McLaren ist das neue Red Bull: Seit Baku führt der Traditionsrennstall die Konstrukteurswertung an, in Singapur dominierte Lando Norris nach Belieben und fuhr zwischenzeitlich eine halbe Minute Vorsprung heraus. Inzwischen versucht die Konkurrenz sogar schon, McLaren auf dem grünen Tisch auszubremsen. Steht die Formel 1 nach der Red-Bull-Dominanz nun vor der McLaren-Dominanz?

"Wenn ich mir vorangegangene Rennen anschaue, scheinen wir bei diesem hohen Abtriebsniveau sehr konkurrenzfähig zu sein," relativierte Teamchef Andrea Stella nach dem Nachtrennen in Singapur. "Das könnte mehr mit dem Abtriebs-Niveau zu tun haben als mit der Tatsache, dass wir der Konkurrenz enteilen und immer mehr aus dem Auto herausholen können. Das Auto war in dieser Konfiguration stark."

Diese Eindrücke bestätigen sich, wenn die letzten Veranstaltungen berücksichtigt werden, bei denen die Truppe aus Woking ganz oben auf dem Treppchen stand: "Ungarn war ein relativ dominanter Sieg, genauso wie Zandvoort und dieser [in Singapur]." Gerade diese Strecken fordern Abstimmungen der Boliden mit viel Abtrieb. "Das Auto hat in dieser Konfiguration die beste aerodynamische Effizienz im gesamten Feld", erklärt der Italiener den Erfolg auf besagten Strecken.

In Budapest starteten die beiden McLaren aus der ersten Startreihe und fuhren mit einem Abstand von knapp 15 Sekunden einen Doppelsieg ein. Den GP der Niederlande dominierte Norris mit über 20 Sekunden Vorsprung.

McLaren-Dominanz: Streckenspezifisch oder omnipräsent?

Bei Highspeed-Kursen hingegen wird weniger Abtrieb benötigt, was zu einem Annähern der Konkurrenz führt: "Bei geringem Luftwiderstand ist die Effizienz von Ferrari und Red Bull viel eher mit der unseres Autos vergleichbar", meint der Teamchef von McLaren. Das kommt aber laut Stella nicht von ungefähr: "Wir wissen sicher, dass wir sehr viel mehr [an Entwicklung] in dieses Downforce-Level gesteckt haben als in weniger Downforce."

Die Grands Prix in Belgien, Italien und Aserbaidschan zeigten dadurch andere Kräfteverhältnisse: Auf diesen Hochgeschwindigkeitskursen hatte das Papaya-Duo starke Konkurrenz durch Ferrari und Mercedes.

Wettbewerbsfähig war McLaren allerdings trotzdem: "Bei Rennen wie Spa und Monza, haben wir definitiv einen Schritt nach vorne gemacht, was die Erhaltung des Abtriebs angeht, wenn wir den Luftwiderstand reduzieren", sieht Stella die Leistung des McLaren-F1-Autos positiv. Kurzum: Die aerodynamische Effizienz, sprich das Verhältnis zwischen Abtrieb und Luftwiderstand, ist nun auch in Konfigurationen mit weniger Abtrieb konkurrenzfähig.

Mit High-Downforce-Strecken wie in den USA, Mexiko, Brasilien und Katar erwarten McLaren noch einige Rennen, bei denen sie die Favoritenrolle einnehmen könnten. Abu Dhabi und Las Vegas weisen aber andere Charakteristiken auf: Während der Yas Marina Circuit einen Kompromiss beim Abtrieb erfordert, wird in Las Vegas mit möglichst wenig Flügel gefahren.

Update-Dilemma: Bringen mehr Updates überhaupt noch etwas?

In dieser Saison hatten viele Teams Probleme, neue Updates sofort zu verstehen und Daten aus Simulationen mit der Realität in Einklang zu bringen. Einige mussten sogar auf ältere Spezifikationen zurückgreifen, um zu verstehen, wo man falsch abgebogen ist. Bereitet diese Tatsache der Mannschaft aus Woking bei der Weiterentwicklung Kopfschmerzen?

"Wir haben ein paar Sachen in der Pipeline. Natürlich, wenn man eine solche Performance auf der Strecke hat, kann man die Entwicklung immer mit ein bisschen Vorsicht angehen," gibt Stella zu. "Wir müssen aber gleichzeitig auch dem Prozess, der Art und Weise, wie wir bis jetzt gearbeitet haben, vertrauen."

McLaren-Teamfeier mit Sieger Lando Norris, Teamchef Andrea Stella und Oscar Piastri
McLaren kann im Moment eine Erfolgsserie feiern., Foto: LAT Images

Bei sechs noch verbleibenden Rennen ist sich Stella, was die Update-Thematik angeht, sicher: "Wir haben uns Zeit gelassen, um sicherzustellen, dass wir nur sorgfältig geprüfte Updates auf die Strecke bringen."

Zu lange mit der Weiterentwicklung zu warten, bringe nämlich Schwierigkeiten mit sich: "Ich bin mir nicht sicher, ob man sich in der Formel 1 zurückhalten kann, denn zurückhalten bedeutet, dass die anderen einen einholen könnten", so Stella. Deshalb steht bei McLaren bereits die Devise für die restliche Saison: "Wir müssen weiter aggressiv bleiben, was die Entwicklung angeht!"

Ähnlich wie bei der Entwicklung von Updates muss auch bei der Logistik eines Grand Prix alles sorgfältig geplant und umgesetzt werden. Wie diese Herausforderung beim Monaco-GP gemeistert wird, erfahrt ihr in diesem Video:

Formel 1 Logistik beim Monaco GP: 500 Trucks für 20 F1-Autos! (17:03 Min.)