon damals, am 11. Oktober 2019, kritisierte Ennser in einem offiziellen Dokument, dass das Sportliche Reglement der Formel 1 eine Lücke aufweist.
Eine Lücke, die 2025 geschlossen wird, wie erst vor kurzem bekannt wurde. Aber eine Lücke, die ausgerechnet heute in der Formel 1 wieder für großen Ärger sorgen könnte: Was passiert, wenn es kein Qualifying gibt? Wie wird die Startaufstellung für das Rennen heute in Brasilien bestimmt?
Das Qualifying musste wegen starker Regenfälle auf Sonntagmorgen (07:30 Uhr Ortszeit / 11:30 MEZ) verschoben werden. Aber auch am Sonntag soll es heftig regnen. So ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass das Qualifying komplett ausfällt.
2019 konnte das Qualifying schließlich stattfinden, aber Ennser beugte damals vor: Er schrieb schon nach dem 1. Freien Training, dass das Ergebnis des 2. Freien Trainings maßgeblich für die Startaufstellung wäre, sollte es kein Qualifying geben. Er wollte Fahrern und Teams die Möglichkeit geben, das 2. Freie Training als relevante Session anzusehen.
Qualifying-Ergebnis ohne Qualifying möglich?
Das geht heute in Brasilien freilich nicht mehr - das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Manche meinen, das Ergebnis des Trainings am Freitag (einziges Training an diesem Wochenende) müsste dann für die Startaufstellung herangezogen werden.
Artikel 42.1 des Sportlichen Reglements besagt, dass die Startaufstellung gemäß des Qualifying-Ergebnisses nach Artikel 39.2 ermittelt wird. Es wird aber noch genauer: Es bezieht sich auf den Prozess, der das Qualifying-Klassement nach Artikel 39.4 definiert.
Denn auch ein Qualifying-Ergebnis kann kompliziert werden. Wenn sich - wie in Artikel 39.4 b) ii geregelt - Fahrer nicht klassifizieren, weil sie in Q1 keine Rundenzeit gefahren sind, dann wird die Reihenfolge all jener Fahrer, auf die das zutrifft, nach dem Ergebnis des 3. Freien Trainings bestimmt. Für den Fall, dass es sich um ein Sprint-Wochenende handelt, zählt das Ergebnis des einzigen Trainings.
Demnach könnte man sagen, dass sich im Falle einer Qualifying-Absage kein einziger Fahrer klassifiziert hat. Also müssten alle 20 Piloten in der Reihenfolge des Trainings gewertet werden. Dem kann man entgegenhalten, dass es schlicht kein Qualifying-Klassement gibt, wenn kein Qualifying gefahren wurde.
Stewards können Startaufstellungs-Prinzip aussuchen
Aber was dann? 2019 bezog sich Ennser in seiner Ankündigung, das FP2-Ergebnis zu nehmen, auf Artikel 11.9.3.b des International Sporting Codes. Der ISC ist ein allgemeines Reglement für den von der FIA überwachten Motorsport. Wenn die Reglements in der Formel 1 keine Antwort bieten, können die Stewards auf den ISC zurückgreifen. Der genannte Artikel erlaubt es ihnen, die speziellen Regeln anzupassen. Im Zweifel können sich die Stewards selbst auf Kriterien einigen, die sie für die Feststellung der Startaufstellung für richtig erachten.
In Brasilien könnte man so zum Beispiel das Sprint-Qualifying zugrunde legen, das eine deutlich größere Aussagekraft hat als das Training. Oder auch das Ergebnis des Sprints, früher ergab das Sprint-Ergebnis ja die Startaufstellung. Eine weitere Möglichkeit wäre es, in der Reihenfolge der Weltmeisterschaft starten zu lassen. Genau das sieht die für 2025 bereits verabschiedete Regeländerung vor.
Verstappen-Pole oder Startplatz 15? Ärger vorprogrammiert
Wie auch immer sie entscheiden sollten, wenn es überhaupt erforderlich wird: Es wird riesige Diskussionen auslösen. Das Trainings-Ergebnis sieht Max Verstappen nur auf Platz 15. Der Weltmeister brach im Training seine schnelle Runde ab. Lando Norris fuhr Bestzeit. Red Bull würde gegen diese Regelauslegung Sturm laufen.
Beim Start in WM-Reihenfolge würde McLaren auf die Barrikaden gehen. Plötzlich hätte Verstappen Pole (er wird aber wegen eines Motorwechsels ohnehin um fünf Plätze nach hinten versetzt). Die fairste Variante wäre wohl, das Sprint-Qualifying als Grundlage zu nehmen. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com soll zumindest das Trainingsergebnis eine eher unwahrscheinliche Lösung sein.
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