1. Warum startete Franco Colapinto aus der Box?

Franco Colapinto konnte nach seinem Unfall im Qualifying froh sein, überhaupt am Las-Vegas GP teilnehmen zu können. Erst nach einem zweiten medizinischen Check erhielt er die Freigabe. Eigentlich hatte er sich trotz des Unfalls auf Rang 14 qualifiziert, tatsächlich startete er aber aus der Boxengasse hinterher. Grund dafür waren Setupänderungen, die Williams beim Neuaufbau des Fahrzeugs vorgenommen hatte. Theoretisch hätte Colapinto auch mit dem Ersatz-Chassis von seiner angestammten Position aus starten können. Durch die Setup-Änderungen verletzte man die Parc-ferme-Regeln, was automatisch einen Start aus der Boxengasse nach sich zieht.

2. Wieso fuhr Esteban Ocon einfach so durch die Boxengasse?

Gegen Runde 30 spielte die Weltregie eine kuriose Szene ein: Esteban Ocon fuhr durch die Boxengasse, doch er fand seine Pitcrew nicht. Also fuhr der Franzose einfach weiter. Tatsächlich fand die unnötige Boxendurchfahrt schon viel früher statt. In Runde 11 wurde Ocon zum Reifenwechsel gerufen. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich direkt hinter Nico Hülkenberg. Die Anweisung an ihn hieß: "Box, Gegenteil von Hülkenberg."

Diese Anweisung bedeutet, das Ocon an die Box kommen sollte - außer Hülkenberg biegt vor ihm ab, dann sollte er draußen bleiben. Weil Hülkenberg nicht zum Reifenwechsel abbog, kam Ocon rein. Doch seine Boxencrew stand nicht bereit. Das Team nahm den Fehler auf sich, lieferte aber keine richtige Erklärung, wie es dazu kommen konnte. Für Ocon war das Rennen damit gelaufen, eine Runde später kam er dann tatsächlich für den Reifenwechsel an die Box. Besonders bitter: Hülkenberg wurde Achter. Mit den vier Punkten zog Haas in der Konstrukteurs-WM wieder an Alpine vorbei.

3. Warum war Aston Martin nicht bereit für Strolls Stopp?

Früher im Rennen zeigte die Weltregie, wie Lance Stroll vor seiner Garage stand auf den Reifenwechsel wartet. Die Mechaniker eilten zu diesem Zeitpunkt erst mit den frischen Pirelli-Pneus herbei. Grund war ein defekter Boxenfunk. Stroll konnte das ganze Rennen über nicht mit seinem Team kommunizieren. Stroll versuchte, mit dem Pit-Knopf seine Aston-Martin-Crew zu warnen, doch das funktioniere offenbar auch nicht. Rund 15 Sekunden verlor der Kanadier beim Stopp. Bei seinem zweiten Stopp ging alles glatt.

4. Wieso gingen Ferrari die Reifen ein?

Ferrari reiste als großer Favorit nach Las Vegas. Auf eine Runde gab es Zweifel daran, ob man die Reifen auf Betriebstemperatur bekommen würde, doch im Renntrimm sollte es eigentlich keine Probleme damit geben. Deshalb rechnete sich die Scuderia von den Startplätzen zwei und vier noch viel aus. Tatsächlich begann das Rennen vielversprechend: Charles Leclerc schoss am Start von vier auf zwei nach vorne und setzte direkt George Russell unter Druck.

Verstappen: Weltmeister im schlechteren Auto! Bester Fahrer? (16:52 Min.)

Lange hielt die Offensive aber nicht: Schon in Runde 7 brachen Leclerc die Reifen ein. Ferrari bekam als erstes Team Probleme mit dem befürchteten Graining. Leclerc nahm es später auf seine Kappe: "Ich bin keinen guten ersten Stint gefahren, ich habe wohl zu viel gepusht auf diesen Reifen." Bei Teamkollege Carlos Sainz gingen die Reifen nicht ganz so schnell ein, aber auch er musste früher als erwartet an die Box kommen. Er zog mit Leclercs Pace nach und fuhr wie sein Teamkollege in verwirbelter Luft. Auf dem harten Reifen war Ferrari schließlich wieder konkurrenzfähig, doch in den wenigen Runden vor dem Stopp hatte man sich schon mehr als zehn Sekunden Rückstand eingefahren und damit jede Chance auf den Sieg verloren.

