Gespannt erwartete die MotoGP-Welt in dieser Woche nicht nur den Start der neuen Saison 2025 mit dem Thailand-Grand-Prix, sondern auch den vergangenen Dienstag. Am 25. Februar wurde im Landgericht von Ried im Innkreis nämlich bei der Gläubigerversammlung über die weitere Zukunft des insolventen MotoGP-Herstellers KTM abgestimmt. Der vorgelegte Sanierungsplan erhielt dort grünes Licht, über die weitere Zukunft im Motorradrennsport gab es aber keine genauen Informationen. Motorsport-Magazin.com traf in Buriram daher KTM-Motorsportchef Pit Beirer zum exklusiven Interview. Er erklärt, wie es für KTM in der MotoGP jetzt weitergeht:
Motorsport-Magazin.com: Pit, du hast zuletzt oft von Etappensiegen in diesem Sanierungsverfahren gesprochen. Welche Bedeutung hatte die Zustimmung der Gläubiger am vergangenen Dienstag für euch? Fühlt ihr euch jetzt schon im Ziel?
Pit Beirer: Das hat sich schon wie ein Dakar-Sieg angefühlt! Es war für uns von Anfang an klar, dass es drei große Tage gibt in diesem Prozess, die uns definitiv auch stoppen könnten. Wir mussten immer wieder gewisse Bedingungen erfüllen, dass es weitergeht. Die dritte Etappe war natürlich die wichtigste. Wir konnten nun einen erfolgreichen Abschluss vorweisen. Dass wir das grüne Licht bekommen haben, war unglaublich. Das heißt natürlich nicht, dass jetzt alles erledigt ist und Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Die Arbeit geht erst richtig los, aber wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben uns sehr schmerzhaft von einigen Mitarbeitern trennen müssen. Wir haben die drei Monate genutzt, im Unternehmen keinen Stein auf dem anderen zu lassen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Und darüber sind wir natürlich glücklich.
Einen Ausstieg aus der MotoGP habt ihr ja immer dementiert. Können wir unter dieses Thema jetzt einen Schlussstrich ziehen?
Pit Beirer: Wir steigen gar nirgends aus! Wir haben das Unternehmen auf die Zukunft ausgerichtet und Motorsport ist ein Teil davon. Wir haben es in der schwierigen Phase geschafft, auch den Restrukturierungsverwalter Peter Vogl, zu überzeugen, dass Motorsport Teil des erfolgreichen Geschäftsmodells von KTM war. Wir haben ja über 30 erfolgreiche Jahre hinter uns, in denen wir über die Rennabteilung bestimmte neue Motorräder promoten konnten, wovon dann das Kundengeschäft profitiert hat. Wir haben so sehr viele Fans und Kunden gewonnen. Aber es hat eben zweimal nicht funktioniert. Das war in der Finanzkrise 2008 und jetzt 2024. In der ersten Not kümmert sich natürlich keiner mehr um den Rennsport. Da gilt es, eine Firma zu retten mit über 6.000 Mitarbeitern. Da kam klarerweise dann auch der Rennsport unter Druck, was die Kosten betrifft. Aber wie gesagt, es war sehr schnell klar, dass Rennsport einfach Teil des Erfolgsmodells ist. Und deshalb werden wir genau so in die Zukunft gehen. Wir machen einfach unsere Arbeit weiter wie bisher. Und planen natürlich auch über 2025, 2026 und 2027 hinaus.
Inwiefern haben die letzten Monate eure Entwicklungsarbeit für die kommenden Jahre eingeschränkt?
Pit Beirer: Als bei uns der Blitz eingeschlagen hat, ist natürlich mal alles kurz gestanden. Es wurde da aber in den Medien viel vermischt. In der MotoGP gibt es den Entwicklungsstopp beim Motor für 2026, der für alle Hersteller gilt, außer jene mit Concessions. Der Entwicklungsstopp ist für uns extrem hilfreich, weil du als Unternehmen natürlich so sehr viel Budget sparst. Zu dem Zeitpunkt, als wir in das Verfahren gegangen sind, war das diesjährige Motorrad aber bereits fertig. Somit gab es für das diesjährige Motorrad keinen Entwicklungsstopp. Ein MotoGP-Bike besteht zu 99 Prozent aus Prototypenteilen. Und wenn du die im November nicht fertig entwickelt und das Material im Zulauf hast, dann hast du im Januar nichts, das du zusammenschrauben und dann nach Sepang zum Test schicken kannst. Also alles, was da geredet wurde über das 2025er-Bike, hat einfach nicht gestimmt.
