Diese Kollision dürfte die Führung in der DTM-Meisterschaft gekostet haben: Kelvin van der Linde (Abt-Audi) kam im Sonntagsrennen auf dem Norisring nach einer Kollision mit Jack Aitken (Emil-Frey-Ferrari) nur als Zehnter ins Ziel. Dass der Abt-Audi-Pilot in Folge einer nachträglichen Strafe für Bruder Sheldon (Schubert-BMW) schlussendlich als Neunter gewertet wurde, bedeutete nur eine kleine Schönheitskorrektur.
Bitter für van der Linde, der zur DTM-Saisonhalbzeit hinter Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini) 'nur' noch den zweiten Gesamtrang belegt: Ein Podestplatz auf dem Stadtkurs lag in greifbarer Nähe. Der von P4 gestartete Deutsch-Südafrikaner befand sich während der Boxenstoppphase im direkten Duell mit dem weißen Winward-Mercedes, den später Maro Engel in seinem 100. DTM-Rennen zum zweiten Platz auf dem Podium führen sollte.
Jack Aitken für Kollision mit Kelvin van der Linde nachträglich bestraft
In der Boxengasse (Runde 24) kam es zu einer brenzligen Situation rund um van der Linde, der nach der Boxenplatzausfahrt von Engel in der Fast Lane sogar auf die Bremse treten musste, um einen Kontakt mit dem AMG-Fahrer zu vermeiden. Dazu später mehr. Was van der Linde am Ende ein Top-Ergebnis kostete, war die Kollision mit Jack Aitkens Emil-Frey-Ferrari in der 27. von 69 Runden. Eingangs des Schöller-S traf der Brite den Audi von van der Linde hinten rechts und führte ihn in einen Dreher, der in den Reifenstapeln endete.
Van der Linde konnte die Fahrt fortsetzen, fiel aber weit zurück und musste sich wieder in die Top-10 nach vorne kämpfen. Engel konnte mit seinem Boxenstopp zeitgleich den bis dato virtuell Zweitplatzierten Bortolotti undercutten. Für Aitken blieb die Kollision nicht ohne Folgen: Die Rennleitung erklärte ihn zum Alleinschuldigen und brummte ihm nach Rennende eine 15-Sekunden-Zeitstrafe auf. Der Pole-Setter vom Samstag fiel aus den Punkterängen heraus.

Tomczyk: "Diesen Punkten werden wir noch lange hinterherlaufen"
Ein schwacher Trost für van der Linde, der sich über Aitkens Vorgehensweise ärgerte: "Es war extrem frustrierend, von einem Auto, das gerade mit kalten Reifen aus der Box kam, umgedreht zu werden. Ich bin froh, dass wir nach dem Einschlag in die Mauer wenigstens noch weiterfahren und Punkte holen konnten."
Ins gleiche Horn blies Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk, der während des Wochenendes wegen einer Erkrankung zwischen dem Norisring und seiner Heimat Rosenheim hin- und herpendeln musste: "Leider kam der Zwischenfall mit dem Ferrari, der extrem ärgerlich war. Dafür gab es nachträglich eine Zeitstrafe, aber der Impact auf unserer Seite mit Blick auf die Meisterschaft war natürlich größer. Diesen Punkten werden wir noch lange hinterherlaufen." Van der Linde liegt in der Gesamtwertung mit 99 Punkten fünf Zähler hinter Spitzenreiter Bortolotti.
Unsafe Release von Maro Engel? Rennleitung verweist auf Reglement
Was im Fahrerlager für Diskussionen sorgte und sicherlich weiterhin sorgen wird, war der Boxengassen-Vorfall zwischen van der Linde und Engel. Der Audi-Pilot hatte direkt per Funk einen 'Unsafe Release' seines Kontrahenten gemeldet, doch zu einer Untersuchung kam es erst gar nicht.
Ein DMSB-Sprecher erklärte aus Sicht der Rennleitung, dass im Regelwerk verankert sei, dass es eine Strafe nur dann gibt, wenn sich zwei Autos in der Boxengasse überlappen und dabei der Vordermann (in diesem Fall Maro Engel) in die Fast Lane geschickt worden ist. Das sei hier aber aus Sicht der Rennleitung nicht der Fall gewesen.
Interessant ist zudem der Hinweis, dass der Hintermann (hier Kelvin van der Linde) bremsen müsse, um eine Kollision zu verhindern. Im Artikel 23.9 des Sportlichen Reglements heißt es dazu unter anderem: Allein die Tatsache, dass ein Fahrzeug auf der Fast Lane abbremsen muss, um eine Kollision mit einem Fahrzeug zu vermeiden, das von der Working Lane kommt, gilt generell nicht als Gefährdung."

Van der Linde: "Die TV-Bilder waren doch wohl eindeutig!"
"Die TV-Bilder waren doch wohl eindeutig", sagte van der Linde zu Motorsport-Magazin.com. "Uns hat man gesagt, wenn das linke Rad des Vorderwagens (in diesem Fall von Maro Engel; d. Red.) die weiße Linie in Richtung Fast Lane überquert hat und ich dann noch nicht an dessen Hinterrad bin, wäre es kein Unsafe Release. Ich habe dafür wenig Verständnis. Wenn ich nicht gebremst hätte, wäre es zu einer Kollision mit Engel gekommen, oder ich wäre links in der Leitplanke gelandet."
Der 28-Jährige weiter: "Es ist leider so, dass sich die Regeln zu oft ändern, aber jeder Vorfall ist anders zu bewerten. Ohne diesen Zwischenfall wäre ich vor Maro aus der Box gekommen und dann hätte es die Kollision mit Jack wahrscheinlich auch gar nicht gegeben."
Aus Sicht von Engel klang die Situation wenig überraschend etwas anders: "Es war sehr eng, aber für mich noch in Ordnung. Ich war vor ihm, viel mehr gibt es nicht dazu zu sagen."
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