5. Warum verkalkulierte sich Pirelli bei der Strategie?

Tatsächlich hatte Pirelli erwartet, dass der Medium-Reifen große Probleme mit Graining haben würde - aber nicht so früh. Pirelli rechnete damit, dass eine Einstopp-Strategie der Weg zum Erfolg sein würde. Mit dem Medium sollte man dabei zwischen Runde 14 und 20 stoppen. Leclerc kam aber schon in Runde 9. Fast alle Piloten stoppten am Ende zweimal.

Der Las Vegas GP wurde überraschend zum Zweistopper, Foto: Pirelli
Der Las Vegas GP wurde überraschend zum Zweistopper, Foto: Pirelli

"Die erste Analyse zeigt, dass es daran lag, dass einige Fahrer am Anfang hart gepusht haben und nicht so sehr die Reifen gemanagt haben", erklärt Pirellis Mario Isola. "Deshalb bekamen einige mehr Probleme mit Graining als angenommen und haben ihren Boxenstopp früher als geplant absolviert. Das wiederum hat dann eine Kettenreaktion ausgelöst." Um sich gegen die Zweistopper zu verteidigen, wechselten auch die anderen Piloten auf zwei Stopps. Das war leicht möglich, weil der Undercut nicht besonders effektiv war und jeder Fahrer noch zwei frische, harte Reifensätze hatte.

6. Warum war Sainz sauer auf die Ferrari-Strategen?

Am Ende des zweiten Stints gingen Carlos Sainz die harten Reifen ein. Der Spanier forderte sein Team mehrmals dazu auf, ihn zum Reifenwechsel zu holen. Schließlich bekam er, was er wollte, Ferrari holte ihn an die Box. Doch in letzter Sekunde bekam er die Nachricht, doch draußen zu bleiben. Da hatte Sainz aber schon für die Boxeneinfahrt verlangsamt. Sainz fuhr wieder zurück auf die Strecke. Eine Strafe bekam er dafür nicht, weil das Überfahren der Boxenlinie in diese Richtung in Las Vegas nicht verboten war.

"Was war das?", wollte der Spanier wissen. Mit der Antwort, dass die Crew noch nicht bereit war, wollte sich Sainz nicht ganz zufriedengeben. "Wacht auf!", funkte er zurück. Neben dem zu späten Stopp kostete ihn die Szene an der Boxeneinfahrt noch zusätzlich drei Sekunden. "Es war chaotisch, weil wir darüber diskutiert haben, ihn an die Box zu holen und gleichzeitig darüber nachdachten, Positionen zu tauschen", verteidigte Teamchef Fred Vasseur seine Mannschaft. Weil Sainz die Reifen eingingen, kam Leclerc von hinten angeflogen. Vor seinem Stopp ließ Sainz den Teamkollegen noch passieren.

7. Warum fluchte Charles Leclerc wie verrückt?

Ferrari sorgte beim Las Vegas GP für reichlich Unterhaltung. Vor allem der Boxenfunk von Charles Leclerc. Nachdem er am Ende des zweiten Stints wieder vor Teamkollege Sainz war, gerieten die beiden zu Beginn des dritten Stints noch einmal aneinander. Als Leclerc von seinem letzten Stopp zurück auf die Strecke kam, flog Sainz von hinten heran. Der Spanier war drei Runden zuvor an der Box und hatte seine harten Reifen inzwischen auf Temperatur gebracht.

Während man Leclerc am Funk sagte, dass Sainz ihn nicht angreifen würde, hatte man das mit dem Spanier noch nicht abgemacht. Erst als Sainz zum Überholmanöver ansetzte, erhielt er die Anweisung. Da war es bereits zu spät. "Vielleicht hättet ihr es ihm auf Spanisch sagen sollen", ärgerte sich Leclerc.

Nach dem Rennen wurde der Monegasse ungewohnt deutlich. "Ich habe meinen Job erledigt, aber wenn ich nett bin, f**t mich das jedes verf**kte Mal." Anschließend gab sich Leclerc weiter schnippisch gegenüber Renningenieur Bryan Bozzi - nur um später festzustellen: "Scheiße, scheiße, der Funk ist noch an. Das tut mir leid."

