Am Dienstag platzte in Hinwil die große Formel-1-Bombe: Geschäftsführer Andreas Seidl wird Sauber und damit de facto Audi verlassen, mit ihm muss auch Audis oberster Formel-1-Chef Oliver Hoffmann gehen. Neuer Big-Boss über Hinwil, Neuburg und Ingolstadt wird der ehemalige Ferrari-Teamchef Mattia Binotto.

Dass bei den Vorbereitungen für Audis Formel-1-Einstieg 2026 nicht alles nach Plan läuft, ist kein Geheimnis. Während man auf Motoren-Seite in Neuburg an der Donau die selbst gesteckten Ziele erreicht, lahmt das zukünftige Werksteam Sauber noch erheblich. Derzeit steht der Rennstall als einziges Formel-1-Team in der Saison 2024 noch ohne WM-Punkte da.

Doch das dürfte nicht der einzige Grund für den Personalhammer sein. Andreas Seidl gab Ende 2022 seinen Posten als McLaren-Teamchef auf, um seit 2023 als Sauber-Geschäftsführer die Grundlagen für den Audi-Einstieg zu schaffen. Im März 2024 wurde ihm mit Oliver Hoffmann ein Generalbevollmächtigter für das Formel-1-Projekt auf Audi-Seite vor die Nase gesetzt.

Dabei hätte Seidl eigentlich freie Hand für die Entwicklung des Formel-1-Teams haben sollen. Mit Hoffmann wurde ihm der ehemalige Entwicklungsvorstand der Audi AG vorgesetzt, der zwar den Einstieg des Automobilherstellers in die Formel 1 vorangetrieben hatte, fachlich aber nicht das Know-how eines Teamchefs hatte. Entsprechend galt das Verhältnis der beiden als schwierig, Experten hatten den großen Knall bereits erwartet.

"Unser Ziel ist es, das ganze Formel-1-Projekt durch klare Führungsstrukturen, eindeutige Verantwortlichkeiten, reduzierte Schnittstellen und effiziente Abstimmungsprozesse auf F1-Speed zu bringen. Dazu muss das Team eigenständig und schnell agieren können", heißt es von Audi-CEO Gernot Döllner, der zukünftig den Verwaltungsratsvorsitz der Sauber Motorsport AG übernimmt.

Für Seidl und Hoffmann gibt es nur kurze Abschiedsworte von Döllner: "Ich danke Oliver und Andreas für ihre wichtige Aufbauarbeit und das Engagement, mit dem sie unseren Einstieg in die Formel 1 bisher vorbereitet haben."

Mattia Binotto: Neue Audi-Funktion für Ex-Ferrari-Teamchef

Mattia Binotto wird offiziell Chief Operating und Chief Technical Officer (COO und CTO) bei Sauber. Der Italiener tritt seinen Dienst am 1. August 2024 an. "Ich freue mich, dass wir Mattia Binotto für unser ambitioniertes Formel-1-Projekt gewinnen konnten", so. "Mit seiner großen Erfahrung aus über 25 Jahren Formel 1 wird er mit Sicherheit einen entscheidenden Beitrag für Audi leisten können."

Mattia Binotto übernimmt die Leitung des Audi F1-Teams
Mattia Binotto wird Audianer, Foto: Audi Motorsport

Offiziell bleibt damit weiterhin die Position des Teamchefs offen. Seidl arbeitete im Hintergrund, stattdessen vertrat Alessandro Alunni Bravi das Sauber-Team stets als Team-Repräsentant in der Öffentlichkeit. Diesbezüglich teilte Audi keine Änderungen mit, doch Namen wie Mike Krack (Aston-Martin-Teamchef) und Jonathan Wheatley (Red Bulls Sportdirektor) kursieren bereits.

Kurios: Ende 2022 hatte Binottos Rauswurf bei Ferrari das Teamchef-Karussell in Gang gesetzt, das Seidls Wechsel zu Sauber schon zum damaligen Zeitpunkt erst ermöglicht hatte. Binottos Nachfolger bei Ferrari wurde Fred Vasseur, wodurch die Position bei Sauber vakant wurde. Seidl einigte sich mit McLaren auf eine vorzeitige Vertragsauflösung und konnte so schon seit Anfang 2023 den Audi-Einstieg vorbereiten.

Kurz nach seinem Rauswurf bei Ferrari wurde Binotto schon einmal mit Audi in Verbindung gebracht. Der Italiener arbeitete bei Ferrari rund zehn Jahre als Ingenieur in der Motorenabteilung, ehe er Technischer Direktor und später Teamchef wurde. Entgegen entsprechender Berichte war Binotto aber damals nie in Audis Motorenfabrik in Neuburg zu Gast.

Audis Formel-1-Projekt: Holpriger Start

Audi verkündete den Formel-1-Einstieg zur Saison 2026 im August 2022. Zuvor hatte man mit de bisher involvierten Herstellern, der FIA und Liberty Media über das Motoren-Reglement der Zukunft verhandelt. Die treibenden Kräfte beim Formel-1-Einstieg waren der damalige CEO der Audi AG, Markus Duesmann und dessen Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann.

Duesmann und Hoffmann: Die treibende Kräfte hinter Audis Formel-1-Einstieg sind nicht mehr an Bord, Foto: LAT Images
Duesmann und Hoffmann: Die treibende Kräfte hinter Audis Formel-1-Einstieg sind nicht mehr an Bord, Foto: LAT Images

Rund ein Jahr nach der finalen Formel-1-Entscheidung musste Duesmann aber seinen Posten bei Audi vorzeitig räumen. Unter dem neuen CEO Gernot Döllner stand das Formel-1-Projekt lange auf dem Prüfstand. Insidern zufolge soll der Wechsel in der Chef-Etage den Aufbau des Teams um rund ein Jahr verzögert haben.

Entsprechend stellten sich bei Sauber auch noch keine Fortschritte ein. Das Team konnte erst mit etwas Verspätung wachsen. Mit dem Audi-Geld wuchs das Team zwar inzwischen von rund 400 auf rund 650 Mitarbeiter an, doch von Mitarbeiterzahlen der Top-Teams ist Sauber weiterhin weit entfernt - obwohl das Team an der Budgetobergrenze operiert. Das Problem sind die enormen Personalkosten in der Schweiz. Erst 2026 werden Standort-spezifische Kosten indexiert.

Und auch bei den bisherigen Verstärkungen läuft nicht alles rund. Die alteingesessene Truppe aus Hinwil gilt nicht unbedingt als das offenste Umfeld für Ingenieure und Mechaniker aus England und Italien. Dazu muss sich auch Technik-Chef James Key nach einem Jahr im Amt langsam beweisen. Von Fortschritten relativ zur Konkurrenz ist derzeit nichts zu sehen.