Audi will mit Sauber in einigen Jahren in der Formel 1 erfolgreich sein. Doch auf dem Weg dorthin hat die Mannschaft aus Hinwil noch viel Arbeit vor sich. Mattia Binotto soll als Leiter der operativen Geschäftsführung im Werk ein zentraler Baumeister dieser Entwicklung sein. Doch er sieht sich einer großen Herausforderung ausgesetzt, denn die Ausgangslage ist alles andere als optimal.
"Ich habe die Benchmark meines früheren Lebens [bei Ferrari, d. Red], also definitiv mit einer Topmannschaft, und der Vergleich ist in allen Bereichen einfach. Es ist nicht irgendwas Spezielles, sondern es geht letztendlich um alles zusammen", so Binotto. Was er damit meint: Sauber liegt in allen Bereichen klar hinter den Topmannschaften zurück.
Sauber-Teamchef Binotto: Uns fehlen 400 Leute
Die Qualität des Personals hebt er lobend hervor, ansonsten sieht Binotto, der bis zur Ankunft von Ex-Red-Bull-Mann Jonathan Wheatley auch als Teamchef fungiert, seine Mannschaft aber im Hintertreffen: "Die Menschen sind großartig. Ich denke wir haben viele gute Mitarbeiter als unser Fundament für die Zukunft. Aber wenn man sich den Unterschied ansieht und die Dimensionen, dann fehlen uns 400 Leute auf ein Topteam."
Dabei gab es schon unter Andreas Seidl, der im Juli als Leiter von Audi-Sauber entlassen und durch Binotto ersetzt worden war, eine große Anwerbungswelle, in der die Belegschaft von 400 auf etwa 600 Mitarbeiter erhöht wurde.
"Das sind viel geringere Produktionskapazitäten und technischen Kapazitäten, die wir haben. Und wir haben einen Simulator, der sehr alt ist", streicht Binotto einige zentrale Punkte des Sauber-Rückstands hervor. "Die gesamte Anlage, überall müssen wir Hand anlegen", sagte er weiter.
Der Rückstand ergibt sich nicht nur aus der finanziellen Schieflage, in der sich die Mannschaft für beinahe ein Jahrzehnt befand, sondern auch aus dessen Standort. In der Schweiz sind die Kosten - vor allem die Personalkosten - ungleich höher als bei der Konkurrenz in Großbritannien oder Italien.
In der Budgetdeckelung der Formel 1 findet das aber keine Berücksichtigung. Deshalb muss das Einsatzteam von Audi von Haus aus derzeit auch bei einer vollen Ausschöpfung des erlaubten Formel-1-Budgets mit weniger Mitarbeitern und weniger Ressourcen auskommen. Erst ab 2026 ist im neuen finanziellen Reglement ein Ausgleich dafür vorgesehen - sehr zum Missfallen der Konkurrenz.
Binotto will sich aber aufgrund dieser Herausforderung, die Sauber nicht nur für ihn, sondern auch für Audi darstellt, nicht beklagen. Denn: "Wir wussten das vorher. Wir wussten, dass eine lange Reise auf uns zukommen würde und es nicht etwas ist, das man innerhalb von wenigen Monaten oder Saisonen auf den Kopf stellen kann."
"Wir haben immer gesagt, dass es unser Ziel ist, 2030 erfolgreich zu sein, also am Ende des Jahrzehnts", nannte er eine konkrete Deadline. "Und selbst dieser Zeitpunkt ist eine ziemliche Herausforderung", drückt er auf die Erwartungsbremse. Nachdem Audi 2022 seinen Einstieg in die Formel 1 bekanntgegeben hatte, war noch 2028 als relevante Jahreszahl ausgegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt wollte man zu den Topteams der Königsklasse zählen. Die derzeitige Leitung des F1-Projekts hat mit den damaligen Entscheidungsträgern aber nicht mehr viel zu tun.
Mattia Binotto: Brauchen Gewinner-Mentalität
Für die WM-Letzten der Formel-1-Saison 2024 gilt es aber nicht nur die Anlagen auf einen modernen Standard zu bekommen und das Personal aufzustocken, sondern auch in der Belegschaft eine neue Mentalität zu erschaffen. "Das Team befand sich im letzten Jahrzehnt in einem Überlebensmodus. Es ging darum, überhaupt zu überleben, am Start zu stehen und das Beste daraus zu machen. Aber eine Gewinner-Mentalität ist eine andere Herangehensweise", mahnt Binotto.
"Es gibt sicher viel, das getan werden muss in der Kultur und in Bezug auf das Verhalten", ist der Italiener überzeugt. Intern soll auch die Integration der neuen Mitarbeiter, die unter Seidl zu dem Team dazugestoßen sind, noch nicht so gut funktionieren. Die konservative Grundhaltung im Team steht oft im Clinch mit der Anpassung der Prozesse.
Sportlich Hoffnung machte der Endspurt 2024 in der Formel 1. Der über weite Strecken klar unterlegene C44 zeigte mit den letzten Upgrades einen klaren Performance-Zugewinn und sorgte in den Händen von Zhou Guanyu beim vorletzten Grand Prix des Jahres in Katar für die einzigen Punkte der Saison. "Das zeigt, dass der Fortschritt in die richtige Richtung geht", ist Binotto überzeugt. "Es zeigt, dass, was wir liefern, mit dem Windkanal und dem Simulator korreliert. Das ist für uns sehr ermutigend".
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