8. Warum mussten Gasly und Albon aufgeben?

Pierre Gasly gelang mit Platz drei in der Qualifikation eine Sensation. In den ersten Runden musste er zwar erwartungsgemäß federn lassen, doch vor den Boxenstopps lag er noch immerhin auf Position 6. In Runde 15 verlor er schlagartig Leistung und musste schließlich aufgeben. Das Team deutete die Daten zunächst falsch und führte die Probleme auf den Drehzahlbegrenzer zurück. Tatsächlich aber hatte sich der Renault-Motor im Heck des Alpine verabschiedet. Eine Motorenstrafe fürchtet Gasly aber nicht, seinen Aussagen zufolge hat er noch genügend Triebwerke für die letzten beiden Formel-1-Rennen im Pool.

Alex Albon ereilte zehn Runden später das gleiche Schicksal. Der Williams-Pilot lag zu diesem Zeitpunkt auf Rang zehn und durfte sich durchaus realistische Chancen auf Punkte machen. Auch bei ihm gab die Power Unit den Geist auf. Die Mercedes-Ingenieure in der Williams-Garage hatten den Defekt aber auf den Daten erkannt und holten Albon rein, bevor eine Rauchwolke a la Alpine entstand.

9. Wieso war Mercedes plötzlich so schnell?

Mit diesem Doppelsieg hatte Mercedes nicht gerechnet. Doch plötzlich funktionierte der Silberpfeil - und das nicht nur auf eine Runde. Lewis Hamilton kämpfte sich von Startplatz zehn bis auf Platz 2 nach vorne, Teamkollege George Russell dominierte an der Spitze nach Belieben. Bei Mercedes hat man zwei Erklärungen dafür. Einerseits helfen dem F1 W15 kühle Temperaturen. Die bisherigen Siege aus eigener Kraft fuhr man in Silverstone und Spa ein. In Montreal hätte man eigentlich auch gewinnen müssen.

Zusätzlich schien die nicht nur sehr glatte, sondern auch sehr ebene Oberfläche des Las Vegas Strip Circuits zu helfen. "Es ist kein Geheimnis, dass wir auf Strecken mit vielen Bodenwellen das Auto ein ziemliches Stück anheben müssen", erklärt Russell. "Wir müssen es weicher machen. Und dann sind wir in einem Fenster, wo wir keinen Abtrieb haben." Das Problem gab es in Las Vegas nicht.

10. Wie konnte McLaren so abstürzen?

Während Mercedes plötzlich dominierte, fiel McLaren zurück. Hinter Mercedes, Ferrari und Max Verstappen war der MCL38 nur vierte Kraft. Dafür gab es wohl - wie bei Mercedes - zwei Gründe. Einerseits ist McLaren auf Strecken mit kleineren Flügeln generell weniger konkurrenzfähig. "Wir haben schlicht weniger Ressourcen für die Entwicklung des Low-Downforce-Pakets aufgewandt", so Teamchef Andrea Stella.

Auf der anderen Seite kämpft McLaren seit Jahren mit Strecken, auf denen die Vorderreifen der limitierende Faktor sind - speziell, wenn es um Graining geht. Diese Charakteristik steckt auch in der DNA des MCL38. Immerhin: Im letzten Stint fuhr zumindest Lando Norris deutlich schneller. "Er hat etwas gravierend geändert und das hat geholfen", verrät Stella. Was genau der Brite änderte, wollte er aber nicht sagen.

11. Wofür wurde Oscar Piastri bestraft?

Der neue Rennleiter Rui Marques bekam ein angenehmes Einstands-Wochenende, im Rennen gab es nicht eine gelbe Flagge. Auch die Stewards hatten einen ruhigen Arbeitstag. Eine Strafe mussten sie aber doch aussprechen: Oscar Piastri bekam eine 5-Sekunden-Strafe aufgebrummt. Die änderte nichts an seinem Ergebnis, doch machte ihm das Leben nicht leichter. Grund für die Strafe: Der Australier stand nicht korrekt in seiner Startbox. Auf den TV-Bildern war es nur schwer zu erkennen, die Stewards begründeten aber ihr Urteil: "Die Kontaktflächen der Vorderreifen waren zum Zeitpunkt des Startsignals außerhalb der Startbox."