Jorge Martin geht als amtierender Weltmeister in die MotoGP-Saison 2025. Dabei handelt es sich um eine außergewöhnliche Titelverteidigung, denn erstmals seit mehr als 20 Jahren hat der Champion Team und Hersteller nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft gewechselt. In der 75-jährigen Geschichte der Königklasse ist dieser Vorgang eine Seltenheit. Doch die letzten Vorgänger Martins dürften ihm für sein Aprilia-Abenteuer Mut machen.

Weltmeister-Wechsel zunächst keine gute Idee: Selbst der Größte verpokert sich

Los ging es mit den gewechselten Weltmeistern bereits in der Saison 1953. Allerdings handelte es sich damals um eine ebenso außergewöhnliche wie unglückliche Episode. Umberto Masetti ging von Gilera zu NSU. Dabei wechselte er aber nicht nur die Marke, sondern auch die Klasse. Als einziger Weltmeister ging er den Schritt zurück von den 500ern zu den 250ern. Viel gibt es davon aber leider nicht zu berichten. Ein schwerer Unfall in Imola verhinderte die Teilnahme am Großteil der Saison. Nur ein Rennen bestritt der Italiener letztlich für die deutsche Marke. 1954 ging es dann sofort wieder zurück zu Gilera in die Königsklasse, aber mit weniger Erfolg als zuvor. In fünf Jahren gelang nurmehr ein Sieg.

Der erste Wechsel eines Weltmeisters war also ein Fiasko. Dementsprechend dauerte es auch wieder einige Zeit, bis sich ein weiterer Champion dies zutraute. Niemand geringeres als der wohl beste Motorrad-Fahrer der Geschichte wagte es schließlich: Giacomo Agostini. Und das nicht irgendwie, denn 'Ago' gründete 1976 mit seinem Bruder Felice sein eigenes Team, nachdem er Yamaha verlassen hatte. Doch der Erfolg blieb aus. Zunächst versuchte er es mit MV Agusta Maschinen, die jedoch zu brutschwach waren. Von Suzuki gab es dann nur Kundenmaterial, welches im Rennen in die Knie ging. Es ging zurück zu den Italienern. Damit gelang wenigstens noch der letzte Karrieresieg.

Giacomo Agostino
Giacomo Agostini scheiterte mit seinem eigenen Team, Foto: LAT Images

Und auch den dritten Wechsel eines Weltmeisters beging ein Italiener. Marco Lucchinelli zog es 1982 von Suzuki zu Honda. Ein gutes Angebot des Werks aus Asaka war zu verlockend gewesen. Doch es lohnte sich nur finanziell. Lucchinelli hatte keine Chance auf die Titelverteidigung. Er blieb nicht nur sieglos, sondern als WM-Achter sogar ohne ein einziges Podium. Noch schlimmer machte die Sache aber das Abschneiden seiner Teamkollegen. Freddie Spencer und Takazumi Katayama gewannen zusammen immerhin drei Rennen und bewiesen damit, dass die NS500 durchaus konkurrenzfähig war.

Eddie Lawson bricht den Fluch

Nach den ersten drei Fällen stellen wir also eine verheerende Bilanz fest: Sie alle sind eindeutig gescheitert. Doch Jorge Martin sollte deswegen keine Panik bekommen, denn dieser 'Fluch' wurde bereits doppelt gebrochen. Und das sogar auf die eindrucksvollste Art und Weise, die möglich ist. Allerdings sollte es bis 1989 dauern, bis der Grundsatz 'Never change a winning team' erstmals widerlegt wurde.

Eddie Lawson (l.) setzte sich 1989 gegen starke Konkurrenz durch, Foto: Milagro
Eddie Lawson (l.) setzte sich 1989 gegen starke Konkurrenz durch, Foto: Milagro

Damals war es Motorrad-Legende Eddie Lawson, der das Paddock schockte. Der US-Amerikaner hatte mit Yamaha bereits drei Titel gewonnen, und dennoch verließ er das Werk, um ausgerechnet zu Erzrivale Honda zu wechseln. Und dabei ging es noch nicht einmal zu deren Werksteam, sondern in die Kundenmannschaft von Erv Kanemoto. Mit seinem Landsmann wollte Lawson unbedingt zusammenarbeiten. Tatsächlich trug dies Früchte: Als erster gewechselter Weltmeister hatte 'Steady Eddie' nicht nur Erfolg, sondern er verteidigte sogar den Titel. Damit ist er in der MotoGP-Geschichte aber nicht allein.

Rossi-Wechsel leitet Ära ein

Denn letztlich sollte im vierten Versuch auch ein Italiener in der Lage sein, einen erfolgreichen Wechsel als Weltmeister hinzulegen. Im Nachhinein betrachtet war es wohl der Wechsel schlechthin, doch als Valentino Rossi im Jahr 2004 von Honda zu Yamaha ging, runzelte das Paddock zunächst mit der Stirn. Yamaha hatte 2003 nicht einen Sieg eingefahren, während Honda nicht nur mit Rossi ganz vorne fuhr. In den ersten Fünf der WM fanden sich vier Hondas.

Valentino Rossi zu Yamaha war ein Volltreffer, Foto: xpb.cc
Valentino Rossi zu Yamaha war ein Volltreffer, Foto: xpb.cc

Der 'Doktor' wollte dennoch beweisen, dass der Erfolg vor allem an seiner fahrerischen Klasse lag. Honda hatte vielmehr das Material verantwortlich gemacht und damit den Italiener brüskiert. Yamaha-Manager Davide Brivio erkannte dies und fädelte den Sensationswechsel ein. Und Rossi lieferte komplett ab. Souverän sicherte er sich auch 2004 den Titel. Doch nicht nur das. Im Vergleich zu Lawson setzte die Nummer 46 sogar noch einen drauf, denn es sollten noch drei weitere Titel für Yamaha folgen.

Gemischte Bilanz: Wo reiht sich Jorge Martin ein?

Drei Reinfällen stehen also auch zwei großartige Erfolgsgeschichten gegenüber. 2025 lautet nun die Frage, wo sich Jorge Martin mit seinem Wechsel zu Aprilia einreihen wird. Die Vorzeichen stehen wohl darauf, dass er sich als Erster in der Kategorie 'Weder noch' wiederfinden könnte. Der technische Rückstand Noales auf die Dominatoren von Ducati erscheint zumindest vor der Saison zu groß für eine Titelverteidigung. Einen derartigen Absturz wie Masetti, Agostini und Luchinelli muss der 'Martinator' allerdings auch nicht erleben.

Jetzt seid ihr gefragt: Was traut ihr Jorge Martin auf der Aprilia zu? Wo wird er sich im Vergleich zu seinen Vorgängern einreihen? Sagt es uns in den Kommentaren.