Der ultra-enge Kampf um die DTM-Meisterschaft 2024 geht in seine vorletzte Runde. Auf dem Red Bull Ring in Spielberg (27.-29. September) stehen die Saisonrennen Nummer 13 und 14 auf dem Plan. Kelvin van der Linde (Abt-Audi), Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini) oder Maro Engel (Winward-Mercedes): Welcher Fahrer aus dem Trio der heißesten Titelanwärter verschafft sich die beste Ausgangslage für das Saisonfinale auf dem Hockenheimring?

Theoretisch könnte die Meisterschaft schon in Spielberg entschieden werden. Van der Linde führt die DTM-Tabelle mit sieben Punkten Vorsprung auf Bortolotti sowie 15 Zähler vor Engel an. Realistisch betrachtet geht es für die drei Titelaspiranten allerdings mehr darum, wer die wenigsten Punkte verliert und die beste Schadensbegrenzung betreibt!

DTM-Tabelle 2024: Top-6 der Gesamtwertung

Pos.FahrerTeamPunkte
1Kelvin van der LindeAbt-Audi170
2Mirko BortolottiSSR-Lamborghini163
3Maro EngelWinward-Mercedes155
4Jack AitkenEmil-Frey-Ferrari120
5Thomas PreiningManthey-Porsche119
6Sheldon van der LindeSchubert-BMW115

Spielberg: Audi, Lamborghini und Mercedes im Hintertreffen

Der Red Bull Ring mit seinen knapp 700 Metern Höhenlage liegt weder Lamborghini, noch Mercedes-AMG und gilt sogar als Angststrecke für den Audi R8 LMS GT3, den van der Lindes Team Abt Sportsline zum voraussichtlich letzten Mal in der DTM einsetzt. Der Kemptener Rennstall steht vor einem Markenwechsel für 2025, die Tendenz geht klar in Richtung Lamborghini. Für das Wochenende hat Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk zu einer Medienrunde geladen.

Audi-Rennwagen tun sich seit Jahren extrem schwer auf dem Formel-1-Kurs in der Steiermark, doch 2023 gelang van der Linde und den Äbten ein Wunder: Der Deutsch-Südafrikaner triumphierte im Regenrennen am Samstag, Teamkollege Ricardo Feller wurde Dritter. Kein Wunder, dass 'KVDL' erneut auf nasse Bedingungen hofft. Seine Wünsche könnten Gehör beim Wettergott finden: Zumindest für den Rennsamstag ist leichter Regen vorhergesagt.

"Am Sonntag im Trockenen waren wir dann allerdings nirgendwo", erinnerte Ex-DTM-Champion Tomczyk an die Kräfteverhältnisse unter normalen Verhältnissen. Im zweiten Rennen des Vorjahres feierten stattdessen die Schubert-BMW-Piloten Rene Rast und Kelvins Bruder, Sheldon van der Linde, einen fulminanten Doppelsieg. Für den BMW M4 GT3 gilt der Red Bull Ring als absolute Paradestrecke, wie Sheldon van der Lindes Bestzeit beim eintägigen Test letzte Woche untermauerte.

"Der Top-Speed ist entscheidend", erklärte Abt-Ass Kelvin van der Linde das Problem für die Marke mit den vier Ringen. "Dafür bräuchten wir mehr Motorleistung und mehr Drehmoment." Immerhin erhält der Audi R8 für Spielberg einen um 0,5 Millimeter größeren Restriktor (37 statt 36,5 mm) als vor drei Wochen am Sachsenring. Das verleiht ein paar wenige Extra-PS, während das Gewicht mit 1.295 Kilogramm unverändert bleibt. Allerdings schleppt van der Linde wegen seines Sachsenring-Podiums 10 Kilo Erfolgsballast mit sich herum.

DTM-Meister? Es geht auch ohne einen Saisonsieg

Auch für Titelrivale Bortolotti geht es darum, trotz schwieriger Voraussetzungen möglichst viele Punkte mitzunehmen. Wenn jemand dafür in der DTM prädestiniert ist, dann der in Wien lebende Italiener: Bortolotti bugsierte seinen SSR-Lamborghini Huracan GT3 Evo2 bereits sechsmal in die erste Startreihe und fuhr fünfmal aufs Podium. Nur AMG-Ass Maro Engel stand häufiger auf dem Treppchen.

Bortolotti gilt als 'Mister Konstanz' der DTM, nur ein Sieg ist dem Lamborghini-Werksfahrer in dieser Saison noch nicht gelungen. Dass man auch ohne einen Rennsieg Meister werden kann, haben allerdings schon Volker Strycek (1984) und Eric van de Poele (1987) bewiesen. Bortolotti und van der Linde wechselten sich im Verlauf der letzten drei Rennwochenenden viermal an der Spitze der Gesamtwertung ab - wer hat nach dem Spielberg-Lauf die Nase in diesem offenen Schlagabtausch vorne?

