Ferrari ist beim WEC-Saisonstart im Wüstenstaat Katar ein historischer Erfolg gelungen: Zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren standen bei einem Sportwagen-Rennen wieder drei Autos des italienischen Autobauers auf dem Podium. Wobei nicht außer Acht gelassen werden darf, dass Ferrari erst 2023 nach exakt einem halben Jahrhundert Auszeit in die Topklasse des Langstreckensports zurückgekehrt war.
Blick zurück in die Geschichtsbücher: Am 25. Juni 1972 eroberten drei Ferrari 312 PB beim 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Österreich-Ring, heute bekannt als Red Bull Ring, einen Dreifachsieg. Angeführt vom Duo Jacky Ickx and Brian Redman, folgten auf den Plätzen zwei und drei die Fahrer-Crews Helmut Marko und Carlos Pace sowie Ronnie Peterson/Tim Schenken. Ickx, Marko, Pace oder Peterson: Allesamt berühmte Namen, die Motorsport-Fans heutzutage bekannt sind.
Was waren die wichtigsten Themen beim WEC-Saisonauftakt in Katar? Schaue dir jetzt unser aktuelles News-Video mit allen Infos an:
Eine-Million-Euro-Frage: Wer kennt Ferraris Le-Mans-Sieger?
Würde bei der TV-Show 'Wer wird Millionär' aber die Eine-Million-Euro-Frage lauten, welche drei Ferrari-Fahrer 2024 die 24 Stunden von Le Mans gewonnen haben, würde wohl selbst mancher Motorsport-Experte als Telefonjoker ins Grübeln kommen... Ferrari, das ist bekannt, aber bei den konkreten Fahrernamen hört es in Le Mans und in der WEC meist auf.
Hier die Auflösung: Miguel Molina, Antonio Fuoco und Nicklas Nielsen heißen die Piloten, die das berühmteste Autorennen der Welt gewonnen haben, das sich im Juni 2025 zum 93. Mal in seiner Geschichte jährt. Namen, die, bei allem Respekt, wohl nur echten Motorsport-Freaks vertraut sind. Dem Trio selbst dürfte dieser Umstand herzlich egal sein und bei Ferrari kann man sich auf die Schulter klopfen, bei der Fahrerwahl alles richtig gemacht zu haben. Das Trio polierte unlängst mit dem WEC-Sieg in Katar - dem ersten des Ferrari-Werksteams abseits von Le Mans - sein Image in der Öffentlichkeit weiter auf.
Statt Prototypen-erfahrene Piloten für die Langstrecken-WM einzukaufen, vertrauten die Italiener mit Molina, Fuoco und Nielsen lieber auf etablierte GT-Fahrer aus dem hauseigenen Werkskader. Das gilt ebenso für die Besetzung des roten Schwesterautos, wo nur der frühere Formel-1-Fahrer Antonio Giovinazzi dazustieß, um die GT-Asse Alessandro Pier Guidi und James Calado zu unterstützen. Besser bekannt als Le-Mans-Sieger 2023, im Jahr der Rückkehr von Ferrari.

"Leider war es leichter, als Alonso oder Hülkenberg in Le Mans gewannen"
Hätten die Fahrer angesichts dieser herausragenden Leistungen beim wichtigsten Rennen der Welt nicht mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit in der sportinteressierten Öffentlichkeit verdient? Zählt denn wirklich nur die Formel 1 und läuft der Rest unter ferner liefen?
"Das ist ein Problem im Langstrecken-Sport", nickte Ferraris Sportwagen-Chef Antonello Coletta im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Bei drei Fahrern pro Auto ist es schwieriger, sich an die Namen zu erinnern. Leider war es leichter, als Alonso mit Toyota oder Hülkenberg im Porsche in Le Mans gewannen. Wenn ein Formel-1-Fahrer dabei ist, macht das die Sache immer einfacher. Aber das ist der Punkt: Genau das muss uns auch mit den aktuellen WEC-Fahrern gelingen. Alle Hersteller sind gefordert, auch die Fahrer, und nicht nur die eigene Marke in den Vordergrund zu stellen."
Das Thema dürfte nicht nur Ferrari, sondern auch andere Hersteller beschäftigen. Etwa die Marketing-Abteilung von WEC-Newcomer Aston Martin. Die Briten haben mit ihrem V12-Valkyrie zwar für mächtig Furore gesorgt, aber mit Fahrernamen wie Ross Gunn, Tom Gamble, Alex Riberas oder Harry Tincknell tun sich selbst eingefleischte Motorsport-Fans schwer.
Le-Mans-Sieger Molina überzeugt: "Das wird sich entwickeln"
Für den amtierenden Le-Mans-Sieger und Katar-Gewinner Molina, zu DTM-Zeiten bei Audi zwischen 2010 und 2016 eher in der zweiten Reihe angesiedelt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wind dreht. "Das wird sich entwickeln", meinte der 36-jährige Spanier zu Motorsport-Magazin.com. "Okay, die Formel 1 ist die Formel 1. Aber die WEC ist aktuell die FIA-Weltmeisterschaft mit den meisten Herstellern. Wenn die Serie dadurch weiter anwächst, wird man auch die Rennfahrer eher erkennen."
Zwar gilt auf der Langstrecke ohnehin der Teamplayer-Aspekt, und für Ego-Trips ist bei den mehrstündigen Rennen im besten Fall kein Platz, dennoch können die Fahrer in der WEC durchaus einen Unterschied ausmachen. Weniger bei der Beherrschung der Hypercars, die mit ihren 700 PS längst nicht an die sündhaft teuren LMP1-Downforcemonster vergangener Tage heranreichen, wohl aber beim Rennverständnis. Wer den gemischten Verkehr mit den GT3-Autos nicht optimal managt, lässt locker bis zu drei Sekunden pro Runde liegen.

Giovinazzi: Bekommen weniger Druck von Medien als in Formel 1
"In einer Meisterschaft wie der Formel 1 gibt es Phasen, in denen du dich etwas entspannen kannst, weil niemand vor oder hinter dir ist. In der WEC geht das nicht", erklärte uns der 62-fache Grand-Prix-Starter Giovinazzi, der Ende 2021 bei Alfa Romeo rausgeworfen wurde. "In jeder Runde musst du andere Autos überholen und dabei Entscheidungen treffen: Ist es gut, jetzt zu überholen? An welcher Stelle? Oder besser doch nicht? Das ist anstrengend. Zwei Stunden lang läuft dein Kopf ständig auf Hochtouren."
Kein Wunder, dass der Italiener nach dem Le-Mans-Sieg 2023 ungehemmt Freudentränen vergoss und damit für Gänsehautmomente an den TV-Bildschirmen sorgte. Dabei scheint Giovinazzi nicht ganz unfroh zu sein, jetzt nicht mehr unter dem erbarmungslosen Brennglas der Formel 1 zu stehen.
Während in der Königsklasse des Formelsports jeder noch so kleine Fehler ausgeschlachtet wird, geht es in der Top-Liga der Langstrecke etwas zahmer zu. "Endurance-Racing ist für Außenstehende schwieriger zu verstehen, daher bekommen wir weniger Druck von den Medien ab. Für uns wird das Fahren dadurch etwas einfacher und wir können es vielleicht noch mehr genießen."
Wer waren unsere Gewinner und Verlierer beim WEC-Start in Katar? Lies jetzt, wie Robert den Saisonauftakt eingeschätzt hat:
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