Am Ende war alles wie erwartet: Zweites MotoGP-Rennen im Jahr 2025, zweiter Sieg für Marc Marquez. Nach dem Sprintsieg am Samstag gewann der Ducati-Pilot 24 Stunden später auch den Thailand-GP letztlich relativ komfortabel mit 1,732 Sekunden Vorsprung. Doch das Endklassement aus Buriram erzählt am Sonntag bei Weitem nicht die gesamte Geschichte.

Nachdem Marquez den Start gewonnen und sich in der Anfangsphase bereits etliche Meter vom Rest des Feldes abgesetzt hatte, wendete sich das Blatt zu Beginn der siebten Runde. Gerade auf Ducati-Teamkollege Francesco Bagnaia fokussiert, schwenkten die TV-Kameras urplötzlich auf einen langsamen Marquez, der auf der langen Geraden zwischen Turn 3 und 4 seinen Bruder Alex vorbeiwinken musste. Die erste Reaktion: Ein technisches Problem hatte die Startnummer 93 erfasst! Entgegen aller Erwartungen rollte Marquez dann allerdings nicht aus, sondern beschleunigte wieder und hängte sich fortan für viele Runden direkt an das Heck seines jüngeren Bruders.

Marc Marquez lässt Alex im Thailand-GP vorbei: Warum?

Was war das los? Das fragte sich während des Thailand-GP die gesamte MotoGP-Familie - und auch innerhalb der Ducati-Box herrschte zunächst Unklarheit. "Wichtig ist nur, dass das Motorrad funktioniert", konnte etwa auch Teammanager Davide Tardozzi im offiziellen MotoGP-Livestream erstmal keine Erklärung liefern. Erst nach Rennende brachte Ducati-Sportdirektor Mauro Grassilli am Mikrofon von 'ServusTV' etwas Licht ins Dunkel: "Ich habe mit den Jungs aus der Garage gesprochen, es war wohl wirklich eine Strategie von ihm. Er hat eine Warnung bekommen, musste stoppen. Deswegen hat er das gemacht."

Gemeint war damit natürlich der Mindestreifendruck. Dieser gilt in der MotoGP bekanntlich seit der zweiten Saisonhälfte 2023, bei einer Unterschreitung drohen seit 2024 im Sprint Zeitstrafen von acht Sekunden im Grand-Prix-Rennen Zeitstrafen von 16 Sekunden. Und genau diese fürchtete Marquez, wie er wenig später in der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz verriet. "Ich bin gut gestartet und habe mich in den ersten Runden sehr geschmeidig und schnell gefühlt. Ich bin sehr gut gefahren, dann war mein Reifendruck aber zu niedrig", berichtete er.

Marc Marquez (Ducati Lenovo Team)
Marc Marquez führte die ersten Runden im Thailand-GP komfortabel an, Foto: IMAGO / PsnewZ

Mindestreifendruck zwingt Marc Marquez zu MotoGP-Spielchen

Daraufhin versuchte Marquez alles, um den Reifendruck wieder ins passende Fenster zu bekommen, doch das klappte nicht. "Zwei Runden lang habe ich probiert, härter zu bremsen und den Druck dadurch wieder nach oben zu bekommen. Das habe ich alleine aber nicht hinbekommen", erzählt der Ducati-Pilot und entschied sich daher zu einem Mittel, welches er 2024 schon bei der Dutch TT in Assen zur Anwendung gebracht hatte. "Ich habe dann auf Alex gewartet und angefangen, die Runden zu zählen. Ich brauchte drei Runden Spielraum."

Laut MotoGP-Reglement muss der Mindestreifendruck im Grand Prix bei mindestens 60 Prozent der Rennrunden eingehalten werden. Bei einer Gesamtdistanz von 26 Runden entspricht das in Buriram einer Mindestzahl von 16 Runden. Sechs volle Runden hatte Marquez bereits absolviert, ehe er Bruder Alex vorbeiließ, folglich durften maximal noch drei Runden unter dem Mindestdruck dazukommen. Und genau deshalb wartete der MotoGP-Superstar auch bis zum Ende der viertletzten Runde, ehe er Alex Marquez zurücküberholte und seinen 89. Grand-Prix-Sieg eintütete. Zuvor nutzte er die ausströmende Hitze der Gresini-Ducati, um den Luftdruck im eigenen Vorderreifen wieder ins erlaubte Fenster zu bringen - mit Erfolg.

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Schließlich hatte Marquez ja auch schon am Samstag das gesamte Rennen über geführt und im Grand Prix war eigentlich kein anderer Rennverlauf zu erwarten. Ein Missverständnis war wohl schuld. "Wir müssen noch verstehen warum, gestern haben sie besser kalkuliert", kommentierte der sechsmalige MotoGP-Weltmeister zunächst und meinte dann: "Ich bin neu im Team und sie müssen mich erst noch richtig kennenlernen. Manchmal, wenn ich die Pace habe, ändere ich meinen Fahrstil am Sonntag. Ich pushe die Front weniger, weil du darüber leicht stürzen kannst, und das will ich natürlich nicht. Vielleicht hat der Druck deshalb nicht gepasst, weil ich anders gefahren bin. Das ist uns jedenfalls eine Lehre für die Zukunft."

Alex Marquez rätselt: Rote Flagge übersehen?

Letztlich hatte der Vorfall ja auch keine Auswirkungen, der Ducati-Neuzugang siegte trotzdem - für eine skurrile Situation sorgte er allerdings allemal. "Ich dachte erst, dass es vielleicht eine Rote Flagge gab. Ich war mitten in der Kurve und habe kein Lichtpanel gesehen", wunderte sich Alex Marquez über seinen plötzlich ausrollenden Bruder. Als dieser hinter ihm wieder einscherte, wurde der Startnummer 73 aber schnell klar, was vor sich ging: "Ich dachte, dass er vielleicht ein Problem hatte, aber ich dachte mir schon, um was geht. Dass sein Reifendruck zu niedrig war und er ihn wieder erhöhen musste."

Marc Marquez (Ducati Lenovo Team) führt vor Bruder Alex Marquez (BK8 Gresini Racing MotoGP)
In der viertletzten Runde überholt Marc Marquez Bruder Alex wieder, Foto: IMAGO / PsnewZ

Folglich machte sich der jüngere Marquez-Bruder auch keine großen Hoffnungen, den Thailand-GP bis zum Ende anführen zu können. Es kam, wie es kommen musste. "Ich hätte es mir nicht besser erträumen können, meine Zeit bei Ducati mit der Pole Position und dem Doppelsieg zu beginnen. Das ist unglaublich", jubelte Marc Marquez über das (nahezu) perfekte Debüt in Rot. "Dann noch das Podium mit deinem Bruder zu teilen, in der MotoGP, der höchsten Kategorie, in einem normalen Wochenende, an dem nur [Jorge] Martin gefehlt hat - mehr geht nicht. Ich bin überglücklich, so in die neue Weltmeisterschaftssaison zu starten!"

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