Die Formel 1 kürt 77 Tage nach dem Premierenerfolg von Lando Norris schon wieder einen neuen Grand-Prix-Sieger - und der heißt Oscar Piastri. Doch den ersten Sieg möchte wohl jeder Formel-1-Fahrer normalerweise unter anderen Umständen einfahren. Letztlich war es nämlich die Team-Anweisung von McLaren, die Piastri kurz vor Schluss an Norris vorbeibrachte. Zuvor hatte Piastri seine Position aufgrund der schlechteren Strategie an seinen Teamkollegen verloren.
Trotz Doppelsieg in Ungarn: McLaren hat Optimierungspotenzial
Teamorder? Kein Grund für Piastri, sich nicht über den Sieg beim Großen Preis von Ungarn zu freuen: "Natürlich bin ich sehr, sehr glücklich. Es gibt noch einige Dinge, die ich verbessern kann und an denen ich arbeiten muss. Aber ich habe das Gefühl, in diesem Rennen vieles richtig gemacht zu haben und bin unglaublich glücklich über meinen ersten Sieg."
Nach dem großen Miami-Upgrade präsentiert sich der MCL38 als stärkstes Gesamtpaket im Feld. Norris und Piastri können seitdem an fast jedem Rennwochenende um den Sieg mitfahren. "Das Auto ist im Moment ein Biest, unter allen Bedingungen schnell", schwärmte Piastri nach dem Rennen in Ungarn.
Doch an der teaminternen Ausführung ihrer Rennen haperte es zuletzt - McLaren verpasste einen Sieg nach dem nächsten. Und trotz des Doppelerfolgs beim Ungarn GP muss das Team auch hier im Nachgang eine taktische Entscheidung hinterfragen. Dabei hatte das Team mit den Startpositionen 1 und 2 ideale Voraussetzungen für das Rennen auf dem wenig überholfreudigen Hungaroring.
Während Norris mit einem schwachen Start auf den dritten Platz zurückfiel, nutzte Piastri die Gelegenheit und führte das Rennen bis Runde 47 an. "Ich habe mich am Start in die richtige Position gebracht", stand der Australier für seine starke Leistung ein.
Der kritische Moment ereignete sich, als der zweite Reifenwechsel anstand. Bereits in der ersten Boxenstopp-Phase wurde klar, dass ein Undercut (also ein früherer Boxenstopp) in Budapest gut funktioniert. Normalerweise gebührt dem besser platzierten Fahrer eines Teams auch die Ehre des früheren Stopps. McLaren hingegen entschied sich bewusst gegen diese Konvention, als sie Norris in Runde 45 für einen Wechsel auf Medium-Reifen an die Box riefen. Zwei Runden später holten sie Piastri zum Reifenwechsel herein - in diesen beiden Umläufen konnte Norris den Vorteil seiner frischen Reifen ausspielen und seinen Teamkollegen mit einem erfolgreichen Undercut hinter sich lassen.
Oscar Piastri: Platztausch war fair - trotz fehlender Pace!
Von diesem Moment an, gab es einen regen Funkverkehr zwischen Norris und seinem Renningenieur Will Joseph sowie zwischen Piastri und seinem Renningenieur Tom Stallard. Der Tenor: McLaren wollte die Positionen seiner Piloten tauschen, Norris machte jedoch keine Anstalten, dem Folge zu leisten. Das Problem: Piastri war nicht dazu in der Lage, die Lücke zu Norris aus eigener Kraft zu schließen.
Nachdem der Brite zwischenzeitlich bereits über sechs Sekunden Vorsprung auf Piastri herausgefahren hatte, gehorchte er in Runde 67 doch noch der Anweisung seines Teams und ließ seinen Teamkollegen demonstrativ passieren. Dadurch überquerte Piastri zwei Sekunden vor seinem Gehilfen als Erster die Ziellinie. Im Ziel angekommen funkte Piastri: "Entschuldigung, dass ich den Platztausch schwerer gemacht habe, als es sein musste."
Aber was war der Grund dafür, dass der Formel-2-Meister von 2021, der einen Großteil des Rennens vorneweg fuhr, auf dem letzten Stint die Lücke nicht schließen konnte? "Ich denke, dass wir das ganze Rennen über gleichauf waren. Die verwirbelte Luft hat einen großen Unterschied gemacht. Ich war beim letzten Stint einfach nicht so schnell, wie ich es hätte sein müssen. Ich bin natürlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis, aber wenn ich das Wochenende mit der Frage verlasse, ob ich mit meiner Leistung heute voll zufrieden bin, dann bin ich es nicht", offenbarte Piastri nach dem Rennen ehrlich.
Nichtsdestotrotz empfand er die Durchführung des Platztausches als gerecht: "Wir waren am Ende auf verschiedenen Strategien, um verschiedene Leute zu covern. Ich denke, dass es fair war, uns zurückzutauschen." Norris sollte früher an die Box kommen, um den Stopp von Lewis Hamilton zu kontern, wohingegen Piastri sein Rennen gegen Max Verstappen fahren sollte, der später zum Stopp kommen würde. So erklärte der Australier die McLaren-Strategie. "Das hat Lando natürlich einen Undercut verschafft und die Dinge etwas komplizierter gemacht als sie sein mussten."

Ein Formel-1-Team hält zusammen: 100 Prozent Vertrauen
Piastri hätte allerdings nie die Sorge gehabt, dass sein Teamkollege die Position nicht wieder hergibt: "Zum Zeitpunkt des Stopps haben wir darüber gesprochen, dass wir die Sache wieder in Ordnung bringen würden. Ich hatte volles Vertrauen in jeden im Team - auch in Lando - dass wir das hinbekommen werden."
Dieses Vertrauen bekräftigt auch McLaren-Teamchef Andrea Stella: "Ich kenne das Wesen der beiden Jungs ganz genau. Im Herzen sind beide sowohl Rennfahrer als auch Teamplayer. Sie sind sehr ausgeglichen und deshalb sind sie McLaren-Fahrer. Mein Vertrauen lag bei 100 Prozent."
Das maximale Ergebnis, das McLaren in Budapest erzielt hat, bedeutet für den Rennstall aus Woking einen Meilenstein: Stella zufolge nicht nur im Hinblick auf die WM-Wertung (für die es nach aktuellem Stand sogar vorteilhafter gewesen wäre, wenn Norris das Rennen gewonnen hätte), sondern vor allem, weil es zeige, was das Team seit dem letzten Jahr erreicht hat: Mit seinem Auto und seinen Fahrern ist McLaren in der Formel 1 wieder siegfähig.
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