Die Formel-1-Saison 2024 hat zur Sommerpause schon mehr als die Hälfte der Rennen über die Bühne gebracht. Die Lage bei Aston Martin präsentiert sich ernüchternd. Der Weg Richtung Spitzengruppe der Formel 1 gestaltet sich für das Team als zäher Kampf gegen die eigene Durchschnittlichkeit. Aston Martin blieb hinter dem Vorjahresniveau zurück und musste sogar einen Leistungsabfall hinnehmen. Zwischenresultat: Weniger Punkte als 2023. Seit dem Saisonauftakt liegt der britische Rennstall konstant auf dem fünften Platz in der Konstrukteurs-WM. Auf Stagnation folgt Frustration. Im Sommer-Fazit wirft Motorsport-Magazin.com einen detaillierten Blick auf die zurückliegenden fünf Monate von Aston Martin.

Ziel vs. Realität:
Lawrence Stroll hat einen unnachgiebigen Erfolgshunger, der die Ziele Jahr für Jahr aufs Neue diktiert: Podien, Siege, WM-Titel - eine echte 'Sechs-Sterne-Saison'. Ambitionierte Pläne hatte Aston Martin entsprechend auch für 2024. Bei der Präsentation des AMR24 im Februar erklärte Teamchef Mike Krack, dass die britische Traditionsmarke auf dem Erfolg des Vorjahres aufbauen wolle: "2023 war unser bislang bestes Jahr. Unser Ziel in der neuen Saison ist, regelmäßig Punkte und Podien einzufahren und unseren ersten Sieg in Grün zu holen." Optimismus im ganzen Team. Technik-Chef Dan Fallows ging mit selbstbewusster Rhetorik sogar auf Angriff gegen sein Ex-Team: "Red Bull ist absolut schlagbar. Das ist es, was wir anstreben."

Doch die Realität ist eine andere: Ja, Red Bull ist tatsächlich schlagbar, nur eben nicht von Aston Martin. Die Grünen sind weit abgeschlagen von der Spitzengruppe und mit 73 WM-Punkten derzeit gefangen im Mittelfeld - großer Traum in weiter Ferne. 193 Punkte Abstand zu Mercedes auf P4, 39 Punkte zu den Racing Bulls als nächste Bedrohung auf P6. Zur Sommerpause steht das Team genau dort, wo Fernando Alonso es schon nach dem Saisonauftakt in Bahrain befürchtet hatte, nämlich "mitten im Niemandsland". Das Fahrzeug - beachtlich zuverlässig - hatte in den Rennen bisher keinen technischen Ausfall zu verzeichnen. Alonso und Stroll fuhren zusammen 15 Mal damit in die Punkteränge. Das ändert aber auch nichts daran, dass das Team nicht über einen fünften Platz von Alonso in Saudi-Arabien und einen sechsten Platz von Stroll in Australien hinauskam.

Entwicklung 2024:
Trotz Update-Flut blieb die Performance des AMR24 weit hinter den kühn gesteckten Zielen zurück. Das erste Kind der nagelneuen Fabrik in Silverstone, das unter der Leitung von Technik-Chef Dan Fallows entstand, sollte im Saisonverlauf die erhoffte Wende bringen. Doch die Verlaufskurve zeigt, wie diese Hoffnung zerschlagen wurde: Über die Hälfte der bis dato gesammelten Punkte hat Aston Martin schon nach dem fünften Rennen für sich verbucht. Seitdem flacht der Punktezuwachs ab. Mercedes lässt seinen Kunden alt aussehen und zieht mit immer größer werdenden Entwicklungssprüngen in der WM-Tabelle davon.

Aston Martins Update-Odyssee, die schon im Vorjahr einen jähen Absturz aus dem Höhenflug verursachte, setzt sich 2024 ungebremst fort. Der AMR24 wurde in allen Bereichen mehrmals überarbeitet: Frontflügel, Heckflügel, Unterboden, Seitenkasten, Diffusor, Hinterradaufhängung, Vorderradaufhängung - die Liste der technischen Verbesserungen führt das Team in quantitativer Hinsicht an. Doch die kontinuierlichen technischen Anpassungen führten bislang nicht zum ersehnten Ausbruch aus der Mittelmäßigkeit. Vielmehr scheint sich das Performance-Drama immer weiter zu verschärfen. Zu Saisonbeginn war das Auto im Renntrimm schlecht, mit dem Update-Paket brach auch die Qualifying-Pace ein.

Aston Martin 2024: Wechselnde Wetterlagen

Höhepunkt 2024: Hoffnungsschimmer beim Heim-Grand-Prix
Kurzweilige Sonnenstrahlen sind es, die bei Aston Martin das graue Wetter durchbrechen. Etwa das Silverstone-Wochenende, an dem sich das Formel-1-Team aus seinem Tief zurückmeldete. In unmittelbarer Nachbarschaft zur eigenen Fabrik präsentierte sich der AMR24 von seiner guten Seite und gewann ein Stück Wettbewerbsfähigkeit zurück. Im Qualifying eroberten Stroll und Alonso die Plätze acht und zehn, die sie im Rennen sogar in einen siebten und achten Platz verwandeln konnten. Die Ernte mag in dieser Saison schon einmal größer ausgefallen sein - etwa in Australien oder Kanada - jedoch war das Fahrzeug zu Saisonbeginn im Vergleich zur Konkurrenz noch stärker und in beiden Rennen profitierte das Team beim Ergebnis unter anderem auch von Ausfällen. Das doppelte Punkteresultat in Silverstone hingegen markierte nach zwei Nullnummern eine kleine Zäsur. Darauffolgend in Ungarn und Belgien war zumindest je ein Auto wieder in den Punkten. Auch die Performance in der Qualifikation zeigte erste Aufwärtstendenzen.

