Der Ungarn-GP der Formel 1 bot einiges an Gesprächsstoff. Neben der Teamorder bei McLaren erhitzte vor allem Max Verstappen die Gemüter. Der Weltmeister fuhr ein Rennen voller Frustration am Funk, welche sich in einer Kollision mit Lewis Hamilton entlud. Unser Formel-1-Experte Christian Danner analysiert den Unfall und Verstappens Verhalten.

Danner: Hauptschuld der Kollision klar bei verzweifeltem Verstappen

"Das ist letztendlich extrem gut ausgegangen, die Autos sind ja nicht mal kaputt gegangen. Das hat mich schon erstaunt", meinte der Bayer angesichts der Bilder des in der Luft stehenden Red Bulls. "Verstappen war etwas verzweifelt. Der hatte eigentlich von allem die Schnauze voll, war schlecht aufgelegt und wollte mit der Brechstange irgendwo hin, ist mit viel zu viel Überschuss in dieses "Manöver" hineingegangen und dass es dann zu einer Kollision kam, war eigentlich mehr oder weniger klar", schätzte der ehemalige F1-Pilot die Lage in der neuesten Ausgabe unseres AvD Motorsport-Magazins ein, die ihr hier sehen könnt:

Hamilton-Crash & Wutausbruch! Verliert Verstappen die Nerven? (36:48 Min.)

Im Duell mit Hamilton hätte es Verstappen besser wissen müssen

Trotzdem entschieden die Stewards auf Rennunfall, nach Danners Ansicht wohl auch aufgrund der mangelnden Folgen. Ganz schuldfrei war Lewis Hamilton auch nicht: "Ich würde sagen, es war 20% Hamilton und 80% Verstappen. Und damit konnte man nicht sagen, wir bestrafen den einen und den anderen nicht, sondern eben beide nicht. Die Hauptschuld hat natürlich der mit einem Riesen-Überschuss ankommende Verstappen."

Verstappens Vorwürfe in Richtung Hamilton hält unser Experte aber für überzogen: "In der Zeitlupe war das klar zu sehen. Nicht weil Hamilton rübergezogen hat, hat er blockiert, sondern er war einfach viel zu schnell, und zwar vorher schon. Und er hat zu spät gebremst." Zudem hätte der Weltmeister seine Erfahrungen mit seinem Erzrivalen heranziehen müssen: "Das war eine Angelegenheit, die nur dann gut geht, wenn du einen Gegner hast, den du überrundest oder von dem du weißt, der will nichts von dir. Aber dass das bei Hamilton nicht so ist, das sollte Verstappen noch gewusst haben."

Tirade gegen Red Bulls Strategieabteilung kontraproduktiv

Dass Verstappen überhaupt erst in die Lage des Brechstangen-Manövers gegen Hamilton kam, hatte sich rundenlang zuvor aufgestaut. Der Niederländer schimpfte und schimpfte über die Strategie seiner Mannschaft, nachdem Hamilton der Undercut gelungen war. Auch das kritisiert Danner: "Das sollte man lieber im Debriefing machen. Es zeigt schon, dass sowohl bei Verstappen als auch bei Red Bull in der Situation, in der sie sich jetzt befinden, eine gewisse Eingewöhnungsphase existiert. Man ist eigentlich immer noch im Modus: 'Ich fahre vorne weg und es läuft dann schon'. Die Zeiten sind vorbei."

Stattdessen sollte sich Verstappen mit der neuen Realität arrangieren: "Man muss sich jetzt in einem direkten Zweikampf mit Mercedes, also mit Hamilton in dem Fall und mit Leclerc, zurechtfinden. Da nützt es wirklich nichts, wenn man da irgendwie der Strategieabteilung Vorwürfe macht. Das finde ich nicht zielführend, einfach kontraproduktiv." Nicht zuletzt beim Blick auf die Verdienste von Hannah Schmitz & Co.: "Wir dürfen nicht vergessen, diese Abteilung hat in 99 von 100 Rennen und zum Beispiel auch in den letzten 3 immer die richtige Entscheidung getroffen."

Red Bull muss lernen, teaminterne Kritik ohne Beleidigungen auszusprechen

Doch von Dr. Helmut Marko und Christian Horner bekam Verstappen trotz seiner Tiraden gegen das eigene Team keinen Rüffel. Danner vermutete die Angst vor einem möglichen Abgang dahinter, dass der WM-Führende in Watte gepackt wurde.

Motorsportchef Dr. Helmut Marko, Max Verstappen und Teamchef Christian Horner in der Red Bull-Box
Die Red-Bull-Bosse kritisierten Verstappen nicht, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Für den Team-Erfolg könnte das aber ebenfalls kontraproduktiv sein: "Die müssen wieder auf einem anderen Niveau zueinander finden. Dass man Kritik ausspricht, dass man sie ankommen lässt und dass man das Ganze auch vernünftig umsetzt. Bei solchen harten Vorwürfen passiert normalerweise im Team immer folgendes: Da gibt es immer ein paar, die die klassische Arschkarte gezogen haben. Und die sind dann beleidigt. Gerade die Strategie hat doch wirklich großartig gearbeitet. Und jetzt kriegen die da ein Bashing ab, das gerade so pfeift, da wäre ich schon beleidigt."

Trotz aller Kritik: Der Rennfahrer Max Verstappen muss sich nicht ändern

Wohlgemerkt geht es hierbei aber um den Team-internen Umgang miteinander. Dass Verstappen seinen Rennfahrercharakter ändern sollte, das empfindet Danner aber nicht: "Wenn ich da vorne rumfahre, dann kann ich mir das alles einteilen, bin souverän, ein echter Gentleman und alles passt. Kaum bin ich im Infight, da wird es dann schon wieder anders. Aber das ist kein Vorwurf. Ich finde nicht, dass er sich ändern muss und seine Grundsatzeinstellung ändern sollte, die ja ziemlich kernig ist. Er sollte seinen Stiefel weiterfahren. So ist es nun mal. Als ein Alonso gegen einen Schumacher fuhr, war das auch nicht mit Samthandschuhen. Die haben schon gewusst, wie sie miteinander umgehen."