Da der Lamborghini auf der gleichen technischen Basis wie der Audi R8 beruht, plagen sich Bortolotti und SSR-Teamkollege sowie Norisring-Sieger Nicki Thiim mit ähnlichen Problemen herum. Für Spielberg dürfen die Lambos 5 Kilogramm ausladen und sind im Vergleich zum Vorjahr 15 Kilo leichter. Reicht das aus, um vorne reinzufahren? "In Österreich dürfen wir im Hinblick auf die Meisterschaft auf keinen Fall Punkte liegen lassen", mahnte SSR-Besitzer Stefan Schlund. "Wir wissen natürlich, dass es ein hartes Wochenende für uns wird. Gerade aus diesem Grund müssen wir am Red Bull Ring alle 110 Prozent geben."

Mercedes-AMG mit größerem Restriktor auf dem Red Bull Ring

Während Audi und Lamborghini in Spielberg als klare Außenseiter gelten, war Mercedes-AMG um Titelaspirant Engel in der Vergangenheit gut für das eine oder andere Podium. Der Winward-Pilot und seine Markenkollegen dürfen sich am Wochenende über einen 1 Millimeter größeren Restriktor (36 statt 35 mm) freuen und liegen Performance-technisch etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Engel, der mit sechs Podien die meisten aller Fahrer auf dem Konto hat, kann sich gute Chancen ausrechnen, Punkte auf seine Titelgegner van der Linde und Bortolotti gutzumachen.

Ein Sieg von Engel würde den engen Fight um die Meisterschaft so richtig aufmischen. Es wäre sein dritter nach bisher 104 DTM-Rennen seit 2008 für Mercedes-AMG. Zuletzt auf dem Sachsenring bescherte HRT-Pilot Luca Stolz der Marke mit dem Stern den ersten Saisonerfolg. Damit haben sechs der sieben Hersteller mit Ausnahme von DTM-Neueinsteiger Dörr-McLaren mindestens ein Rennen gewonnen.

Theorie: Der Spielberg-Sieg führt über Schubert-BMW

Als aussichtsreichster Anwärter auf Spielberg-Siege gilt das BMW-Team Schubert Motorsport mit den drei DTM-Champions Rene Rast, Marco Wittmann und Sheldon van der Linde. Dem von einem Turbomotor angetriebenen BMW M4 GT3 liegt die Höhenluft, zudem wurde das Auto auf Topspeed ausgerichtet. Ein Bremsklotz könnte neben der oftmals unterirdischen Qualifying-Perfomance die BoP sein: Die drei BMW müssen im Vergleich zum Sachsenring 35 Zusatz-Kilos einladen. Damit liegen die M4 GT3 beim Gewicht und der Motorleistung auf dem Niveau des Vorjahres, nur der Ladedruck wurde etwas gekappt.

"Obwohl die BoP im Vergleich zum Vorjahr etwas ungünstiger ausfällt, sind wir froh, dass uns das dreitägige Format mehr Zeit gibt, um an den Ergebnissen vom letzten Jahr anzuknüpfen", sagte Schubert-Teammanager und Rasts Renningenieur in Personalunion, Florian Rinkes. Zuletzt auf dem Sachsenring testete die DTM mit Blick auf die Kosten ein Zweieinhalb-Tagesformat mit nur einem Freien Training am Freitagnachmittag. Auf dem Red Bull Ring stehen wieder die üblichen zwei Trainings-Sessions am Freitag zur Verfügung.

Schubert-BMW müsste auf ganzer Linie abräumen, um seine Fahrer noch im Titelkampf unterzubringen. Sheldon van der Linde hat als Gesamt-Sechster 55 Punkte Rückstand auf seinen Bruder Kelvin, Rast auf P7 56 Zähler. Bei noch 112 zu vergebenden Punkten fokussiert sich die Truppe von Torsten Schubert wohl vorrangig auf die Verteidigung der Führung in der Team-Wertung.

Greifen die Außenseiter in den DTM-Titelkampf ein?

Da sich in der 40-jährigen DTM-Geschichte schon die eine oder andere Sensation ereignet hat, geben die Schubert-Piloten die Meisterschaft ebenso wenig auf wie Jack Aitken (Emil-Frey-Ferrari) und der amtierende Meister Thomas Preining (Manthey-Porsche), die die Plätze vier und fünf in der Tabelle belegen. Der Brite Aitken hat nach seinen vier Saison-Poles bereits drei Siege und damit die meisten aller Fahrer auf dem Konto, doch dem Schweizer Rennstall mangelt es an Konstanz. In Spielberg könnte wieder einiges drin sein für den Turbo-Ferrari 296, schon das Vorgängermodell wusste in den schnellen Kurven zu überzeugen.

Das gilt ebenso für Manthey-Porsche um Lokalmatador Preining. Der Österreicher siegte 2022 im Porsche 911 GT3 R vom Team75 Bernhard und stand letztes Jahr mit seinem Grello-Neunelfer erneut auf dem Podest. Für Preining gilt es nach einer mittelmäßigen Saison, 51 Punkte zu Spitzenreiter van der Linde aufzuholen. "Aus eigener Kraft wird in der Tabelle nicht mehr viel gehen, nur mit sehr viel Glück", glaubte er. "Im Nassen sind wir am Red Bull Ring gut aufgestellt. Im Trockenen ist es für uns immer eine Wundertüte."