Tiefpunkt 2024: Krisenstimmung im österreichischen Bergland
Silverstone war eine umso angenehmere Überraschung, weil sich eine Woche vorher beim Desaster-Wochenende in Spielberg der Frust breit machte. Im Sprint und im Rennen blieben beide Piloten punktlos. Das Elend von Barcelona setzte sich nahtlos fort. Am Samstag kämpften sich Alonso und Stroll durch ein weiteres enttäuschendes Qualifying, das den Doppel-Weltmeister auf P15, den Kanadier sogar nur auf P17 brachte. Im Rennen kam postwendend die Bestätigung für die frustrierende Vorstellung. Für Stroll ging es zwar vor auf P13, Alonso hingegen fiel auf P18 zurück. Ein trostloses Bild der mangelnden Leistung.

Fernando Alonso und Lance Stroll: Frustrierter Veteran und unaufhörlicher Underperformer

Fernando Alonso
WM: 9. Platz (49 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,84 (11. Platz)
Die Stimmung bei Fernando Alonso ist gekippt. Nicht nur das Auto ist schwach, sondern der Österreich GP war auch Alonsos ganz persönlicher Tiefpunkt der ersten Saisonhälfte. Im April unterzeichnete er mit 42 Jahren noch einen mehrjährigen Vertrag. Doch geht das Bündnis mit Aston Martin wirklich so lange gut? Imola, Spielberg - für den Spanier zwei Wochenenden zum Vergessen. Und diese häufen sich. Zu viele Fehler, zu langsam im Qualifying und Rennen. 9:5 steht es für ihn im Duell gegen seinen Teamkollegen - sowohl was Qualifying als auch Rennen betrifft. Letztes Jahr fiel diese Statistik deutlicher zugunsten des Altmeisters aus. Seinen Frust über die unzureichende Performance des Autos entlud er dann und wann auf der Strecke und verstrickte sich in Scharmützel. Hinterher attackierte er auch noch die Entscheidungshoheit. Großer Unmut beim Spanier über FIA-Strafen, die er als ungerecht empfand. Seine Gesamtvorstellung in der ersten Jahreshälfte war eines Doppel-Weltmeisters unwürdig. Immerhin: Die WM-Wertung entscheidet er mit 49:24 gegen Stroll noch deutlich für sich.

Lance Stroll
WM: 10. Platz (24 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 3,59 (17. Platz)
Lance Stroll hingegen ist mit der Hälfte der Punkte auf seinem WM-Konto wieder einmal der Verlierer. Als Sohn des Teambesitzers ist seine Leistung auf der Strecke natürlich zweitrangig. Stroll gehört zum Inventar - egal ob er gut performt oder nicht. Die teaminterne Statistik mutet an, als wäre er näher an seinen Kollegen herangerückt. Doch der Grund dafür liegt wohl eher darin, dass Alonso dieses Jahr Schwäche zeigt. Dass Aston Martin allein in einer eigenen Mittelfeld-Liga fährt, rettet Stroll zur Sommerpause Platz zehn in der Fahrer-WM. Dahingegen sehen die Redakteure und Leser von Motorsport-Magazin.com seine Leistung weitaus kritischer. Im wöchentlichen Fahrer-Ranking rangiert Stroll regelmäßig am Ende des Feldes. Ausschlaggebend für die schlechte Fahrernote dürften zwei Vorfälle sein: In Saudi-Arabien hatte Stroll ein komplett verpatztes Wochenende mit zwei selbstverschuldeten Unfällen und einer enttäuschenden Pace. Noch mehr Munition lieferte er seinen Kritikern nur in China, als er hinter dem Safety-Car Daniel Ricciardo ins Heck krachte.

Fazit und Ausblick:
Aston Martin wurde in den letzten fünf Monaten zu einem Sinnbild der Enttäuschung und stagnierenden Entwicklung. Alonso konnte nicht an die Vorjahreserfolge anknüpfen und trotz wiederholter Bekenntnisse zu ehrgeizigen Zielen bleibt das Auto im Mittelfeld stecken. Wachsende Frustration ist bei allen Team-Mitgliedern spürbar und Teamchef Mike Krack droht erster Sündenbock zu werden. Ist die Sommerpause lang genug für eine Neuausrichtung? Der große Traum vom Sieg bleibt wohl auch 2024 unerfüllt und die Position in der WM-Wertung scheint festgefahren. Entscheidend wird sein, wie Aston Martin die verbleibenden zehn Rennwochenenden dazu nutzt, um den Karren aus dem Sumpf der Durchschnittlichkeit zu ziehen und langfristige Ziele weiter zu verfolgen.

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