Das mit nur 50 Runden kürzeste 24h-Rennen Nürburgring in der Geschichte des Eifel-Klassikers seit 1970 könnte ein langwieriges Nachspiel haben. Das Team Rowe Racing hat angekündigt, gegen einen nach Rennende abgewiesenen Protest in Berufung zu gehen.
Das BMW-Kundenteam hat ab der Ankündigung 96 Stunden Zeit, den Protest schriftlich zu formulieren. Geschieht das bis spätestens Donnerstag, 06. Juni 2024 um 18:15 Uhr, landet der komplexe Fall vor dem DMSB-Berufungsgericht in Frankfurt. Bis zur endgültigen Klärung bleibt das Ergebnis der 52. Auflage des 24-Stunden-Rennen mit dem Sieg des #16 Scherer-Audi vorläufig.
Rowe Racing argumentiert: Rennen nicht korrekt beendet
Rowe Racing, das mit seinem #98 BMW M4 GT3 (Marciello/Martin/Wittmann/Farfus) im provisorischen Ergebnis auf dem siebten Platz gewertet wurde, rechnet sich offenbar Chancen auf einen nachträglichen Gesamtsieg am 'Grünen Tisch' aus.
"Aus unserer Sicht ist das Rennen nicht korrekt beendet worden", argumentierte Rowe-Teamchef Hans-Peter Naundorf am Sonntag. Dabei wies er auf das ISG der FIA - das Internationale Sportgesetz, das die Rahmenbedingungen des Motorsports abbildet -, auf das Rundstreckenreglement des Deutschen Motorsport Bundes (DMSB) sowie auf die Ausschreibung des Veranstalters ADAC Nordrhein hin. "Das Rennen hätte nicht mit karierter Flagge abgewunken werden dürfen. Deshalb versuchen wir unser Recht, dass das Sportgesetz zulässt, umzusetzen."
24h-Rennen Nürburgring: Unterbrochen oder beendet?
In seinem Protestschreiben gegen die Wertung des Ergebnisses hatte Rowe Racing angeführt, dass das Rennen um 15:05 Uhr "unterbrochen" worden sei. Das geschieht üblicherweise mit einer roten, und nicht mit einer schwarz-weiß karierten Flagge. In diesem Fall greifen unterschiedliche Regeln für die weiteren Abläufe und das Klassement. Dazu später mehr. Die Sportkommissare vor Ort urteilten allerdings, dass diese Begrifflichkeit nicht korrekt sei. Stattdessen sei das Rennen zu dieser Zeit "beendet" worden.
Dabei verwiesen die Stewards auf Artikel 22 der DMSB-Rundstreckenregularien, in dem es unter anderem heißt: "Wenn die karierte Flagge vorzeitig geschwenkt wird, ist dieser Zeitpunkt entscheidend für die Klassifikation."
Stewards-Urteil: Kein Nachteil für Rowe-BMW?
Außerdem merkten die Sportkommissare an, dass Rowe Racing "keinen Nachteil" dadurch erlitten habe, dass die "karierte Flagge zu früh gezeigt" wurde. Und weiter: "Egal, ob das vorzeitige Schwenken der karierten Flagge als Fehler betrachtet wird oder nicht, ist die Reihenfolge des Vorbeifahrens zu diesem Zeitpunkt entscheidend." Deshalb sei der Protest von Rowe Racing unbegründet.
Rowe Racing hingegen fühlte sich durch den Ablauf benachteiligt. Teamchef Naundorf verwies auf die komplizierte Thematik mit Stint- und Boxenstandzeiten, die seiner Meinung nach eine große Rolle gespielt hätten: "Wir haben eine Strategie erarbeitet, von der wir glauben, dass sie richtig gewesen ist und mit der wir bei der Einhaltung aller Regeln das Rennen gewonnen hätten."

Welche Rolle spielten die späten Boxenstopps?
Raffaele Marciello, Schlussfahrer im #98 BMW M4 GT3, legte in der dritten (Runde 48) der fünf zuvor angekündigten Formationsrunden einen Boxenstopp ein. Auch andere Teams hinter den Top-5 steuerten hinter dem Führungsfahrzeug die Boxengasse an. Womöglich, um sich einen Vorteil über die Reifenwahl oder den Tankinhalt im Falle eines möglichen Restarts bis zum eigentlichen Rennende um 16:00 Uhr zu erarbeiten. Dadurch fielen sie im Feld zurück.
Zu diesem Zeitpunkt war offiziell noch nicht bekannt, ob es weitergehen würde. In einer zuvor verschickten Mitteilung der Rennleitung hieß es, dass das Rennen um 13:30 Uhr hinter dem Safety Car wieder aufgenommen wird, und: "Die verbleibende Renndauer ist mindestens fünf Runden." In Abhängigkeit der Wetterbedingungen werde das Safety Car in die Box fahren und das Rennen unter grüner Flagge weitergeführt. Zum genauen Ablauf im Falle eines vorzeitigen Rennendes gab es keine schriftliche Information.
Zu einem Restart unter grünen Flaggen kam es bekanntermaßen nicht: Das Rennen wurde wegen dauerhaftem Nebel nach den fünf Formationsrunden hinter dem Führungsfahrzeug mit karierter Flagge abgewinkt. Die Mitteilung erschien um 14:49 Uhr: "Kein Restart! Safety Car kommt in dieser Runde rein. Überholen ist nicht erlaubt."
Erklärt: Andere Startreihenfolge als zum Zeitpunkt der Unterbrechung
Kariert oder Rot? Jetzt wird es kompliziert, denn eine Unterbrechung mit roten Flaggen hatte es Samstagnacht um 23:22 Uhr wegen der Witterungsbedingungen gegeben. Das hatte faktisch zur Folge, dass bei den fünf Formationsrunden am Sonntagmittag nach 14 Stunden Zwangspause eine etwas andere Startreihenfolge der Autos herrschte als zum Zeitpunkt der Unterbrechung. So belegte etwa der #911 Manthey-Porsche beim Restart den zweiten Platz, obwohl er zuvor real auf Rang drei fuhr.
Diese grundsätzliche Regelung begründete der Veranstalter in einer Presse-Info am Samstag wie folgt: "Basis für die Reihenfolge ist der Stand des Rennens in der Runde, in der der jeweilige Klassenführende das vorletzte Mal vor der roten Flagge die Ziellinie überquert hat. In dieses Ergebnis werden die zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Mindestboxenstandzeiten inklusive etwaiger Zeitstrafen eingerechnet - denn für jede gefahrene Rennrunde wird in den einzelnen Klassen eine bestimmte Mindestzeit für den nächsten absolvierten Boxenstopp fällig."
Als Beispiel wurde angefügt: "Ein SP9-Fahrzeug, das gerade erst in der Box war, müsste im laufenden Rennen etwa bei einem Stopp nach einer (1; d. Red.) Runde 56 Sekunden Standzeit einhalten und nach 8 Runden 197 Sekunden. Die auf diese Weise durch die zum Zeitpunkt des Abbruchs unterschiedlichen Stintlängen verursachten Unterschiede werden in das Ergebnis eingerechnet, was zu einer Abweichung von der Reihenfolge bei der Zieldurchfahrt beim Abbruch führen kann."
Eine regulatorisch hochkomplexe Angelegenheit und für Außenstehende schwer verständlich, auf die sich Rowe Racing nun aber offenbar bezieht. Wandert der Fall tatsächlich vors DMSB-Berufungsgericht und erhielte das BMW-Kundenteam Recht, könnte das finale Ergebnis des 24h-Rennen Nürburgring auf den Kopf gestellt werden.
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