Und wie sieht es mit der Entwicklung für das neue Reglement ab 2027 aus?
Pit Beirer: Das 2027er-Motorrad hat jetzt ja noch kein Hersteller fertig. Das Projekt läuft. Die Ingenieure sind bei uns im Haus und arbeiten fleißig an dem Bike. Solange du in der Konstruktions- und Designphase bist, brauchst du keine Hardware. Also hat sich auch hier nichts verändert aufgrund der Krise, die wir hatten. Aber natürlich kommt demnächst ein Zeitpunkt, an dem du anfängst, Material ins Haus zu holen, so dass du bis Ende des Jahres das Motorrad auf der Rennstrecke hast. Und davor muss natürlich schon geklärt sein, wie es bei uns im Haus weitergeht und wie die Firma aufgestellt ist. Deshalb war der vergangene Dienstag für uns mehr als ein Etappensieg.
Die kleineren Klassen Moto2 und Moto3 habt ihr ja schon für 2025 umstrukturiert, mit einem Fokus auf die Marke KTM und einigen Einsparungen. Ist dieser Prozess für euch abgeschlossen? Seid ihr mit dem aktuellen Setup glücklich?
Pit Beirer: Wir sind momentan mit dem Setup glücklich, das wir haben. Wir haben weltweit Reduzierungen vorgenommen im Rennsport. Das haben wir glücklicherweise bereits in der zweiten Jahreshälfte 2024 eingeleitet. Wir waren in diesem Bereich teilweise zu breit aufgestellt. Du findest auch nicht für drei Marken überall Spitzenpersonal und Spitzenfahrer. Der Fokus liegt jetzt einfach auf KTM.
In der Moto3 soll in den kommenden Jahren ein neues Reglement mit einem Einheitsmotorrad kommen. Ist das interessant für euch?
Pit Beirer: Ja, das ist interessant. Wir würden sehr gerne in dieser Klasse bleiben. Es wird aber sicherlich auch andere Hersteller geben, die dieses Motorrad bauen wollen. Eine Einheitsklasse bedeutet natürlich auch ein anderes finanzielles Engagement. Wenn wir da der Techniklieferant für die Klasse sind, bringen wir Material an die Strecke, das bezahlt werden muss. Das wäre also eine Art Kundensport, die uns auch Spaß machen würde. Aber primär ist eine richtige Rennabteilung schon da, um gegen die Konkurrenz Rennen zu fahren.
Du hast bei der Team-Präsentation Ende Januar einen möglichen Investor für euer MotoGP-Projekt angekündigt. Kannst du darüber schon mehr verraten?
Pit Beirer: Wir reden mit verschiedenen Investoren und haben auch einen ganz klaren Favoriten, bei dem wir glauben, dass er uns wirklich helfen und verstärken würde - nicht nur durch finanzielles Engagement, sondern auch durch Kontakte und Vermarktungsmöglichkeiten. Da hätten wir wirklich einen Profi an unserer Seite. Auch hier war jetzt ganz entscheidend, dass die Firma auf gesunden Beinen steht für die Zukunft. Es gab auch Investoren, die hätten gerne das ganze MotoGP Projekt von uns gehabt. Aber mit der Motivation und Leidenschaft, mit der wir Rennsport betreiben, machen wir das ja im Hause KTM und für KTM, um die Marke zu bewerben und dann auch die Verkäufe auf der ganzen Welt zu befeuern. Deshalb war natürlich diese Variante für uns nie interessant.
Kannst du uns verraten, aus welchem Umfeld dieser Investor für das MotoGP-Projekt kommt?
Pit Beirer: Es steht ein Fond dahinter, aber mit einer riesengroßen Sportabteilung in der wirkliche Fachleuten und auch ehemaligen Sportprofis arbeiten.
An den Gerüchten der letzten Tage, dass KTM von BMW übernommen werden könnte, ist nichts dran?
Pit Beirer: Stefan Pierer und Gottfried Neumeister haben wirklich Unglaubliches geleistet, dass wir noch hier sind. Und sie hatten mit Herrn Vogl einen dritten Racer im Bunde, der wollte, dass die Firma überlebt. Dass dann jemand kommen soll und unser Werk kauft, um es zu schließen, ist völlig absurd. Das primäre Ziel war, den Standort mit 4.000 Arbeitsplätzen zu sichern. Wir haben das modernste Motorradwerk in Europa. Da zu spekulieren, dass dieses Werk gekauft und geschlossen wird, ist wirklich totaler Blödsinn.
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