Drei Tage hatte die Formel 1 zwischen Ungarn und Belgien frei. Ausreichend Zeit für Lando Norris, um hinlänglich über die dramatischen letzten 25 Runden auf dem Hungaroring nachzudenken, wo er Runde um Runde einen vom Team angeordneten Platztausch mit Oscar Piastri hinausgezögert hatte. Fazit: "Beide Seiten hätten die Dinge ein bisschen besser und ein bisschen anders machen sollen."
Norris ärgert sich am Donnerstag in Spa erst einmal über die Folgen - für McLaren als Team: "Die Tatsache, dass es Oscars ersten Sieg in der Formel 1 überschattet hatte, ist eine, die mich nicht gerade stolz macht. Die Tatsache, dass wir einen Doppelsieg holten und das nach dem Rennen kaum erwähnt wurde. Das ist der Teil, wegen dem ich mich schlecht fühle."
Den Doppelsieg hatte das Team nach dem letzten Boxenstopp in Ungarn praktisch sowieso in der Tasche gehabt. Nur wollten die Strategen absolut alle Risiken ausschalten, wodurch Norris einen vorteilhaften Boxenstopp und dadurch die Führung zugeschanzt bekam. Nach Reflexion sieht er in seiner 20 Runden langen Verschleppung des daraufhin angeordneten Platz-Rücktausches vor allem bei ihm eine Dummheit.
Lando Norris identifiziert seine größte Dummheit in Ungarn
"Ich hätte ihn einfach sofort durchlassen sollen", ärgert sich Norris. "So eine dumme Sache, dass ich das nicht tat. Wir durften frei gegeneinander fahren. Ich hätte mich dranhängen und versuchen können, ihn zu überholen. Das klingt jetzt so einfach, aber zu dem Zeitpunkt ging mir das nicht durch den Kopf."
Nur einmal ging Norris das Rennen seither erneut durch: "Ich muss es nicht verkomplizieren." Das eine Mal reichte, um zu erkennen: Hätte er Piastri sofort durchgewunken, hätte er alle seine Probleme gelöst. Entweder wäre er sowieso Zweiter geworden, hätte aber unzweifelhaft wie ein guter Teamplayer ausgesehen. Oder er hätte Piastri fair den Sieg auf der Strecke im Zweikampf abgenommen: "Je länger ich wartete, desto mehr haben alle hinterfragt, ob ich es tun würde oder nicht."
"Aber ich war einfach in einem guten Rhythmus und die Dinge liefe da gut, also hinterfragte ich das Team ein paar Mal", erklärt Norris seine stattdessen ungelenke Vorgehensweise. Erneut unterstreicht er in Spa: "Sobald sie mir sagten, dass ich ihn jetzt vorbeilassen soll, habe ich ihn vorbeigelassen. Es ging nie ums Ignorieren, oder ums Weghören. Mir war immer klar, was ich tun wollte. Ich habe es nur etwas zu lange hinausgezögert."
Lando Norris nimmt McLaren in die Pflicht: Müssen klare Anweisungen her?
"Ich habe wohl einfach nicht zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Dinge gedacht", bilanziert Norris. Ganz allein schultert er die Verantwortung dafür nicht. Aus dem anfangs vagen und verhandlungsartigen Ton seines Renningenieurs Will Joseph las er keine Dringlichkeit. Erst als ernste Warnungen weitergegeben wurden, reagierte er.
Beide Seiten müssen sich also an der Nase nehmen, klar kommunizieren. "Ich gebe dem Team nicht die Schuld. Aber wenn es etwas eindeutiger bei mir ankäme, würde das helfen", so Norris. "Aber es ist fast ... nicht gut, dass es passiert ist, aber es war gut, es erlebt zu haben, daraus zu lernen und es hoffentlich beim nächsten Mal besser zu machen."
Alles gut zwischen Norris und Piastri? WM-Frage schwebt im Raum
Mit Teamkollege Oscar Piastri gibt es nach Ungarn keine Unstimmigkeiten, schwört Norris: "Ich sagte ihm, ich würde mich schlecht fühlen für das, was passiert ist. Wie sich die Dinge entwickelt haben. Wie es zu seinem ersten Sieg kam." Jetzt hängt aber die Zukunft über der Beziehung. Denn Fakt ist: McLaren hatte in Ungarn das beste Auto. Und Norris ist als erster Jäger des WM-Führenden Max Verstappen nur 76 Punkte hinten.
Wäre McLaren bei noch elf verbleibenden Rennen nicht sowieso besser beraten, Norris über Gebühr zu priorisieren? "Nein, ich muss es mir immer noch verdienen", schlägt der den Nummer-eins-Status explizit aus. "Ich weiß nicht, wann der Punkt kommt. Wenn ich 10 Punkte hinten bin? 15? Wann forderst du den anderen auf, hier oder da zu helfen?"
"Ich weiß nicht, wo dieser Punkt ist, und es ist nicht meine Entscheidung", meint Norris. Die Saison ist zwar noch lang, aber 76 Punkte sind auch viel. Spa wird diesbezüglich für McLaren eine Bewährungsprobe. Eine komplett andere Strecke, Highspeed, hier wird mit einem komplett anderen Aero-Paket gefahren. Norris wagt keine Prognosen: "Max machte ein paar Fehler zu viel, das Rennen lief nicht gut für ihn. Aber Red Bull und Mercedes sind noch immer in starker Position. Ich rechne mit einem Kampf zwischen uns allen."
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