Was die Formel 1 bereits über sich ergehen lassen musste oder durfte, könnte bald auch der MotoGP bevorstehen: Die Amerikanisierung des Sports. Ab 2025 wird die Königsklasse auf zwei Rädern bzw. deren Promoter Dorna Sports nämlich mehrheitlich von F1-Rechteinhaber Liberty Media übernommen, sollte die EU-Kommission keinen Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht erkennen. Eine Nachricht, die viele treue Fans der MotoGP mit gemischten Gefühlen wahrnahmen. Doch nicht alles, was aus den Vereinigten Staaten kommt, muss zwangsläufig schlecht für den geliebten Sport sein.
Ein solches Gegenbeispiel ist der einmalige 500ccm-Weltmeister Kevin Schwantz, der die Herzen der Motorrad-Fans zwischen 1986 und 1995 fast zehn Jahre lang höherschlagen ließ. Auf der Strecke sorgte der langjährige Suzuki-Pilot mit seinem risikobehafteten und kompromisslosen 'do or die' Fahrstil für Spektakel, legendär sind bis heute seine Duelle mit den Landsleuten Wayne Rainey und Eddie Lawson oder dem Australier Mick Doohan. Und auch abseits der Strecke war Schwantz nie um einen Spruch verlegen. Er sagte immer, was er gerade dachte. Er lobte die Konkurrenten für gute Leistungen, trat ihnen verbal aber auch ohne zu Zögern in den Hintern, wenn er es für angebracht hielt. Ein besonderer, einzigartiger Fahrer eben - und ein Fahrer, der heute im MotoGP-Paddock fehlt.

Pedro Acosta über Kevin Schwantz: Das ist die wahre MotoGP-DNA!
"Wir brauchen wieder mehr Leute wie ihn", fordert deshalb einer, der selbst erst vor wenigen Monaten Teil der MotoGP wurde, dabei aber schon tausende Fanherzen im Sturm erobert hat: Pedro Acosta. Der Superrookie des GasGas-Tech3-Teams gibt ganz offen zu: "Uns fehlt heutzutage diese DNA in der MotoGP." Dabei geht es ihm allerdings nicht um das fahrerische Talent seines Kindheitsidols, sondern um etwas anderes: Dessen Persönlichkeit. Schwantz war nämlich auch deshalb bei Fans und Nachwuchspiloten so beliebt, weil er sich immer die nötige Zeit für sie nahm und das auch heute noch tut, wenn er einmal wieder im MotoGP-Paddock zu Gast ist.
"Ich erinnere mich, dass ich eines Tages nach Jerez gegangen bin - da war ich vielleicht acht Jahre alt - um an dieser MotoGP-Legenden-Sache teilzunehmen, die Wayne Gardner in der Vergangenheit immer ausgerichtet hat. Angel Nieto, Fonsi und all diese Jungs waren auch da, aber er [Kevin Schwantz] war der Einzige, der die kompletten vier Stunden lang Autogramme für die Fans geschrieben und Fotos mit ihnen gemacht hat", beschreibt Acosta eine Kindheitserinnerung an Schwantz und wiederholt: "Solche Leute brauchen wir wieder. Das ist für mich die wahre DNA der MotoGP!"

Pedro Acosta: Der MotoGP fehlen Charaktere wie Stoner und Pedrosa
Tatsächlich sind die herausragenden Charaktere in der Motorrad-WM seit dem Rücktritt von MotoGP-Legende Valentino Rossi rar geworden. Aus dem aktuellen Starterfeld darf sich wohl einzig Marc Marquez weltweiter Bekanntheit erfreuen. "Ich denke, dass niemand wie Kevin sein kann, aber wir müssen einfach wieder natürlicher werden", fordert Acosta seine Mitstreiter deshalb auf, sich vor der Presse nicht weiter zu verstellen und zu sagen, was einem jeden Fahrer auf dem Herzen liegt. "Wir müssen wieder so sein, wie vor zehn Jahren. Da hatten wir Charaktere wie Casey [Stoner], wie Dani [Pedrosa]. Es war nicht jeder gleich und austauschbar. Die Fahrer haben ihre Persönlichkeit damals nicht verstellt. Da müssen wir wieder hin."
Bemerkenswerte Worte vom 20-Jährigen, der diesen Forderungen zumindest selbst bislang aber auch Taten folgen ließ. Von Schwantz erhält der nächstjährige KTM-Werksfahrer daher lobende Worte. Im Interview mit 'GPOne.com' erklärte der US-Amerikaner: "Die Fahrer sollten heutzutage wieder lernen, zu sagen, was sie denken - so wie Acosta. Sie müssen ihre Gefühle besser zeigen. Wenn wir über Fahrer sprechen, dann sprechen wir über ihre Duelle auf der Strecke. Aber diese Duelle gehen auch abseits der Strecke weiter, was ich einen verbalen Kampf nennen würde. Dieses Spiel spielen sie heute aber nicht mehr, sie sind alle politisch zu korrekt geworden."
Acosta verzichtet in der MotoGP bislang jedoch auf 'Understatement' und politische Korrektheit. Er zeigt sich in seinen Interviews angriffslustig und scheut sich auch nicht vor Kritik an sich selbst, könnte somit also zum Vorbild für seine älteren Kontrahenten werden. Ob dem so kommen mag oder nicht, Schwantz hält schon jetzt große Stücke auf den GasGas-Piloten. Er verrät: "Er ist ein junger, talentierter Fahrer und ich bin froh, ihn als Freund bezeichnen zu können."
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