"Wir sind eine Racing-Familie - auch in schwierigen Zeiten!" Mit dieser Überschrift beginnt ein Statement von Dr. Alexandra Kohlmann, Geschäftsführerin der Rowe Mineralölwerk GmbH und Mitbesitzerin des Rennstalls Rowe Racing, auf Instagram. Die Tochter von Rowe-Gründer Michael Zehe stellte sich offen hinter die Rennfahrerin Alesia Kreutzpointner, der im Zuge eines Unfalls mit dem #99 Rowe-BMW bei den 24h Nürburgring die Nordschleifen-Permit entzogen worden war.

Nach der Kollision mit dem zu diesem Zeitpunkt Gesamtführenden Rowe-Piloten Sheldon van der Linde sah sich die 25-Jährige offenbar einigen Anfeindungen in den sozialen Netzwerken ausgesetzt. Die Höhe der Strafe - Permit-Entzug und 1.500 Euro Geldstrafe - sorgte unterdessen für rege Diskussionen im Fahrerlager am Nürburgring.

"Unerträglich": Rückendeckung für Rennfahrerin

"Ja, unser Auto ist kaputt", schrieb Dr. Kohlmann in ihrer öffentlichen Nachricht. "Aber die Folgen sind auch: Alesia wird plötzlich angefeindet und beschimpft. Der Tenor bei vielen: "War ja klar, eine Frau". Für mich unerträglich." Dabei seien Alesia Kreutzpointner und ihre Zwillingsschwester Jacqueline, mit der sie sich den #420 Porsche Cayman von Four Motors unter anderem teilte, das, "was wir nicht nur im Rennsport dringend brauchen: Echte Vorbilder für andere junge Frauen".

"Der kurze Moment auf der Nordschleife war ein Unfall. Keine Absicht. Das ist auch schon unzähligen Männern passiert. Im Motorsport sind wir eine große Gemeinschaft, keine Gegner. Das gilt auch in schwierigen Zeiten", fuhr Dr. Kohlmann fort und erhielt für ihren Instagram-Post zahlreichen Zuspruch von Motorsport-Fans und Rennfahrern wie der Nordschleifen-Ikone Christian Menzel.

"Och, ich bin bis jetzt immer nur von Männern ins Aus befördert worden. Die können das auch!", schrieb Menzel in seiner typisch offenen Art. "Tolle Geste von Ihr und von euch! Wir alle sind nicht fehlerfrei, wichtig ist, darüber zu sprechen und es zukünftig besser zu machen! Und den Mut haben, zu einem Fehler zu stehen, dann wird man meist mit offenen Armen empfangen! Irgendwie doch ein nettes Happy End."

Rennfahrer-Tochter Kreutzpointner entschuldigte sich nach dem Unfall in der 22. Rennrunde umgehend und mehrfach bei der enttäuschten Rowe-Mannschaft. "Sie hat mich nicht gesehen, ich war in ihrem Blind Spot", sagte Sheldon van der Linde kurz nach dem vorzeitigen Ausfall des #99 BMW M4 GT3. "Sie sagte zehnmal 'Sorry', das ist extrem nett von ihr. Aber das rettet unser Rennen nicht."

Kelvin van der Linde: Für Mut beglückwünschen statt Hass verbreiten

Sheldons älterer Bruder, Kelvin van der Linde, stärkte der ins Fadenkreuz von Social-Media-Hate geratenen Kreutzpointner-Schwester am Montag den Rücken. "Ein weiterer Fall, wie Dinge in den sozialen Medien komplett außer Kontrolle geraten können", schrieb Kelvin, der nach dem DTM-Finale am Norisring 2021 selbst schon einmal widerliche Hasstiraden über sich ergehen lassen musste, am Montag in einer Instagram-Story. "Fehler werden gemacht, daraus lernen wir alle."

Van der Linde weiter: "Alesia und ihre Schwester sind zwei starke Rennfahrerinnen, die die Flagge für Geschlechtergleichheit in unserem Sport hochhalten. Statt Hass zu verbreiten, sollten wir sie für ihren Mut beglückwünschen, die härteste und beängstigendste Rennstrecke der Welt anzugehen."

"99,9 Prozent derer, die ihre Meinung in den sozialen Medien teilen, wissen nicht, was wir auf dieser Strecke durchmachen. Das ist eine mentale Achterbahn für uns alle! Und ob ihr es glaubt oder nicht: Die Herausforderungen für die kleineren Klassen sind im Verkehr noch größer als für die GT3-Autos."

"Ich bitte euch alle, eine Nachricht der Unterstützung an Alesia zu schicken, um all die lächerlichen Kommentare von Menschen wegzuwischen, die absolut keine Ahnung haben von dem, worüber sie sprechen!"

Neues Video vom Unfall: Giti-BMW überschlägt sich

Der frühere DTM-Champion Sheldon van der Linde hatte sich in der 22. Rennrunde auf Platz eins liegend angeschickt, den Cayman-Porsche sowie den daneben fahrenden #507 1er BMW von Giti Tire zu überrunden. Dann verlor der BMW-Werksfahrer die Kontrolle über den BMW M4 GT3 und knallte in die Leitplanken, nachdem er offenbar von Alesia Kreutzpointner in ihrem Four-Motors-Porsche berührt und mit der linken Fahrzeugseite in den 1er BMW geschoben wurde.

Während des Rennens waren von dem Unfall nur Onboard-Aufnahmen aus dem Rowe-BMW zu sehen. Später veröffentlichte Fan-Videos zeigten, wie der Giti-BMW rechts in die Streckenbegrenzung einschlug, vom Asphalt abhob, sich überschlug und auf der anderen Seite der Fahrbahn zum Stehen kam. Alle Fahrer blieben in dieser Situation glücklicherweise unverletzt.

Die Sportkommissare, denen in der Race Control stets mehr Kameraperspektiven zur Verfügung stehen als der Öffentlichkeit, bewerteten die am Sonntagmorgen ausgesprochene Strafe gegen Kreutzpointner mit Blick auf die Gesamtsituation als "ausreichend, aber nötig".

Alesia Kreutzpointner, die Tochter des früheren DTM-Piloten und Le-Mans-Starters Fritz Kreutzpointner, gab 2020 ihr Debüt im Automobilsport und startete zunächst in der ADAC GT4 Germany. 2021 und 2022 bestritt sie zudem Rennen auf dem Nürburgring im Rahmen der NLS-Serie sowie im BMW M2 Cup. 2023 erlangte sie zusammen mit Schwester Jacqueline ihre Nordschleifen-Permit.